Islam-Beauftragte

Baghajati: “Burkaverbot wirkt kontraproduktiv”

Österreich
11.02.2017 16:41

Verbot des Kopftuches bei Kindern und der Burka: Carla Amina Baghajati ist dagegen! Bei den vielen Diskussionen der jüngsten Vergangenheit tauchte ihr Name immer wieder auf. Aber wer ist Carla Amina Baghajati? Die "Krone" stellte der Frauenbeauftragten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Wien, die selbst Lehrerin ist, sieben Fragen. Über die Vollverschleierung, Sebastian Kurz, Conchita Wurst und wieso die Mindestsicherung "kein weggeschmissenes Geld" sein soll.

"Krone": Das Burkaverbot trifft eben nicht nur reiche arabische Touristinnen, sondern auch viele in Wien lebende Trägerinnen. Was sagen Sie zum neuen Gesetz?
Carla Amina Baghajati: Der Gesichtsschleier ist eine überaus kritisch gesehene Minderheitenposition im Islam. Aber diese Symbolpolitik auf dem Kopf der Frauen kriminalisiert die Falschen. Mit einer der wenigen Frauen mit Gesichtsschleier habe ich gesprochen. Sie kann nicht fassen, dass sie dann nicht einmal ihre Kinder in den Kindergarten bringen könnte. "Ich spare schon für die Strafen", meint sie. Ich kenne mehr Frauen, die ihn ausgezogen als angezogen haben. Das geplante Gesetz wirkt auch da kontraproduktiv. Zwangsbefreiungen funktionieren halt nicht, weil sie Frauen erst recht bevormunden.

Ab wann sollen Ihrer Meinung nach Kinder ein Kopftuch tragen?
Bei Kindern gibt es kein "Sollen". Das Kopftuch ist ein Thema für die religiös mündige Muslimin, also bei körperlicher und geistiger Reife. Das ist ein sehr individueller Prozess. Zwang beim Kopftuchtragen ist immer abzulehnen. Es geht um das Selbstbestimmungsrecht. Weil sich dieses bei Kindern erst entwickelt, wird dann schnell gemutmaßt, die Eltern hätten das Kopftuch aufgezwungen. Dabei gibt es auch das spielerische Ausprobieren. Verhörartige Befragungen in der Schule und Druck, es auszuziehen, würden von ihnen als Zwang erlebt. Pädagogisches Fingerspitzengefühl ist gefragt.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl kann sich eine Stadträtin mit Kopftuch vorstellen, SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar will mehr Migranten im öffentlichen Dienst. Sollte es eine Migranten-Quote geben?
Wichtig ist nicht eine Quote. Wichtig ist, dass unsere pluralistische Gesellschaft sich bei den öffentlich Bediensteten widerspiegelt. Hier gibt es großen Nachholbedarf. Daher begrüße ich bewusstseinsbildende Statements wie oben zitiert.

Wie schätzen Sie die Arbeit von ÖVP-Integrationsminister Sebastian Kurz ein?
Im Bereich von Integration hat er Ansätze gegeben. Viele Projekte des Österreichischen Integrationsfonds funktionieren sehr gut und verdienen mehr Öffentlichkeit. Was Religion angeht, gibt es unter Muslimen eine große Enttäuschung, dass Minister Kurz auf einen populistischen Zug aufgesprungen ist. Noch im Juli 2014 sagte er im Parlament auf eine FPÖ-Forderung hin: "Mit einem Burkaverbot werden wir in Österreich die Integration nicht lösen."

Welche österreichische Flüchtlingspolitik würden Sie sich wünschen?
Eine mutigere. Ist das Studienergebnis, dass Flüchtlinge mehr Geld bringen als sie den Steuerzahler kosten, nicht eine Schlagzeile wert? Und was NGOs und Privatpersonen alles leisten, damit die Integration gelingt? Die Erfolgsgeschichten bestens integrierter Flüchtlinge? Mehr Menschlichkeit ist gefragt - von der wir alle dann profitieren.

Die Kosten für die Mindestsicherung steigen, auch durch den neuen Zuzug. In Wien wird noch immer verhandelt. Welche Lösung würden Sie bevorzugen?
Eine Lösung, die weniger von Neiddebatten gekennzeichnet ist. Armutsgefährdung ist im reichen Österreich leider eine Realität, die schnell einmal die Alleinerzieherin oder den Langzeitarbeitslosen trifft. Unterschiedliche sozial schwache Gruppen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir brauchen sozialen Zusammenhalt! Schließlich bietet ein menschenwürdiges Leben auch das Sprungbrett, den beruflichen und sozialen Anschluss zu schaffen. Kosten der Mindestsicherung sind also kein weggeschmissenes Geld.

Was sagen Sie zu einer Kunstfigur wie Conchita Wurst?
In der Anti-Diskriminierungsarbeit ist es ihr gelungen, Dinge zu thematisieren, die auch uns ein Anliegen sind: dass es im Dienstleistungsbereich (Wohnungssuche, Restaurantbesuch) noch keinen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Religion gibt.

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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