Tierschützerprozess

Verteidigung geht bei Plädoyers von Freisprüchen aus

Niederösterreich
02.04.2011 09:48
Nach exakt zehn Stunden Schlussplädoyers ist am Freitag, dem 87. Verhandlungstag, der seit 13 Monaten laufende Wiener Neustädter Prozess gegen 13 Tierschützer wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation vorläufig zu Ende gegangen. Die Forderungen der Beteiligten in den Vorträgen fielen erwartungsgemäß aus: Staatsanwalt Wolfgang Handler hielt an den Vorwürfen im Strafantrag fest, Verteidiger und Beschuldigte zeigten sich in emotionalen Reden von Freisprüchen überzeugt. Das Urteil soll am 2. Mai verkündet werden.

Sämtliche Anklagepunkte hätten sich bestätigt, meinte Handler. Es sei "kein Verfahren gegen den Tierschutz" gewesen, aber "gewalttätigen Ausbrüchen muss man entgegentreten", zitierte er gegen Ende aus einem Gastkommentar in den "Vorarlberger Nachrichten". Und genau deswegen beantrage die Staatsanwaltschaft die Verurteilung der Angeklagten.

Staatsanwalt von Ermittlungen überzeugt
Art und Umfang der Ermittlungen seien jedenfalls völlig gerechtfertigt gewesen. "Es war nämlich und ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft nach wie vor auszuschließen, dass die Angriffe nur zufällig passierten und nicht in Zusammenhang mit der legalen Kampagne standen", erklärte er und verwies auf die duale Strategie der inkriminierten Organisation. Sämtliche Voraussetzungen für den Paragrafen 278a StGB hätten sich bestätigt, Martin Balluch sei die Führungsperson. Oft thematisierte Differenzen zwischen den Gruppierungen Verein gegen Tierfabriken und Basisgruppe Tierrechte seien auch kein Hindernisgrund: "Es ist keine Freundschaftsverbindung, es ist eine Zweckgemeinschaft", betonte Handler.

Eine völlig entgegengesetzte Sicht der Dinge legten naturgemäß die sechs Verteidiger an den Tag, die neben sachlichen Argumenten auch zu einem Rundumschlag gegen die Anklagebehörde und die Polizei ausholten. Er hoffe, dass der "glasklare Freispruch" auch eine "schallende Ohrfeige" für die Art der Ermittlungen darstelle, sagte Verteidiger Josef Philipp Bischof. Anwalt Jürgen Stephan Mertens hingegen erwartete, dass bei der Staatsanwaltschaft "die Erkenntnis reift, dass man dieses Verfahren nicht in eine weitere Instanz zieht". "Es ist schlicht und einfach so: Es gibt keine kriminelle Organisation", betonten Bischof und seine Kollegen. Die SOKO habe gesucht, gesucht, gesucht, gesucht und nichts gefunden - warum? "Es war nichts da, es gibt nichts zu finden." Am Mond auf Palmensuche zu gehen, wäre genauso sinnvoll gewesen.

Verteidiger: Freispruch "kein Happy End"
Die Kosten für das gesamte Verfahren schätzte Anwalt Stefan Traxler auf rund sieben Millionen Euro. Zeugen wie die jahrelang verheimlichte verdeckte Ermittlerin (VE) "Danielle Durand" und die Vertrauensperson "VP 481", die vom Staatsanwalt als "irrelevant" bezeichnet und nun wie eine "Fußnote im ganzen System" behandelt wurden, würden deutlich zeigen, dass es keine Straftaten gegeben habe, keine Hierarchie, keine Querverbindungen - "es ist nicht in dubio pro reo, im Zweifel, sondern erwiesen", so Mertens. Selbst der zu erwartende Freispruch werde für die Aktivisten "kein Happy End" darstellen, hielt Verteidiger Michael Dohr fest. Kein Geld der Welt könne für die U-Haft entschädigen, Existenzen lägen in Trümmern. "Hier muss sich die Republik etwas überlegen, dass das Wort Entschädigung zurecht verdient", forderte er.

Zu sagen, dass es kein Verfahren gegen den Tierschutz ist, wenn hier 13 Tierschützer sitzen, sei "verhöhnend", meinte hingegen Anwalt Harald Karl: "Worum ist es denn bitte die meiste Zeit gegangen?" Respekt für ihr Engagement zollte Anwältin Alexia Stuefer den Aktivisten: "Es ist bemerkenswert, was diese 13 Leute hier für die Gesellschaft tun, sie widmen sich ihr ganzes Leben lang einem Ideal". Martin Balluch betonte abschließend, dass er nach wie vor nicht wisse, was ihm eigentlich vorgeworfen werde. Er habe viel im Tierschutz unternommen, sagte der Viertbeschuldigte, "das macht mich nicht kriminell". Von einem Freispruch überzeugt zeigte sich der Fünftbeschuldigte und kündigte zahlreiche Anzeigen gegen alle möglichen Stellen an. Vorgegangen wurde nicht gegen die kriminelle Organisation, sondern gegen den Tierschutz, die Tierrechts- und die Tierbefreiungsbewegung, so der Neuntbeschuldigte.

"Deckel drauf, alles bestens"
Der Zehntangeklagte belustigte sich über die Schlussrede Handlers: Sie sei "ein Plagiat" seines Eröffnungsvortrags", offenbar habe er nicht bemerkt, wie sein Strafantrag im vergangenen Jahr "in der Luft zerrissen wurde". "Der SOKO ging es von Anfang an nicht um die Aufklärung von Straftaten, es ging um die gezielte Zerstörung von Existenzen", erhob die Achtbeschuldigte schwere Vorwürfe. Zumindest in ihrem Fall sei das gelungen. Auch der Dreizehntangeklagte erhob Vorwürfe gegenüber der Polizeiarbeit und der Staatsanwaltschaft: "Deckel drauf, alles bestens" sei die einzige Strategie gewesen.

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