Caritas-Interview

“Wir sind eine Glücks-Verteilungs-Agentur”

Oberösterreich
24.12.2010 14:54
"Wir sind ein bisschen wie eine Glücksverteilungsagentur", ist Mathias Mühlberger als Direktor der oberösterreichischen Caritas auf seine Mitarbeiter und die vielen Projekte seiner Organisation stolz. Im Interview erzählt er über Spenden-Konkurrenz, Schicksale, die ihn besonders betreffen – und wie er mit seiner Ehefrau Franziska zum ersten Mal den Heiligen Abend alleine – als Ehepaar – verbringt.

"Krone": Weihnachten als Höhepunkt der Adventzeit, aber doch auch als Hochsaison Ihrer Organisation, Herr Direktor Mühlberger?
Mathias Mühlberger: Die Adventzeit und Weihnachten – das ist die Zeit der höheren Sensibilität. Da wollen viele Menschen und Firmen für etwas Gutes spenden.

"Krone": Also Hochsaison?
Mühlberger: Naja, ich sehe uns ein bisschen wie eine Glücksverteilungsagentur. Wir arbeiten ein ganzes Jahr hindurch an vielen Projekten, aber zu Weihnachten sicher noch mehr als sonst.

"Krone": Und in welchen Bereichen sind Sie als diese Glücksverteilungsagentur mit der Caritas besonders gefragt?
Mühlberger: Die Caritas ist in den Intensivstationen des täglichen Lebens aktiv. Oder an den Rändern der Gesellschaft. Jedem Menschen ist ja ein Leben in Fülle verheißen – aber das muss ja nicht materielle Fülle sein. Wir helfen mit vielen Projekten, betreiben mobile Altenhilfe, betreuen fast 40 Gruppen pflegender Angehöriger, Seniorenhäuser, heilpädagogische Kindergärten. Das reicht bis hin zum Reitzentrum für Menschen mit Beeinträchtigung oder bis zum Supermarkt für Jugendliche mit Schwächen. Das nenn' ich gern die Vielfalt im guten Sinne.

"Krone": Was fasziniert Sie an dieser Arbeit?
Mühlberger: Ein Lebensmotto von mir ist: "Das Mögliche tun." Und das kann ich hier. Aber ich bin auch im Ausland tätig. Da kommt man in die Hinterhöfe der Gesellschaft. Da begegne ich Menschen, denen ich sonst nie begegnet wäre. Im Kongo, in Weißrussland, in Sibirien, in Bosnien-Herzegowina - zur Caritas-Arbeit gehört große Demut. Und viele tolle Mitarbeiter.

"Krone": Wie viele?
Mühlberger: In der Diözese Linz sind es etwa 2.800 Mitarbeiter. Leute, die punktuell immer wieder mit Einzelschicksalen konfrontiert sind.

"Krone": Inwieweit dringen solche Einzelschicksale auch bis zu Ihnen durch?
Mühlberger: Erst neulich. Als mich ein uns bekannter Obdachloser gefragt hat, ob ich nicht ein Paar Schuhe für ihn hätte, für den Winter – wir haben dieselbe Schuhgröße.

"Krone": Wer kommt denn zur Caritas und fragt um Hilfe?
Mühlberger: Man kommt erst, wenn man's alleine nicht mehr schafft. Zur Caritas geht man nicht gern. Und es gibt auch die unterschiedlichsten Beweggründe und Probleme.

"Krone": Wann trifft Sie ein Schicksal besonders?
Mühlberger: Wenn es um Kinder geht. Wenn ein Kind sagt, es hat Angst, dass es am Abend wieder finster ist in der Wohnung. Wenn ein Mädchen bei der Schuhverteilung sagt: "Mama, krieg ich jetzt einmal Schuhe, die nicht wehtun?" Dann denk’ ich mir: "Worüber mach ich mir eigentlich Sorgen?" 70.000 Menschen leben in akuter Armut.

"Krone": Gerade jetzt, rund um Weihnachten, argumentieren damit aber viele Organisationen. Gibt es auch so etwas wie "Spendenkonkurrenz"?
Mühlberger: Naja, der Spendenkuchen muss gesamtgesellschaftlich gesehen werden. Und er ist sicher nicht unbegrenzt steigerbar. Je mehr Organisationen tätig sind, desto mehr Konkurrenz gibt es. Weswegen es mir wichtig ist, mit den Spenden sorgsam umzugehen. Da darf nichts passieren. Und auch die Qualität der Projekte muss stimmen.

"Krone": Wann, wo und für welche Initiativen spenden Sie?
Mühlberger: Ich habe eine ganze Reihe an Daueraufträgen. Überwiegend Caritas, weil ich die Situationen kenne, weil mein Herz dafür brennt. Und auch weil ich genau weiß, was mit dem Geld passiert.

"Krone": Ist Spenden gut für das schlechte Gewissen oder eine Art Ablass? Spenden als Sicherheit vor dem Fegefeuer?
Mühlberger: Nein, für mich sind's ein paar Sprossen mehr auf der Himmelsleiter. Das klingt positiver. Und: Helfen bereichert ja auch. Speziell zu Weihnachten.

"Krone": Wie verbringen Sie Weihnachten – und speziell den Heiligen Abend?
Mühlberger: Heuer erstmals mit meiner Frau alleine. Ohne unsere Kinder. Das ist für uns ungewohnt, aber ich freue mich schon darauf.

"Krone": Und was darf für Sie am Heiligen Abend auf keinen Fall fehlen?
Mühlberger: Also der Christbaum mit den Lichtern, der Mettenbesuch – und Bratwürstel: Das alles gehört für mich unbedingt zu Weihnachten.

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