12 Monate Haft

Akademikerball: Linker Demonstrant verurteilt

Österreich
22.07.2014 18:53
Im Zusammenhang mit den teils gewalttätigen Protesten gegen den von der FPÖ veranstalteten Akademikerball vom 24. Jänner 2014 hat sich am Dienstag ein 23-jähriger Deutscher im Wiener Straflandesgericht verantworten müssen. Der junge Linksaktivist aus Jena, der sich wegen Tatbegehungsgefahr seit knapp sechs Monaten in U-Haft befand, wurde wegen Landfriedensbruch, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung zu zwölf Monaten - acht davon bedingt - verurteilt. Der Fall hatte im Vorfeld für reichlich politische Diskussionen gesorgt. Nicht rechtskräftig.

Da dem 23-Jährigen die U-Haft auf die Strafe anzurechnen war - der Angeklagte hat seit seiner Festnahme knapp sechs Monate im Gefängnis verbracht -, kam er nach der Verhandlung auf freien Fuß. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf weitere Rechtsmittel, die Verteidigung meldete Bedenkzeit an.

Mehrere Organisationen hatten im Vorfeld heftige Kritik am Verfahren geübt. Neben der "Offensive gegen Rechts" sah auch die Bundesjugendvertretung ein "unverhältnismäßiges Vorgehen". Die Sozialistische Jugend sprach von einem "skandalösen juristischen Nachspiel". "Wenn Menschen Angst haben müssen auf einer Demonstration schon aufgrund der bloßen Anwesenheit verhaftet zu werden, sind Demokratie und Rechtsstaat gefährdet", so die SJ-Vorsitzende, Julia Herr. Kurz nach der Urteilsverkündung hagelte es dann Kritik (Bericht siehe Infobox).

Der Prozess gegen den 23-jährigen Josef S. hatte bereits am 6. Juni begonnen, da allerdings aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen und Beweisanträge ein Verhandlungstag nicht ausreichte, wurde am Montag und Dienstag weiter verhandelt. Der Beschuldigte wurde über den gesamten Zeitraum nicht aus der U-Haft entlassen - ein Enthaftungsantrag war im Juni vom Gericht abgelehnt worden.

Angeklagter: "Habe einen Mülleimer angefasst"
Dem Deutschen war vorgeworfen worden, am 24. Jänner bei den Demonstrationen gegen den Ball der Burschenschafter als Mitglied des sogenannten Schwarzen Blocks an Ausschreitungen beteiligt gewesen zu sein. Er soll eine Rauchbombe in ein demoliertes Polizeifahrzeug geschmissen, Steine gegen Einsatzkräfte geschleudert und die Polizeiinspektion Am Hof beschädigt haben.

Der Angeklagte selbst plädierte auf nicht schuldig und machte bei der Verhandlung von seinem Recht Gebrauch, sich der Aussage zu entschlagen. Lediglich in einem kurzen Statement zum Ende der Verhandlung räumte er ein, an der Demonstration teilgenommen zu haben: "Ich habe einen Mülleimer angefasst und aufgestellt." Danach sei er den anderen Demonstranten gefolgt und weggegangen.

Uneinigkeit unter befragten Polizisten
Im Zuge der Verhandlung wurden zahlreiche Zeugen befragt - darunter fanden sich nicht nur Polizisten, die am Ort des Geschehens anwesend waren, sondern auch Journalisten sowie Bedienstete der MA48. Dabei blieb der Hauptbelastungszeuge, ein Polizist, der bei der Demonstration in Zivil die Szenerie beobachtet hatte, bei seiner erneuten Befragung durch das Gericht bei seinen Angaben: Der Beamte hatte den nun angeklagten Mann aus Jena gesehen, wie er angeblich als Rädelsführer am Stephansplatz Steine und andere Gegenstände auf Beamte geworfen habe.

Weitere Zeugen - darunter auch einige Polizisten - schlossen hingegen aus, dass es möglich gewesen sei, im Zuge des Getümmels einen Angreifer zu identifizieren. Diese hätten "alles Mögliche gemacht, um eine Identifizierung zu verhindern", verwies ein Zugkommandant auf die einheitlich schwarze Bekleidung sowie die Vermummung der gewaltbereiten Demonstranten.

"Es ist nur mehr um Eigenschutz gegangen"
"Am Stephansplatz ist es nur mehr um den Eigenschutz gegangen. Da ist es nicht darum gegangen, jemanden zu identifizieren, sondern gröbere Verletzungen zu verhindern", betonte der Zugkommandant. Auch ein Sweater mit der Aufschrift "Boykott", den der 23-Jährige laut dem Hauptbelastungszeugen getragen haben soll, fiel niemandem auf.

In teils dramatischen Worten schilderten die Polizisten die Vorgänge am Stephansplatz. An den Ausschreitungen hätten sich "sicher Hunderte Vermummte" beteiligt: "Es war nur ein Tohuwabohu." Die Beamten seien unter anderem mit Feuerlöschern und Böllern beworfen worden. "Es ist auch versucht worden, uns die Schilde zu entreißen. Wir haben nur mehr probiert, dass wir uns gegenseitig beschützen", meinte ein Beamter.

Verteidiger: Josef S. nahm "friedlich" an Demo teil
Staatsanwalt Leopold Bien hatte sich in seinem Schlussplädoyer hinsichtlich der Anklagepunkte Landfriedensbruch, versuchter Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung von der Schuld des Angeklagten überzeugt gezeigt. Er warf dem 23-Jährigen Feigheit vor und rückte diesen in die Nähe zum Terrorismus.

Verteidiger Clemens Lahmer betonte hingegen, dass der Angeklagte "friedlich, ohne Vermummung" an der Demonstration gegen den Wiener Akademikerball teilgenommen und kein wie auch immer strafbares Verhalten gesetzt habe. "Auf Hunderten Fotos und Videos gibt es kein einziges Bild, das den Angeklagten bei einer strafbaren Handlung zeigt", bekräftigte der Rechtsvertreter des 23-Jährigen.

Mutter von Josef S. verlangt Entschuldigung von Staatsanwalt
Indes verlangte die Mutter von Josef S. nach der Verhandlung eine öffentliche Entschuldigung des Staatsanwalts. Dieser hatte ihren Sohn in seinem Schlussvortrag der Feigheit bezichtigt und in die Nähe zum Terrorismus gerückt. Diese Wortwahl sei "diffamierend" und habe sie "erschüttert", sagte die aus Deutschland angereiste Frau.

Sie und ihr Mann hätten damit gerechnet, dass ihr Sohn nicht freigesprochen wird, "weil das ganze Verfahren hindurch klar war, dass der Aussage des Belastungszeugen Glauben geschenkt wird". Bei der Urteilsverkündung sei ihr schlecht geworden, gestand die Mutter ein: "Ich versuche, mich jetzt erst mal körperlich aufrecht zu halten. Aber ich bin glücklich, wenn ich ihn (ihren Sohn, Anm.) sehe."

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