Trafelberg-Stollen

ZAMG- Forscher messen in NÖ den “Atem der Erde”

Niederösterreich
29.03.2011 13:12
Ganz am Ende eines 150 Meter langen Stollens, in 1.000 Metern Seehöhe waagrecht in den Trafelberg im südlichen Niederösterreich gebohrt, zeichnen seit 2002 Seismometer jede kleinste Erschütterung der Erde auf. Die ruhige Lage in einem ausgedehnten Waldgebiet, weit weg von Störquellen wie Verkehrswegen oder Industrieanlagen, erlaubt den Wissenschaftlern am Conrad Observatorium der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) "das zu messen, was wir wollen, den Atem der Erde", so der Leiter der Einrichtung, Roman Leonhardt.

Wenn die Erde allerdings einen derart starken Hustenanfall bekommt wie beim jüngsten Beben in Japan, kann das so manches Gerät gehörig durcheinanderbringen. So zum Beispiel das extrem empfindliche Gravimeter, das auf einem 50 Tonnen schweren, direkt mit dem Berg verbundenen Betonblock in einem eigenen Raum im Observatorium steht. Die auf minus 269 Grad Celsius gekühlte supraleitende Spule im Herz des Präzisionsgeräts hält in ihrem Magnetfeld eine kleine Kugel in Schwebe. Jede kleinste Lageänderung dieser Kugel kann gemessen werden.

Ausgelöst werden solche Bewegungen etwa durch Änderungen der Erdanziehungskraft, wofür das Gravimeter gebaut wurde, aber auch durch Erdbeben. Ist es so stark wie jenes in Japan am 11. März kommt es zu einer deutlichen Übersteuerung des Geräts, wie Norbert Blaumoser von der Abteilung für Geophysik der ZAMG Montagabend bei einem Besuch von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) im Conrad Observatorium anhand des völlig übersteuerten Signals veranschaulichte.

Gravimeter misst selbst Regenwolken über Observatorium
Üblicherweise werden mit dem Gravimeter Veränderungen der Erde wie die Gezeiten gemessen. Nicht nur das Meer ist dem Einfluss des Mondes und anderer Gestirne ausgesetzt, auch die Erde hebt und senkt sich durch deren Anziehungskraft um bis zu einen halben Meter. Messungen dieser Schwingungen lassen Rückschlüsse auf Aufbau und Struktur der Erde zu. Selbst wenn eine Regenwolke über dem Conrad Observatorium hinweg zieht, beeinflusst deren Masse die Lage der kleinen Kugel im Inneren des Geräts, veranschaulichte Leonhardt die Präzision des Gravimeters, ein Gerät, von dem es weltweit nur rund 30 gibt.

Noch ein Beispiel zeigt, wie empfindlich die Geräte geworden sind: Die Seismometer im Observatorium registrieren selbst jene kleinsten Schwingungen der Erde, die durch Luftdruckschwankungen über dem Atlantik entstehen und sich über den Boden bis nach Österreich fortpflanzen. Kein Wunder also, dass es - für die Wissenschaft - "sehr häufig" Erdbeben gibt: jährlich werden von den 15 seismischen Stationen in ganz Österreich etwa 400 Beben gemessen, auch wenn von der Bevölkerung davon nur 20 bis 50 tatsächlich wahrgenommen werden. Dennoch, die Erfassung selbst kleinster Erdstöße erlaubt es, die Schwächezonen der Erde auf dem Landesgebiet zu erforschen und mögliche Veränderung im Auge zu behalten.

Zweite Ausbaustufe ab 2012 in Betrieb
Die zweite Ausbaustufe des Conrad Observatoriums, die voraussichtlich Anfang kommenden Jahres fertiggestellt ist, wird den Wissenschaftlern auch Präzisionsmessungen vom Erdmagnetfeld erlauben. Schon seit Jahren registrieren Magnetometer am Wiener Cobenzl "viele Sachen, vor allem den Straßenbahnverkehr von Wien", so Leonhardt über die ungünstige Lage der derzeitigen Messstelle. Am Trafelberg dagegen wurde in unmittelbarer Nachbarschaft zum schon bestehenden Observatorium ein ein Kilometer langes Stollensystem in den völlig unmagnetischen und deshalb für die Messungen idealen Kalkstein getrieben.

Zwölf Magnetometer sollen darin kleinste Veränderungen des Erdmagnetfelds messen, "mit einer Auflösung von Piko-Tesla, das ist um den Faktor 100 besser als bisher", so Leonhardt. Rechtzeitig zum erwarteten Beginn des nächsten Solarzyklus etwa 2013/14, wenn durch die verstärkte Aktivität unseres Zentralgestirns Sonnenstürme das Erdmagnetfeld massiv beeinflussen werden, hoffen die Wissenschaftler auf ein "voll einsatzfähiges magnetisches Observatorium".  

Staudinger hob die Bedeutung der Kombination seismischer, gravimetrischer und geomagnetischer Beobachtungen hervor. Gerade Japan habe gezeigt, wie schnell eine Katastrophe verschiedenste Bereiche treffen könne, vom Beben über den Tsunami bis hin zur Technik im Atomkraftwerk. "Das nächste Mal kann es eine Staumauer sein, oder Hochspannungsmasten. Wir leben in einer Zeit, in der unsere Infrastruktur sehr empfindlich geworden ist gegenüber Naturkatastrophen", so der ZAMG-Chef.

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