In U-Haft "gefunden"

PC-Spiele geklaut: “Vermisster” 19-Jähriger verurteilt

Wien
16.06.2011 14:16
Jener 19-jährige Oberösterreicher, der seit 25. Mai als vermisst galt, ehe er erst zu Pfingsten als U-Häftling in der Justizanstalt Wien-Josefstadt "gefunden" wurde, ist am Donnerstag im Wiener Straflandesgericht wegen versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig gesprochen worden. Richter Norbert Gerstberger verhängte eine dreimonatige Freiheitsstrafe, die dem jungen Mann bedingt nachgesehen wurde. Zuvor schilderte der Bursche vor Gericht, dass ihm Polizisten bei seiner Festnahme gesagt hätten, sie würden seine Mutter und seinen Mitbewohner benachrichtigen - was aber offensichtlich nicht geschah.

Zu den Diebstählen bemerkte der Angeklagte, er habe "ein sehr geringes Einkommen" (er erhält vom AMS 390 Euro monatlich, Anm.), PC-Spiele seien "als Luxusgüter für mich schwer leistbar". Daher habe er probiert, aktuelle Spiele im Gesamtwert von rund 500 Euro zu entwenden, am 23. April und am 25. Mai in drei Elektronikmärkten: "Ich bin halt jedes Mal erwischt worden." Mit der Strafe von drei Monaten bedingt war der Bursche einverstanden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Der 19-Jährige, der drei Wochen in U-Haft verbracht hatte, wurde unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt.

"Die haben gesagt, sie benachrichtigen"
Zuvor stand - nachdem sich der Angeklagte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen umfassend geständig gezeigt hatte - die Frage im Vordergrund, wie es passieren konnte, dass der 19-Jährige über zwei Wochen als vermisst galt und Eltern und Freunde um sein Leben fürchteten. Von seiner Inhaftierung erfuhren diese erst, nachdem der junge Mann in seiner Zelle mitbekommen hatte, dass in einer TV-Sendung über sein Verschwinden berichtet wurde. Er ergriff daraufhin die Initiative und ließ die Angehörigen beruhigen.

Der junge Mann war am 25. Mai unmittelbar nach dem letzten missglückten Diebstahl von zwei Polizeibeamten festgenommen worden. "Direkt bei der Verhaftung ist mir von einem der Beamten angeboten worden, ob sie jemanden anrufen sollen", erzählte der 19-Jährige in seiner Verhandlung. Er habe dem Beamten die Telefonnummern seiner Mutter und eines Mitbewohners - der 19-Jährige, der ab kommendem Herbst Jus studieren möchte, lebt seit einigen Monaten in einer 3er-WG in Wien-Brigittenau - genannt. Er sei davon ausgegangen, dass zumindest eine der beiden Personen von der Polizei über seinen Verbleib verständigt werde: "Die haben gesagt, sie benachrichtigen."

Verteidiger ortet "Fehlleistung" und fordert Schadenersatz
Nachdem der junge Mann von der Polizei ins Landesgerichtliche Gefangenenhaus überstellt wurde, trat seiner Darstellung zufolge eine Sozialarbeiterin mit der Frage an ihn heran, ob er mit jemandem Kontakt aufnehmen möchte. Er habe im Glauben, die Polizei habe bereits telefoniert, "Es wissen eh schon alle Bescheid" geantwortet, berichtete der 19-Jährige.

Für seinen Verteidiger Manfred Ainedter liegt eine "Fehlleistung der Polizei" vor. Dass es der Polizei bisher nicht möglich war, öffentlich darzulegen, weshalb im Zuge des Bearbeitens der Abgängigkeitsanzeige der Name des 19-Jährigen in der Haftdatei nicht gefunden wurde, obwohl eine Haftanfrage gestellt wurde, nannte Ainedter "befremdlich".

Überdies kündigte Ainedter Schadenersatzforderungen an, da der ob des zunächst angenommenen spurlosen Verschwindens besorgte Vater des 19-Jährigen eigens aus der Türkei angereist war. "Ein bissl was wird die Republik da schon zahlen müssen", betonte der Anwalt. Der Vater, der sich derart aufgeregt habe, dass er nun infolge Bluthochdrucks unter gesundheitlichen Beschwerden leide, dürfe keinesfalls auf den Flugkosten sitzen bleiben.

Genaue Prüfung der Vorgänge
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat unterdessen angekündigt, genau offenlegen zu wollen, wie es dazu kommen konnte, dass der Bursche als vermisst galt, während er gleichzeitig in U-Haft saß. In Betracht kommen laut Wiener Exekutive ein Eingabefehler bei den Aufnahmen in die Haftdatei oder eine Computerpanne. Nähere Aufschlüsse dazu erhofft sich die Polizei am Freitag.

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