"War überfordert"

15 Jahre Haft für Axt-Mord an Mitbewohner in Wien

Österreich
16.06.2015 17:37
Wegen Mordes ist am Dienstagnachmittag ein 52-jähriger Frühpensionist schuldig gesprochen worden, der am 27. Oktober des Vorjahres in seiner Wohnung in Wien-Meidling seinem Mitbewohner mit einer Axt den Schädel gespalten hat. Das Urteil - 15 Jahre Haft - ist nicht rechtskräftig. Während der gebürtige Deutsche das Urteil annahm, gab die Staatsanwaltschaft keine Erklärung ab.

Die Verhandlung begann mit zweieinhalbstündiger Verspätung, weil sich Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten auftaten. Der Mann, der in Schlafanzug und Badeschlapfen in den Verhandlungssaal schlurfte, sei zwar durch das Verfahren und die Haftbedingungen "sehr belastet", wolle die Hauptverhandlung aber möglichst rasch hinter sich bringen, sagte die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter, nachdem sie den Angeklagten begutachtet hatte.

Der Angeklagte - laut Staatsanwältin Karina Fehringer lebensmüde, depressiv und Frühpensionist - habe eine "soziale Ader" und immer wieder Obdachlose bei sich übernachten lassen. Am Wienerberg lernte er im September einen 50 Jahre alten Slowaken kennen, dem er schließlich einen Schlafplatz anbot. Weil sich der neue Mitbewohner auf Dauer einquartierte, ständig betrunken war und keine Anstalten machte, die Wohnung in der Aichholzgasse zu verlassen, habe sich im Angeklagten eine "Antipathie" gegen den Slowaken aufgebaut, schilderte die Anklägerin.

"Ich war überfordert"
"Ich hab' ihn dreimal weggewiesen und er ist immer wieder gekommen", so der 52-Jährige. Er habe versucht, den Konflikt mit dem Slowaken, der sich gegenüber dem 52-Jährigen aggressiv zeigte, friedlich zu lösen. "Ich hab' mir nicht mehr zu helfen gewusst", sagte der Angeklagte, der sich vor dem Schwurgericht (Vorsitz: Christoph Bauer) teilweise schuldig bekannte. "Ich war überfordert."

Als der 50-Jährige am 26. Oktober wieder einmal betrunken in der Wohnung auftauchte, eskalierte die Situation. Zunächst bereitete der 52-Jährige diesem noch ein Abendessen zu. Danach kündigte er laut Anklage aber an, es werde "ein Unglück geschehen, wenn du heute nicht gehst". Der Slowake ging jedoch nicht, sondern legte sich auch die Couch, um dort zu übernachten. "Dann bin ich wach geworden um 2 Uhr und da war er immer noch da. Da muss ich ausgerastet sein, außer mir geworden sein", sagte der 52-Jährige. Der von seinen Freunden als "ruhig und besonnen" beschriebene Frühpensionist holte die Axt aus seinem Schlafzimmer, die er zur Verteidigung neben das Bett gelegt hatte, und schlug zu.

Zwei wuchtige Hiebe
Laut Anklage versetzte er damit dem Schlafenden einen Schlag gegen den Kopf. Die Axt blieb stecken. Da der Slowake weiter Geräusche von sich gab, habe der Angeklagte die Waffe mit nicht unerheblicher Kraftanstrengung aus dem Schädel gezogen und ein zweites Mal zugeschlagen, führte die Staatsanwältin aus: "Erleichtert, keine Geräusche mehr wahrzunehmen, zog sich der Angeklagte dann in sein Schlafzimmer zurück und schlief rasch ein."

Die mumifizierte Leiche wurde erst am 12. Jänner entdeckt, nachdem sich der 52-Jährige, der Ende Dezember aufgrund des Verwesungsgeruchs zu einem Bekannten gezogen war, einer Drogenberaterin sowie zwei Bekannten anvertraut hatte. Der Mann hatte nach seiner Festnahme ein Tatsachengeständnis abgelegt, jedoch eine Art Notwehrsituation geltend gemacht: Er habe sich ausgenützt gefühlt und in der für ihn verfahrenen Situation keinen Ausweg mehr gesehen. Laut Gerichtsmediziner Wolfgang Denk war eine Identifizierung des Slowaken nur durch einen vor Jahren in seinem Oberschenkel platzierten Gammanagel möglich.

Keine geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades
Dem psychiatrischen Gutachten Wörgötters zufolge leidet der Angeklagte zwar an einer narzisstischen Störung mit schizoid-paranoiden Komponenten, doch soll es sich dabei um keine geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades handeln. Die Sachverständige billigt dem Mann eine "akute Belastungssituation" zum Tatzeitpunkt und eine eingeschränkte Dispositionsfähigkeit zu. Die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit waren ihrer Expertise zufolge aber nicht aufgehoben, sodass kein Schuldausschließungsgrund vorliegt. Die Psychiaterin hält den Angeklagten für zurechnungsfähig, eine Voraussetzung für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher liege nicht vor.

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