Radikale Rochaden

Der holprige Pfad der kleinen Großen Koalition

Österreich
11.05.2017 06:31

Wilde Streitereien statt konstruktiver Zusammenarbeit, radikale Personalrochaden statt demonstrativer Rückendeckung: Die nach der Nationalratswahl Ende 2013 gebildete SPÖ-ÖVP-Koalition ist bisher mehr als turbulent verlaufen. So ist SPÖ-Kanzler Werner Faymann längst Geschichte, mit Reinhold Mitterlehner warf am Mittwoch bereits der zweite ÖVP-Vizekanzler das Handtuch. Und auch viele Minister der ersten Angelobung wurden im Laufe der bisherigen Regierungsperiode ausgetauscht.

Fakt ist: Das Fundament von Rot-Schwarz weist tiefe Risse auf, vorgezogene Neuwahlen vor dem regulären Termin im Herbst 2018 sind weiterhin nicht ausgeschlossen. Zwar wurde nach vergangenen Personalrochaden von der Regierungsspitze stets ein "neuer Stil" ausgerufen, doch das Gefüge blieb auch danach stets zerbrechlich.

Kern wettert gegen ÖVP-Ministerriege
Auch am Mittwoch bot Kanzler Christian Kern (SPÖ) nach dem Mitterlehner-Rücktritt der ÖVP die Zusammenarbeit an - doch dass das Verhältnis zwischen einzelnen Ministern alles andere als gut ist, ist offensichtlich. Es gebe in der ÖVP Personen, "die nur ein sehr begrenztes Interesse an Erfolgen der Bundesregierung haben", sagte Kern Anfang dieser Woche anlässlich des ersten Jahrestags der Übernahme des Kanzlerpostens. Auf der anderen Seite warf Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) dem Kanzler "Versagen" vor.

Viele Probleme auf lange Bank geschoben
Bei vielen großen Themen - wie etwa der Bewältigung der Flüchtlingskrise - gibt es zwischen den beiden Parteien immer wieder große Differenzen. So blieb die Frage der Obergrenze für Migranten bis zuletzt offen. Auch beim Thema Sicherheit und Fremdenrecht zieht die Koalition nicht an einem Strang. Beim Themenkreis Arbeit und Wirtschaft sorgte zuletzt vor allem die von der SPÖ gewünschte Beschäftigungsgarantie für ältere, über 50-jährige Arbeitnehmer bzw. Jobsuchende für Diskussionsbedarf. Verwirrung um Zuständigkeiten und Kompetenzen herrscht bei den Themen Arbeitszeitflexibilisierung und Mindestlohn. Mit Ruhm hat sich die gegenwärtige Koalition jedenfalls in den bisherigen dreieinhalb Jahren der Zusammenarbeit nicht bekleckert.

Nur noch fünf Minister aus erster Angelobung dabei
Von der am 16. Dezember 2013 angelobten Regierungsmannschaft sind mit Sebastian Kurz, Sophie Karmasin, Wolfgang Brandstetter, Andrä Rupprechter (alle ÖVP) sowie Alois Stöger (SPÖ) überhaupt nur noch fünf Minister dabei. Nicht mehr dabei sind Rudolf Hundstorfer, Gabriele Heinisch-Hosek, Gerald Klug, Doris Bures, Sabine Oberhauser (verstorben) und Josef Ostermayer (alle SPÖ) sowie aufseiten der ÖVP neben den Parteichefs Reinhold Mitterlehner und Michael Spindelegger auch noch Johanna Mikl-Leitner.

Wahlen seit 2013: SPÖ und ÖVP im Sinkflug
Genützt haben die unzähligen Personalrochaden beiden Parteien bisher jedenfalls nichts - zumindest wenn man auf die Wahlauseinandersetzungen seit den Nationalratswahlen 2013 blickt. Beide Parteien mussten bei sämtlichen Landtagswahlen teilweise dramatische Verluste hinnehmen. Negativer Höhepunkt war sicherlich die Bundespräsidentenwahl, wo es keiner Partei gelungen war, ihren Kandidaten in die Stichwahl zu bringen. Und: In sämtlichen Sonntagsumfragen zur kommenden Nationalratswahl liegt die FPÖ auf Platz eins.

Kern und Kurz als letzte Hoffnung?
Der letzte Rettungsanker der kriselnden Koalitionsparteien scheint in den Personen von Kanzler Kern und Außenminister Kurz zu liegen, die über teilweise gute Persönlichkeitswerte verfügen. Ob es das Duo allerdings schafft, die gesamte Koalition wieder auf Kurs zu bringen, bleibt abzuwarten. Denn auch bei den beiden hing der Haussegen in der Vergangenheit schon mehrmals schief. Und dann wäre noch der umstrittene Tweet von Kanzler-Sohn Nikolaus Kern, der Kurz darin mit Massenmörder Idi Amim verglichen hat. Alles keine guten Voraussetzungen, dass die Koalition tatsächlich bis Herbst 2018 hält.

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