"Hatten alle Angst"

50 Menschen in Kastenwagen gepfercht: Urteil

Österreich
09.11.2016 16:16

Weil er 50 Menschen unter qualvollen Umständen in einem Kastenwagen nach Österreich geschleppt hatte, ist ein Bulgare am Mittwoch in Eisenstadt zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Die Fahrt erfolgte am 25. Juli des Vorjahres - einen Monat vor dem schrecklichen Fund der 71 toten Flüchtlinge im burgenländischen Parndorf. Einer jener Männer, die für diese Tragödie verantwortlich gemacht werden, soll Komplize des Angeklagten gewesen sein. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Vor dem Schöffensenat stritt der durch Zeugen massiv belastete 51-Jährige über weite Teile der Verhandlung ab, selbst das Schlepperfahrzeug gelenkt zu haben. Er sei bei einer Autobahnbrücke in Budapest zugestiegen, weil ihm jemand zugesagt habe, ihm einen Job in Österreich zu vermitteln, so der Bulgare. Als "Provision" hätte er 500 Euro von seinem ersten Lohn zahlen sollen.

"Ich bekenne mich schuldig, dass ich in dem Fahrzeug gesessen bin. Ich bin neben dem Fahrer gesessen, auf dem Beifahrersitz", sagte der Angeklagte. Die im Laderaum des Mercedes Sprinter eingepferchten Menschen habe er erst bemerkt, als diese gegen die Zwischenwand geklopft hätten. Obwohl er den Fahrer gefragt habe, sei dieser erst in Österreich stehen geblieben, als ihn eine Panne dazu zwang.

Nach dem Anhalten habe er dann "Leute gesehen, die in keinem guten Zustand waren", und ihnen Wasser, einen Energydrink und sein Sandwich gegeben. Einige der Mitfahrenden seien beim Öffnen der seitlichen Tür aus dem Wagen heraus und auf ihn gefallen. Die Tür war mit Gummi verkleidet, "diese Verkleidung ist von den Leuten herausgerissen worden, damit mehr Luft hineinkommt", sagte der Angeklagte, der dann per Autostopp nach Ungarn zurückgekehrt war.

Richterin: "Geschichte finde ich haarsträubend"
Die Version vom Zusteigen in Budapest nahm ihm der Senat nicht ab. "Seine Geschichte finde ich haarsträubend", sagte Richterin Falb. "Die weißen Kastenwagen waren die klassischen Fahrzeuge für die Großschleppungen". Die Geschleppten seien in einem Waldstück eingestiegen, seine Version sei "lebensfremd".

Einer der Mitfahrer schilderte dem Gericht per Videokonferenz, was sich am Weg vom serbisch-ungarischen Grenzgebiet bis ins Burgenland abgespielt hatte. Mit dem 49-Jährigen, der laut eigenen Angaben früher als UN-Mitarbeiter in Afghanistan tätig war, waren seine Frau und seine vier Kinder unterwegs. Die Reise seiner Familie von Afghanistan nach Deutschland habe etwa 30.000 Dollar (rund 27.000 Euro) gekostet, sagte er.

Opfer: "Wir hatten alle Angst, dass wir ersticken"
In einem Wald in Ungarn habe der Angeklagte die Gruppe abgeholt, um sie nach Deutschland zu bringen. "Es war ein Mitfahrer dabei. Sie waren zu zweit", erinnerte sich der Mann, der den Angeklagten - ebenso wie eine weitere Zeugin - als den Fahrer des Schleppertransportes identifizierte.

"Weil es sehr heiß war und wir keine Luft bekamen und weil wir sehr durstig waren, haben wir an die Wände geklopft", schilderte der 49-Jährige. Da habe das Fahrzeug angehalten und es seien ihnen sechs Flaschen Wasser gegeben worden. Im Laderaum sei es sehr dunkel gewesen. "Es gab keine Luftzufuhr. Mein kleines Kind ist ohnmächtig geworden. Wir hatten alle Angst, dass wir ersticken."

Spätes Geständnis vor Gericht
Die Enge im Laderaum illustrierte ein Zwischenfall, von dem der Zeuge berichtete: Bei einem Stopp seien seine Frau mit einem der Kinder und eine syrische Familie aus dem Fahrzeug geholt worden. Nur weil er laut geschrien habe, habe seine Frau mit dem Kind nicht zurückbleiben müssen. Die syrische Familie habe nicht mehr einsteigen können. "Ich gehe davon aus, das ist wegen des Platzmangels gewesen", sagte der 49-Jährige.

Der Angeklagte änderte erst gegen Ende des Prozesses seine Verantwortung und legte ein Geständnis ab. Der Schöffensenat sprach ihn der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung schuldig. Der 51-Jährige nahm das Urteil an.

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