Nach OGH-Urteil

“Am Schauplatz”: Jetzt spricht ORF-Reporter Moschitz

Österreich
17.12.2010 15:15
Nach dem OGH-Urteil in der "Am Schauplatz"-Causa spricht jetzt erstmals jener ORF-Reporter, der die Doku über zwei junge Teenager am rechten Rand gestaltete und dabei ins Fadenkreuz der FPÖ gelangte. Eduard Moschitz hatte bis jetzt Redeverbot, nicht nur vom ORF, sondern auch indirekt gegenüber den Behörden: Kein einziges Mal wurde der TV-Journalist von Staatsanwaltschaft oder der Polizei einvernommen. Das OGH-Urteil sieht er als "wichtiges Signal" für alle österreichischen Journalisten.

Moschitz gab nach der OGH-Verhandlung Reportern der Austria Presseagentur ein ausführliches Interview - wohl um kein einzelnes heimisches Medium scheinbar zu bevorzugen und auch um seine Sicht der Dinge in einer einzigen, ausführlichen Version an die Öffentlichkeit zu bringen. Nachfolgend die spannendsten Passagen des Gesprächs von krone.at zusammengefasst. Eine ungekürzte Langfassung findest du in der Infobox.

Frage: Der Oberste Gerichtshof hat ein richtungsweisendes Urteil in Sachen Pressefreiheit gefällt. Erleichtert?
Moschitz: Ich glaube, dass das Urteil ein wichtiges Signal für alle Journalisten ist. Und es erleichtert unsere Situation, weil wir das Drehmaterial nicht rausgeben müssen. Das Urteil zeigt uns allen, dass wir auch wirklich die Möglichkeit haben, unsere Informanten zu schützen.

Frage: Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat den Ruf, keine gewöhnliche Staatsanwaltschaft zu sein, wenn man etwa den laufenden Tierschützerprozess betrachtet. In Justizkreisen trägt Behörde angeblich den Spitznamen "Südfront". Nun hat man postwendend angekündigt, weiter gegen Sie zu ermitteln...
Moschitz: Das nehme ich zur Kenntnis, ich kann mich ja nicht dagegen wehren. Die Staatsanwaltschaft hat seit neun Monaten eine Meinung über mich und meine Arbeit, die ich nicht nachvollziehen kann. Dabei wurde ich bisher weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht einvernommen.

Frage: Die Staatsanwaltschaft argumentiert, Sie hätten die Kassette vom Dreh in Wiener Neustadt, auf der die Begegnung der beiden Skinheads mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu sehen ist, freiwillig herausgegeben.
Moschitz: Von Freiwilligkeit kann überhaupt keine Rede sein. Wir haben gesagt: Ihr könnt uns einsperren, wir geben das Band sicher nicht her. Allerdings hat die ORF-Führung eingelenkt und gemeint, wir müssen das Band hergeben. Uns ist mitgeteilt worden, dass es keine Möglichkeit gibt, uns dagegen zu wehren. Wir haben uns ja auch an Gesetze zu halten. Freiwillig war das nicht.

Frage: Einen Tag nach dem Dreh hat die Polizei das Originalband sichergestellt. Kurz danach erhob die FPÖ den Vorwurf, das Tape sei manipuliert worden, um einen angeblichen Nazi-Sager zu entfernen.
Moschitz: Strache hat sofort behauptet, das Band sei manipuliert. Hätten wir das restliche Material herausgegeben, hätte er von 15 Kassetten behauptet, sie seien manipuliert. Fakt ist: Das Band wurde mittlerweile fast zu Tode untersucht, das Gericht hat an die 20.000 Euro für Gutachten ausgegeben und nichts gefunden. Es wäre auch unrealistisch: Man kann nicht über Nacht vier Tonspuren manipulieren. Wenn etwa ein Geräusch auftaucht, nehmen vier Mikrofone das völlig unterschiedlich mit einer völlig unterschiedlichen Klangcharakteristik auf. Um das zu vertuschen, hätten wir binnen kürzester Zeit vier Mikrofone nachbauen müssen. Die Burschen waren außerdem verkabelt. Der Vorwurf ist geradezu absurd.

Frage: Für Aufsehen sorgte auch ein Bescheid des Oberlandesgerichtes Wien, der Ihnen sinngemäß unterstellte, Sie hätten die Absicht gehabt, unter dem Vorwand eines Reportagedrehs NS-Propagandamaterial herzustellen. Wie gehen Sie als preisgekrönter Journalist damit um?
Moschitz: Ich habe 100 Reportagen gemacht, die waren sozial auch immer sehr engagiert. Wenn wir versuchen, einem rechtsextremen Milieu näher zu kommen, haben wir ja kein Interesse, dessen Gedankengut weiterzutragen, sondern wir beleuchten die Voraussetzungen und Gründe, warum junge Menschen sich mit so etwas identifizieren.

Frage: Das heißt, mit den Ermittlungen gegen einen bekennenden Rechtsradikalen wurde erst begonnen, als FPÖ-Chef Strache Sie der Manipulation und Wiederbetätigung bezichtigt hat?
Moschitz: Das ist vorher in keiner Form mit irgendeiner Vehemenz verfolgt worden. Außerdem: Hätte Herr Strache eine Gelegenheit gesucht, die Burschen von seiner Veranstaltung zu verweisen, hätte er am 4. Juni am Viktor-Adler-Markt Gelegenheit gehabt. Und danach in Wiener Neustadt. Stattdessen hat er einen ORF-Journalisten bezichtigt, junge Menschen zur Wiederbetätigung angestiftet zu haben.

