"Gefühl der Angst"

Grüne orten System “politischer Lehrer-Bespitzelung” in NÖ

Österreich
04.09.2012 13:58
Der Grüne Harald Walser ortet ein "politisches Spitzelsystem an Bundesschulen in Niederösterreich". Als Beleg dafür legte er am Dienstag eine E-Mail aus dem Jahr 2006 vor, in der eine Landesschulinspektorin Schuldirektoren aufgefordert haben soll, eine "interne (politische) Informationskette" zu Landeshauptmann Erwin Pröll einzurichten. Dabei soll es sich um keinen Einzelfall handeln, so Walser: "Es ist klar, dass es sich hier um ein System handelt." Landesschulratspräsident Hermann Helm versprach umgehend Aufklärung, wies aber jede persönliche Verantwortung zurück.

Walser gab außerdem bekannt, er werde Unterrichtsministerin Claudia Schmied auffordern, aktiv zu werden. Sie müsse das System durchleuchten und für Verhältnisse sorgen, die eines demokratischen Staats würdig seien. Walser sprach dabei von einem "System gezielter Bespitzelung" in Niederösterreich, in dem Methoden eingesetzt würden, "wie wir sie in vergangenen Zeiten von der Stasi gewohnt" waren.

"Gefühl des Drucks, der Bespitzelung, der Angst"
An den niederösterreichischen Schulen "herrscht ein Gefühl des Drucks, der Bespitzelung, der Angst". Das gebe es zwar auch in anderen Bundesländern, Niederösterreich sei allerdings zum "Synonym für Postenschacher und Parteiproporz" geworden. Walser will deshalb, dass die Staatsanwaltschaft auch über den konkreten Einzelfall hinaus weiterführende Untersuchungen einleitet.

Mit der "Informationskette zum Landeshauptmann", wie der Betreff der von Walser vorgelegten Mail lautet, sollten "Informationen über die politische Einstellung von Lehrern, unter Umständen auch von Eltern und Schülern", an Pröll weitergeleitet werden. In dem Schreiben wurde mit Verweis auf den damaligen Landesschulratspräsidenten Adolf Stricker "höchste Diskretion" von den Schulleitern verlangt.

Ex-Schuldirektorin brachte Mail an die Öffentlichkeit
An die Öffentlichkeit gebracht hatte das Schreiben schließlich eine der Adressatinnen, Evelyn Mayer. Diese führt nach ihren Angaben derzeit wegen Mobbings durch besagte Landesschulinspektorin einen Prozess gegen die Republik Österreich und war im Zuge der Prozessvorbereitung auf die Mail gestoßen. Sie habe 2006 nach Erhalt des Schreibens versucht, sich aus der Situation "herauszuwinden", indem sie auf Nachfrage der Landesschulinspektorin behauptete, nicht zu wissen, "welche Informationen das sein sollten", und sei danach auf das Thema nicht mehr angesprochen worden, wie sie am Dienstag berichtete.

Folgen habe ihre Antwort dennoch gehabt: Die Ehefrau des Verfassungsrechtlers Heinz Mayer gab an, zwar schon davor Probleme mit der Landesschulinspektorin gehabt zu haben, doch "das war der Beginn des Mobbings": So sei sie aufgefordert worden, unliebsame Beschlüsse des Schulgemeinschaftsausschusses "umzudrehen". Gegenüber Dritten habe die Landesschulinspektorin sie der Lüge bezichtigt und ihr schriftlich vorgehalten, sie leide an Verfolgungswahn, schilderte Mayer.

Die Schulleiterin ist seit zwei Jahren im Krankenstand. Als Grund gab sie Arbeitsunfähigkeit an, die durch Mobbing hervorgerufen worden sei. Die Finanzprokuratur schrieb hingegen in ihrer Einschätzung, die Klägerin sei nicht Mobbing-Opfer, sondern Täterin gewesen und die Inspektorin erst nach Beschwerden von Lehrern gegen die Direktorin aktiv geworden. Der Prozess läuft noch, Mayer hofft auf ein Urteil in diesem Schuljahr.

Landesschulratspräsident verspricht Aufklärung
Der amtsführende Präsident des Landesschulrats, Hermann Helm, kündigte in einer ersten Reaktion an, den Vorwürfen umgehend nachzugehen: Er lasse erheben, ob besagtes E-Mail vom Server des Landesschulrats verschickt wurde. "Falls ja, werde ich unverzüglich die Disziplinarkommission im Unterrichtsministerium einschalten", so Helm. Weder er selbst noch Erwin Pröll hießen eine derartige Vorgehensweise gut, betonte Helm.

Er könne jedenfalls ausschließen, dass es in seiner eigenen, seit 2007 laufenden Amtszeit derartige Anordnungen gegeben habe. Auch dass das betreffende Mail auf Prölls Wunsch verfasst wurde, "schließe ich aus". Immerhin habe er in seiner Amtszeit keine einzige Intervention im Landesschulrat durch Pröll erlebt. Nichtsdestrotrotz gab er am frühen Nachmittag bekannt, man werde die Landesschulinspektorin im Auftrag Prölls "noch heute" zu einem Gespräch vorladen.

Schmied: Staatsanwaltschaft soll strafrechtliche Seite prüfen
Unterrichtsministerin Schmied, die Walser in der Causa ebenfalls einschalten will, sieht nun die Staatsanwaltschaft am Zug, die strafrechtliche Seite der Faktenlage zu prüfen. Sie stellte klar, dass weder Landeshauptmann noch amtsführender Präsident oder einzelne Landesschulinspektoren das Recht hätten, Direktoren aufzufordern, für eine "interne politische Informationskette" parteipolitisch tätig zu werden.

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, würden disziplinäre Maßnahmen eingeleitet, betonten sowohl Helm als auch Schmied.

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