Grande Dame tot

Autorin Gertrud Fussenegger 96-jährig verstorben

Oberösterreich
19.03.2009 14:40
Die österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger ist am Donnerstagvormittag 96-jährig im St.-Anna-Heim in Linz im Kreise ihrer Familie verstorben. Das gab ihr Sohn Raimund Dietz am Nachmittag bekannt. "Sie war bis zu ihrem Ende geistig wach und ist bis vor wenigen Monaten in der Öffentlichkeit aufgetreten", so Dietz.

Als "stets aufmerksame, faszinierende, persönlich engagierte und zugleich kritische Beobachterin und Chronistin" würdigte der ehemalige Bundespräsident Thomas Klestil die österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger anlässlich der Überreichung des Goldenen Ehrenzeichens im Jahr 2002. Vielfach ausgezeichnet und gefeiert, war sie wegen ihres Verhältnisses zum Nationalsozialismus jedoch nicht immer unumstritten.

60 Bücher, in elf Sprachen übersetzt
Für ihre Bewunderer war sie die "Grande Dame" der Österreichischen Literatur: In ihrem mehr als 60 Bücher starken Lebenswerk, das in 25 Verlagen veröffentlicht und in elf Sprachen übersetzt wurde, schrieb Gertrud Fussenegger sieben Jahrzehnte lang über den Glauben und die Geschichte. Am Donnerstag starb die vielfach ausgezeichnete Autorin, Lyrikerin und Essayistin 96-jährig im St. Anna-Heim in Linz. Sie hinterlässt fünf Kinder, sowie zahlreiche Enkel und Urenkel.

Studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie
Gertrud Fussenegger wurde am 8. Mai 1912 in Pilsen (Tschechien) als Offizierstochter geboren und verbrachte ihre Kindheit in Galizien, Pilsen, Dornbirn und Telfs. In Innsbruck und München studierte sie Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie und promovierte 1934 über den altfranzösischen Rosenroman. Im Jahr darauf heiratete sie den Bildhauer Elmar Dietz, mit den vier Kindern hatte. Ab 1943 lebte sie allerdings als Alleinerziehende in Hall in Tirol. 1947 folgte die Scheidung, 1950 heiratete sie den Bildhauer Alois Dorn, mit dem sie einen weiteren Sohn hatte und 1961 nach Leonding bei Linz zog.

Fans in der NSDAP
Bereits 1933 trat Fussenegger der österreichischen NSDAP bei, ihre Werke wurden während der NS-Zeit in wichtigen Parteiorganen verbreitet und nach Kriegsende teilweise verboten. Eines ihrer ersten Bücher, die "Mohrenlegende" sowie manche ihrer weiteren Werke waren allerdings auch von NS-Seite als "katholisches Machwerk" im Widerspruch zur NS-Rassenideologie abgelehnt.

Bücher auf "Liste der gesperrten Autoren"
Der "Völkische Beobachter" druckte etwa 1938 als erste Zeitung ihr Gedicht "Stimme der Ostmark" ab. Nach 1945 brachte Fussenegger das Gedicht massive Kritik ein, weil es als Bejubelung des Untergangs Österreichs und als Verherrlichung des Führers verstanden wurde. Rund 50 Jahre später erklärte die Autorin, es täte ihr Leid, "viele gute Gedanken verschwendet" zu haben, "auf eine Sache, die dann ein Gräuel war". 1946 wurden zunächst einige ihrer Werke in Berlin und Wien auf die "Liste der gesperrten Autoren und Bücher" gesetzt.

Internationales Ansehen
Bald darauf begann für Fussenegger allerdings wieder eine intensive Schaffensperiode. Mit einer Reihe ihrer Werke erlangte sie internationales Ansehen, etwa mit der "Böhmischen Trilogie" - "Die Brüder von Lasawa" (1948), "Das Haus der dunklen Krüge" (1951) und "Das verschüttete Antlitz" (1962) - oder mit ihrer 1979 veröffentlichten Autobiografie "Spiegelbild mit Feuersäule". Auf mehr als 60 Bücher, darunter zehn Romane, Erzählungen, Gedichte, Dramen und Essays, sollte ihr Werk mit den Jahren anwachsen. "Ich habe mich von der Vergangenheit nie getrennt", sagte Fussenegger zu ihrem 90. Geburtstag. "Als Epiker lebt man in der Vergangenheit viel mehr als in der Zukunft. Die Vergangenheit, die blüht aus jedem Eck."

"Grande Dame der österreichischen Literatur"
Weitere wichtige Werke, die Fussenegger unter ihren Bewunderern den Titel der "Grande Dame der österreichischen Literatur" eintrugen, sind etwa "Die Pulvermühle" (1968), "Sie waren Zeitgenossen" (1983), die Erzählbände "Kaiser, König, Kellerhals" (1981), "Der Goldschatz aus Böhmen" (1989), die dramatische Szenenfolge "Pilatus" (1979) sowie die Gedichtbände "Widerstand gegen Wetterhähne" (1974) und "Gegenrufe" (1986). Im Böhlau Verlag erscheint im kommenden Juni eine Dissertation zu Fusseneggers erzählerischem Werk von Rainer Hackel als erste wissenschaftliche Monografie des "von der Literaturwissenschaft bisher nicht angemessen gewürdigten" Lebenswerks der Autorin. In ihren Romanen "spiegeln sich Krisen und Katastrophen der Moderne in Handlungsmustern der Vergangenheit. Geschichte wird zur Gegenwart", so der Klappentext.

Vielfach ausgezeichnet
In ihrer langen Lebenszeit wurde Gertrud Fussenegger auch vielfach ausgezeichnet. 1963 erhielt sie den Adalbert-Stifter-Preis, 1969 den Johann-Peter-Hebel-Preis und 1979 den Mozart-Preis. 1972 wurde ihr der Titel "Professor" verliehen, 1981 das österreichische Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft. Sie war Mitglied des P.E.N.-Clubs, der Humboldt-Gesellschaft, der Sudetendeutschen Akademie und Ehrenmitglied des österreichischen Schriftstellerverbandes. Zu weiteren Auszeichnungen zählen das Bundesverdienstkreuz, der Jean-Paul-Preis des Freistaates Bayern und das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich 2003. 2007 erhielt sie von Papst Benedikt XVI das Komturkreuz mit Stern des päpstlichen Silvesterordens. Der Vorlass ihrer Werke befindet sich im Oberösterreichischen Literaturarchiv im Stifterhaus Linz.

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