Missbrauchs-Drama

Haftunfähiger “Kindermasseur” ist überaus sportlich

Niederösterreich
13.05.2011 14:34
In dem Fall um den 46-jährigen einschlägig vorbestraften Wiener Neustädter, dem die Produktion von Kinderpornos zur Last gelegt wird, ist nun Kritik vom Verein "die möwe" und einem Wiener Rechtsanwalt laut geworden. Es war von "Fehl- bzw. Minderleistungen" der Justiz die Rede. Der Mann, der wegen seiner körperlichen Konstitution für haftunfähig erklärt wurde, sei laut dem Juristen nämlich regelmäßig auf seinem Rennrad in der niederösterreichischen Stadt als durchaus fit aufgefallen. Das Landesgericht habe trotz dieser Information keine neuerliche Untersuchung eingeleitet.

Um auf die Missstände in der Justiz aufmerksam zu machen, sei für kommende Woche eine entsprechende Veranstaltung vorgesehen, sagte Hedwig Wölfl, fachliche Leiterin der "möwe"-Kinderschutzzentren, am Freitag. Es bestehe "Handlungsbedarf", es gelte "Lehren aus dem Fall" zu ziehen und es gehe um "Denkanstöße".

Untersuchung laut Gericht "nicht angebracht"
"Die Haare aufgestellt" habe es ihm, erzählte Anwalt Arno Pajek, der bei dem Verfahren im Jahr 2009 als Prozessbegleiter - Vertreter für zwei Opfer im "möwe"-Auftrag - fungiert hatte, als es um die Gründe für die Haftunfähigkeit des Niederösterreichers ging. Es wurden unter anderem Störungen in "Koordination, Bewegungsablauf, Stand- und Gangsicherheit" genannt. Schon seit November 2010 sei allerdings bekanntgewesen, dass der Mann "auf einem Rennrad, im Renndress und mit hoher Geschwindigkeit" durch Wiener Neustadt fahre. Auf einen diesbezüglichen Schriftsatz an das dortige Landesgericht mit dem Begehren einer stationären Untersuchung des 46-Jährigen habe die Antwort gelautet, dass eine solche "nicht angebracht" sei.

Justiz wegen Personalmangels überfordert?
Was den Wiener Neustädter und dessen Haftunfähigkeit angehe, sei immer wieder der Stand der Dinge nachgefragt worden, betonte Pajek. "Wir sind dahinter gewesen", aber die Rechte im Verfahren seien eben eingeschränkt. Der Jurist hielt auch fest, dass die "Justiz überfordert" sei - auch, weil sie "tatsächlich an Personalmangel" leide.

Experte: Fußfessel für Haftunfähige auch keine ideale Lösung
In Österreich gab es mit Stand 1. Mai 302 Verurteilte, die wegen Vollzugsuntauglichkeit vorzeitig aus der Strafhaft entlassen worden waren. Diese Statistik stammt aus dem Justizministerium. Zahlen über jene, die eine Haft wegen Vollzugsuntauglichkeit gar nicht erst angetreten haben, werden laut Sektionschef Christian Pilnacek nicht zentral gesammelt. Der Hauptgrund für Vollzugsuntauglichkeit sind schwere Erkrankungen, darunter Aids im Endstation, Herzerkrankungen oder Multiple Sklerose.

Bei Vollzugsuntauglichkeit können die Betroffenen die Haftauflagen nicht erfüllen und werden deshalb entlassen, erklärte Pilnacek. So gesehen sei es fraglich, ob zum Beispiel eine Fußfessel anstelle der Haft etwas bringen könnte. Diese Maßnahme sei erstens schwer überwachbar (Aufenthalt an einem bestimmten Ort), zweitens könne ein Verstoß nicht zum Beispiel mit einer Haft sanktioniert werden.

Der Fall erregt vor allem deshalb so viel Aufsehen, weil sich der 46-Jährige trotz seiner Verurteilung wegen Haftunfähigkeit auf freiem Fuß befand und verdächtig ist, sich wieder in einschlägiger Weise betätigt zu haben. Der Gerichtspsychiater hatte dem Verurteilten eine "organisch bedingte Persönlichkeitsstörung" attestiert. Ein inzwischen in Auftrag gegebenes neues Gutachten soll diesen Befund überprüfen. Der 46-Jährige sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Laut dem Sprecher des Wiener Neustädter Landesgerichts, Hans Barwitzius, spielt hier die Haftfähigkeit keine Rolle.

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