Betreiber kündigt

Flüchtlingslager wie Traiskirchen “nicht mehr rentabel”

Niederösterreich
06.07.2010 15:16
Das Innenministerium muss sich auf die Suche nach neuen operativen Betreibern für die diversen Flüchtlingseinrichtungen in Österreich machen. Der Betreiber von Traiskirchen, Thalham, Bad Kreuzen und Reichenau, das deutsche Unternehmern "European Homecare", hat die Verträge mit dem Bund nämlich mit Ende Juni gekündigt. Angesichts sinkender Asylwerberzahlen rentiere sich die Aufgabe nicht mehr, heißt es. Pro Tag und Person bekam das Unternehmen zuletzt rund 16 Euro.

Österreichs Flüchtlingslager unterstehen zwar dem Innenministerium, der operative Betrieb - von der Küche über Gebäudemanagement und Sicherheitsdienst bis zur psychosozialen Betreuung - wurde aber schon vor langem an private Gesellschaften ausgelagert. Im Herbst soll eine europaweite Ausschreibung für einen neuen Betreiber erfolgen. Ab Frühling 2011 soll dieser dann die Aufgabe wahrnehmen.

In der Übergangszeit leitet weiter "European Homecare" die Betreuung. Abgerechnet wird für diese Phase aber nicht mehr wie beim regulären Vertrag nach Fallzahl, sondern nach tatsächlich entstandenen Kosten, die vom Innenministerium abgegolten werden. Ob dies nun mehr oder weniger Geld für "European Homecare" bedeutet, wollten weder der Unternehmenssprecher noch das Innenministerium einschätzen. "Auf jeden Fall wird das Unternehmen kostendeckend und nicht auf Profit arbeiten", meinte BMI-Sprecher Rudolf Gollia gegenüber krone.at.

Weniger Flüchtlinge, weniger Geld

Das in Essen beheimatete Unternehmen hatte 2002/2003 eine Ausschreibung des Innenministeriums für sich entschieden und seither ein unbefristetes Vertragsverhältnis, das im Juni von der Geschäftsführung gekündet wurde. Ursprünglich war man von rund 1.000 zu betreuenden Asylwerbern ausgegangen, zuletzt waren es z.B. in Traiskirchen nur noch 288 Flüchtlinge, landesweit rund 400.

Da laut den Verträgen pro Fall abgerechnet wird - anfangs gab es 12,90 Euro pro Tag und Person, zuletzt war man bei rund 16 Euro pro Tag angelangt -, ergab sich für "European Homecare" ein ordentlicher Rückgang bei den Einnahmen. Zu Spitzenzeiten versorgten das Unternehmen und seine Subunternehmer aber auch schon einmal 1.500 Personenen.

Gesamtvolumen von fünf Millionen pro Jahr

Bei der Ausschreibung 2003 war das Auftragsgesamtvolumen übrigens mit rund fünf Millionen Euro pro Jahr geschätzt worden. "European Homecare" hatte dabei - dem Vernehmen nach mit Abstand - als günstigster Bieter offeriert und österreichische Bewerber unterboten.

Ob man bei der Neuausschreibung wieder dabei ist, ließ "Homecare"-Sprecher Wilhelm Brunner am Dienstag offen. Das könne man erst beurteilen, wenn man die Unterlagen einsehen könne. Vor acht Jahren war den Deutschen ein Konsortium von Hilfsorganisationen, angeführt von Rotem Kreuz, Caritas und Diakonie, unterlegen. Auch dort ist noch nicht klar, ob ein neuer Anlauf genommen wird.

Traiskirchen für Reverstaatlichung 
Die Stadt Traiskirchen forderte am Dienstag die Reverstaatlichung der Flüchtlingsbetreuung in Österreich. Jahrelange politische Bedenken hinsichtlich des Profitmachens hätten sich nun mit der Vertragskündigung durch "European Homecare" leider als Tatsache herausgestellt, meinte der Leiter des Bürgermeisteramts der Stadt, Andreas Babler (SPÖ). Das deutsche Unternehmen spreche durch die niedrigere Anzahl von Asylwerbern ja von unrentabel gewordener Betreuung, so Babler. Das lasse den Umkehrschluss zulasse, dass selbige "früher rentabel, sprich profitträchtig" gewesen sei.

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