Vermisster in U-Haft

Prozesstermin steht – Justiz wundert sich über Exekutive

Wien
14.06.2011 13:55
Jener 19-jährige Oberösterreicher, der seit 25. Mai als vermisst galt und zwei Wochen später in der Justizanstalt Wien-Josefstadt "gefunden" wurde, muss sich bereits am Donnerstag wegen schweren gewerbsmäßigen Diebstahls vor Gericht verantworten. "Für uns ist das ein Routinefall und ein Schulbeispiel dafür, wie schnell die Justiz im Idealfall arbeiten kann", erklärte Thomas Vecsey, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, am Dienstag. Wie es passieren konnte, dass ein U-Häftling als vermisst gilt, wundert nicht nur ihn.

Der Bursche wurde am 25. Mai in U-Haft gekommen, und zwar nicht allein deshalb, weil er - wie bisher kolportiert (siehe Infobox) - ein Computerspiel gestohlen haben soll. Im Strafantrag, den die Anklagebehörde bereits am 31. Mai und damit nur sechs Tage später einbrachte, ist von zwei Fakten die Rede, wobei der 19-Jährige dabei jeweils drei Computerspiele geklaut haben soll.

Darüber hinaus stellte sich heraus, dass gegen den Mann seit vergangenem April am Bezirksgericht Wien-Leopoldstadt ein Verfahren anhängig ist, in dem es um den Diebstahl von vier PC-Spielen geht. Da der 19-Jährige überdies eine einschlägige Vorstrafe aufweist, dürfte die Verhängung der U-Haft für ihn nicht überraschend gekommen sein.

Polizei: 19-Jähriger hätte telefonieren dürfen
Wie der Sprecher der Wiener Anklagebehörde betonte, wäre es dem jungen Mann nach seiner Einlieferung ins Wiener Landesgerichtliche Gefangenenhaus möglich gewesen, telefonischen Kontakt mit seiner Familie bzw. Freunden aufzunehmen und damit seinen Verbleib aufzuklären. "Der Anruf war von Beginn an bewilligt. Warum er davon nicht Gebrauch gemacht hat, entzieht sich unserer Kenntnis", stellte Vecsey fest. Möglicherweise wollte der 19-Jährige seiner Mutter nicht mitteilen, dass er im Gefängnis gelandet war, und ihr die damit verbundene Aufregung ersparen.

Mutter des U-Häftlings: "Das ist ein Wahnsinn"
Dem widerspricht allerdings die Mutter, die den U-Häftling am Dienstag in der Justizanstalt besuchte. Sie betonte, er habe nicht die Möglichkeit gehabt zu telefonieren. "Der Akku seines Handys war leer. Mein Sohn hat zwei Polizisten die Telefonnummer von mir und die eines Wohnungskollegen gegeben mit der Bitte, uns zu verständigen. Das ist aber nicht geschehen." Der 19-Jährige habe sich total gewundert, dass sich niemand meldet.

"Wir wollen jetzt dagegen vorgehen. Das, was er angestellt hat, ist die eine Sache. Aber dieser Fehler, wo man sich dann Sorgen macht, ist eine andere Sache. Das ist ein Wahnsinn", so der Vorwurf der Mutter. Erst ein Zellengenosse, der in einem TV-Bericht über die Vermisstenanzeige erfuhr, habe den Burschen am Freitag darüber informiert. Ihr Sohn habe es dann mit Überredungskunst geschafft anzurufen.

Computerfehler als mögliche Ursache
Abgesehen davon wundert man sich bei der Justiz, wie es passieren konnte, dass die Wiener Polizei offiziell nach dem als abgängig gemeldeten 19-Jährigen fahndete, aber diesen nicht als U-Häftling ausfindig machen konnte. "Warum die Polizei ihn nicht im Register gefunden hat, ist uns unklar", erklärte Vecsey. "Es wird gerade überprüft, wie das passieren konnte", erklärte Polizeisprecher Roman Hahslinger am Montag im Gespräch mit krone.at.

Diese Panne sei ein Einzelfall, so Hahslinger: "Wenn eine Vermisstenanzeige aufgegeben wird, wird erst eine Abfrage gemacht, ob der Abgängige im Spital oder eben in Haft sitzt. Das ist hier entweder nicht gemacht worden oder der Computer hat das nicht ausgespuckt." Zuvor war von der Polizei betont worden, der Beamte, der die Abgängigkeitsanzeige aufnahm, habe eine Abfrage in der Haftdatei vorgenommen, die negativ verlief. Bis Mittwoch soll geklärt werden, ob er dabei einen Bedienungsfehler machte, die Eingabe in die Haftdatei falsch vorgenommen wurde oder schlicht ein Computerfehler vorlag.

Die Verhandlung gegen den Buschen wurde im Grauen Haus auf Donnerstagnachmittag anberaumt, wobei das bezirksgerichtliche Verfahren einbezogen wurde und somit sämtliche Fakten der erstinstanzlichen strafgerichtlichen Erledigung zugeführt werden. Sollte dem 19-Jährigen mehrfacher gewerbsmäßiger Diebstahl nachgewiesen werden können, drohen ihm sechs Monate bis fünf Jahre Haft.

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