Frage: Was bezweckt die FPÖ mit ihrer Kampagne gegen Sie, Ihrer Meinung nach?
Moschitz: Das Problem ist, glaube ich, dass es dem Herrn Strache in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gefällt, dass Neonazis auf seinen Veranstaltungen sind. Er hat ja bisher immer ganz gut davon abgelenkt. Ich behaupte, dass sehr oft Neonazis auf seinen Veranstaltungen waren.

Frage: Warum ist es für sie als Journalist wichtig, junge Leute zu schützen, die sich ja eindeutig zu einschlägigem Gedankengut bekennen?
Moschitz: Sie brauchen in einer TV-Reportage zwei Dinge, um mit Leuten auf Augenhöhe reden zu können: Sie brauchen Akzeptanz und Vertrauen. Ich habe den Burschen erklärt, dass wir nicht daran interessiert sind, Wiederbetätigungsdelikte aufzuklären. Die Polizei muss ihre Ermittlungen selbst führen und es kann nicht sein, dass unsere Kamera, die überall mitläuft, plötzlich zu einer Polizeikamera mutiert, weil unsere Bänder beschlagnahmt werden. Oder aber meine Mitschriften in einen Ermittlungsakt wandern. Man hat als Journalist gerade bei jungen Leuten auch die Verpflichtung, den Informantenschutz zu wahren. Jemanden, der mir nichts mitteilt, um den brauche ich mich als Journalist auch nicht zu kümmern. Aber ich trage Mitverantwortung für Menschen, die bereitwillig erzählen und die man dabei auch vor sich selbst schützen muss. Gerade bei jungen Erwachsenen ist das besonders wichtig, finde ich.

Frage: Politische Interventionen sind ja gerade dem ORF nicht fremd. Besonders im Fernsehen versuchen politische Parteien gern, Einfluss auf die Berichterstattung auszuüben.
Moschitz: In meinem Bereich stellt sich das so dar: Wenn man eine Sozial-Reportage über den Gemeindebau macht, muss man damit rechnen, dass die SPÖ anruft. Wenn man eine Geschichte über Jäger macht, ist wahrscheinlich die ÖVP beleidigt. Bei einer Reportage über Neonazis muss man offenbar davon ausgehen, dass die FPÖ querschießt. Jede Partei hat ihre Interessengruppen, die sie vertritt, und entsprechend wird auch versucht, auf uns Druck auszuüben. Bis jetzt haben wir das sehr gut durchgefochten. Ich hoffe, dass das so bleibt.

Frage: Wie hat sich die Begegnung in Wiener Neustadt aus Ihrer Sicht eigentlich abgespielt?
Moschitz: Wir waren nach zwei Stunden Dreh bei der FPÖ-Veranstaltung schon wieder am Weggehen, als ein Mitarbeiter der FPÖ - wie sich später herausgestellt hat, der Sicherheitschef - zu uns gekommen ist und gesagt hat: "Kommen Sie hinter die Absperrung, der Herr Strache ist da." Ich dachte, Strache wollte mit uns reden, weil man uns ja schon vorhin beim Dreh beobachtet hatte. Vor den Burschen ist die Absperrung wieder zugegangen und ich habe sie wieder aus den Augen verloren. Als ich in der Absperrung vor Strache stand, habe ich ihn darauf angesprochen, warum wohl so viele Nazis auf seine Veranstaltungen gehen, woraufhin er wütend wurde und ich das Interview wieder abgebrochen habe. Plötzlich habe ich die Burschen am Gitter stehen gesehen und Strache hat sich genau in deren Richtung bewegt.

Frage: Was geschah dann aus Ihrer Sicht?
Moschitz: Ich wollte sehen, was passiert, wenn die beiden Burschen auf Strache persönlich treffen. Als er gekommen ist, waren sie allerdings stumm. Als ich ihnen gesagt habe, dass sie jetzt mit Strache persönlich reden könnten, erwiderten sie nur: "Was sollen wir mit ihm reden?" Sie haben sich darauf ein Autogramm geholt und stellten fest, dass sie ihn unsympathisch finden. In dem Moment hat sich Strache gemeldet und gemeint, dass er etwas gehört hat, das eindeutig neonazistisch ist, wobei er zunächst angab, er hätte "Heil Hitler" gehört. Bei der Polizei hat er dann auf "Sieg Heil" umgeschwenkt.

Frage: Hat einer der beiden Burschen während der Begegnung eine einschläg wir hatten vier Mikros, beide waren verkabelt. Nirgends ist etwas drauf. Der Gutachter hat auch nichts gefunden.

Frage: Haben Sie die beiden Burschen im Laufe der sonstigen Dreharbeiten zu irgendetwas angestiftet, wie das die Wiener Neutstädter Staatsanwaltschaft meint?
Moschitz: Selbstverständlich nicht. Das habe ich natürlich nicht gemacht. Außerdem kann man davon ausgehen, dass die Burschen genau wissen, was sie im Hinblick auf das NS-Verbotsgesetz straflos tun dürfen und was nicht.

Frage: An welcher Reportage arbeiten Sie derzeit?
Moschitz: An einer Geschichte über Kammerjäger. Daneben arbeite ich an einem Film- und Kinoprojekt über illegale Flüchtlinge in Österreich. Eine weitere Arbeit ist eine Geschichte über ein schwules Paar in einem niederösterreichischen Ort, das dort mit ziemlichen Problemen konfrontiert ist.

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