„Krone“-Interview

Dunja, hat dir dieses Foto Glück gebracht?

Österreich
03.01.2016 08:29

Ihr Bild ging um die Welt: Die Hitze des Sommers 2015 und ein Flüchtlingsmädchen, das sich im Wasser aus den Schläuchen der Feuerwehr von Feldkirchen an der Donau abkühlt. Dort besuchte Conny Bischofberger die kleine Dunja, die zum Symbol für Menschlichkeit wurde.

Haibach an der Donau in Oberösterreich. Das Pfarrhaus, wo während des Bosnienkriegs schon Flüchtlinge gewohnt haben, ist das neue Zuhause von Dunja, sieben Jahre. Der Schnappschuss des Mädchens, das sich bei 35 Grad Hitze im Wasser aus den Schläuchen der Feuerwehr von Feldkirchen an der Donau abkühlte, wurde zum Kultbild. Wir haben ihr die Österreich-Ausgabe der "Zeit" mitgebracht. Das Flüchtlingsmädchen am Cover mit dem Titel: "Was bleibt".

"Krone": Erinnerst du dich an den Moment, in dem du fotografiert worden bist?
Dunja: Ich erinnere mich nur daran, wie schön es war, im Wasser zu spielen. Und dass mein Vater sehr glücklich war, als er das Foto auf Facebook gesehen hat. Mein Onkel hat mir gesagt, dass ich jetzt berühmt bin. Sie haben mich Dunja Superstar genannt.

Hier können Sie sich ein Soundbyte aus dem Interview anhören.

"Krone": Hat dir dieses Foto Glück gebracht?
Dunja: Ich glaube schon. Weil mein Vater ein Lied für mich gesungen hat. Du kannst es hören. Es ist sehr schön, aber ich muss immer weinen. Ich vermisse meinen Yabo so sehr.

Dunjas Mutter Yasmin spielt uns das kurdische Lied auf dem Smartphone vor. "Ich küsse dich auf die Wange", singt der Vater, "ich küsse dich auf die Stirn." Die Mutter erzählt von ihrer Hoffnung, dass ihr Mann nachkommen kann, sobald ihr Asylbescheid positiv ist. Bis August können Dunja und ihre drei Brüder im Haibacher Pfarrhaus bleiben, danach wird es umgebaut und sie müssen sich eine neue Bleibe suchen.

"Krone": Im Internet postete ein 17-Jähriger unter das Foto, dass Flammenwerfer die bessere Lösung gewesen wären. Hat er sich bei Ihnen entschuldigt?
Yasmin: Nein, aber der Bürgermeister von Linz war da und überbrachte eine Entschuldigung. Wir haben dem jungen Mann vergeben. Wir wollten nicht, dass er seine Lehrstelle verliert. Aber ein Schock war es schon, aus einem kaputten Land nach Europa zu kommen, die Raketen und Waffen hinter uns zu lassen und dann so etwas lesen zu müssen. Ich hatte Angst um meine Kinder.

Die irakische Familie, mit der sie zusammenwohnen, hat eingeheizt. Auf dem Herd dampft der Teekessel, es werden syrische Marmeladekekse mit Kokosflocken serviert. An der Wand hängt ein Plakat, auf dem Fragewörter stehen. Wo, wer, was, wann, wie? Dunjas Mutter und zwei Dolmetscher sind beim Gespräch dabei: Fadia übersetzt aus dem Kurdischen ins Arabische, Ali aus dem Arabischen ins Englische.

"Krone": Wie lebt ein Flüchtlingsmädchen?
Dunja: Ich bin sehr glücklich. Ich habe viele Freunde. Ich gehe mit Buben und Mädchen in die Schule. Ich mag meine Lehrerin, die Marianne. Ich spiele auch schon Gitarre, das lehrt mich die Miriam.

"Krone": Was möchtest du einmal werden?
Dunja: Doktor. Ich will Ärztin werden. Dann kann ich meine Mama, wenn sie krank wird, gesund machen.

Das Mädchen hat sich für das "Krone"-Interview hübsch gemacht. Es trägt eine silberne Plastikkrone mit türkisfarbenem Diadem, dazu ein türkisfarbenes Armband und Nagellack im selben Farbton. Mit dabei: Ihr kleiner Plüschhund, den Dunja mit beiden Händen festhält. Er heißt Azat, wie ihr Vater. Es war sein Abschiedsgeschenk, bevor sich die Familie auf die lange Reise nach Europa machte.

"Krone": Wie seid ihr nach Österreich gekommen?
Dunja: Über die Berge zu Fuß. Dann hat man uns in einen großen Lastwagen gesteckt. Ich konnte nur schlecht atmen. Ich habe viel geweint, weil ich Angst hatte und meine Mama krank wurde.
Yasmin: Wir saßen zu zehnt am Boden des Lasters, es war finster. Unsere Reise endete nach vier Tagen und vier Nächten. Es gab kein Klo, nur Plastiksackerl und Flaschen. Der Schlepper hat 13.000 Euro verlangt. 10.000 haben wir gespart, 3000 haben wir uns ausgeborgt. Als ich die Fotos mit den toten Flüchtlingen im Lastauto gesehen habe, räumte ich die Zeitung gleich weg, dass Dunja es nicht sehen kann.

"Krone": Was hat dir deine Mama über Österreich gesagt?
Dunja: Dass es ein sicherer Ort ist, niemand tötet einen. Und dass wir eine neue Sprache lernen.

Dunja hat sich in der Zwischenzeit an mich geschmiegt und erzählt mir akzent- und fehlerfrei, dass sie beim Krippenspiel der Volksschule mitgespielt hat. "Jeder kann ein Engel sein, auch du..." singt sie.


"Krone": Wenn jetzt ein Flugzeug käme, das euch zurück in ein friedliches Syrien bringen würde...
Dunja (lässt mich nicht ausreden): Ich will nicht mehr zurück. Nie mehr. Ich mag da leben. Mit meiner Mama, meinen Brüdern und mit meinem Papa. Bitte helft uns, dass er bald kommen kann.

Dunjas Geschichte
Dunja kommt mit ihrer Mutter und drei älteren Brüdern Ende Juni 2015 nach Österreich. Im Juli fotografiert ein Feuerwehrmann das Mädchen bei einer "Dusche", die die Freiwillige Feuerwehr in Feldkirchen an der Donau (OÖ) 78 Flüchtlingen verschafft hat. Der Schnappschuss verleitet einen 17-Jährigen zu einem Hassposting auf Facebook: "Flammenwerfer währe (sic!) da die bessere Lösung." Er verliert daraufhin seinen Job.

Aus dem Video-Archiv: "Miss Earth"-Schönheiten kochen für Flüchtlinge

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