Nach Gas-Drama

E-Leitung berührte Gasrohr – Abstand nicht eingehalten

Niederösterreich
08.06.2010 17:13
Knapp eine Woche nach dem Gas-Drama mit fünf Toten in St. Pölten laufen die Nachforschungen des Bundeskriminalamtes gemeinsam mit Spezialisten des niederösterreichischen Landeskriminalamtes auf Hochtouren. Fest steht mittlerweile, dass ein Starkstromkabel direkt über dem lecken Gasrohr verlegt war. Der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 30 bis 50 Zentimetern war nicht eingehalten, beide Leitungen haben sich sogar mehrmals berührt.

Ein "massives Leck" im Kunststoffrohr der Gaszuleitung unter der Straße, hervorgerufen durch einen Kurzschluss in einer darüber liegenden 20-kV-Stromleitung: Das war wohl die Ursache für die tödliche Gas-Katastrophe. Ein Lichtbogen aus der Stromleitung habe das darunter befindliche Kunststoff-Gasrohr durchgebrannt, sagte der Sachverständige Christian Tisch vom Bundeskriminalamt am Freitagabend. Wie genau es dann zur Explosion kam und ob für das Unglück jemand verantwortlich gemacht werden kann, sei aber noch Gegenstand der Ermittlungen.

Unabhängig davon, ob und wer die Schuld an dem Explosionsunglück, bei dem vergangenen Donnerstag in St. Pölten fünf Menschen starben, trägt, haftet der Gasversorger EVN für die Schäden. "Es gibt für alle Unfälle in Zusammenhang mit Gas eine verschuldensunabhängige Haftung des Gasversorgers", bestätigte EVN-Sprecher Stefan Zach am Dienstag.

Auch wenn die Trauer um die fünf Opfer des Gas-Dramas vom Fronleichnamstag alles überschattet, so stellen sich nicht nur alle Verwandten, Anrainer oder St. Pöltner die Frage, wie es zu der gewaltigen Explosion kommen konnte. Ganz Österreich, wo immerhin ein Drittel aller Haushalte mit Gas versorgt wird, bewegte die Suche nach der Ursache.

Fünf bis zehn Zentimeter großes Leck
Nach der mächtigen Detonation stand jedenfalls schnell fest, dass zuvor eine Unmenge von Gas ausgetreten sein muss. Vermutlich im Erdreich vor dem Haus. Wie die Behörden der niederösterreichischen Landeshauptstadt versicherten, gab es im Umfeld des Unglücksortes aber keine Bauarbeiten, durch die die Zuleitung zum Haus beschädigt worden sein könnte. Aber ein Leck in genau dieser - unter der Straße liegenden - Gasleitung dürfte zum Drama geführt haben.

Bei den Dichtheits- und Druckprüfungen des Bundeskriminalamtes am Freitag wurde schließlich eine Spur entdeckt, die mit größter Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließ. Bei den Grabungsarbeiten stieß man dann tatsächlich auf ein fünf bis zehn Zentimeter großes Leck - genau dort, unter der Straße und kurz vor dem Gehsteig, wo sich die Gaszuleitung mit der Stromleitung kreuzt.

Kurzschluss brannte Gasrohr durch
In der betroffenen Siedlung beim Spratzener Kirchweg war von der EVN am Mittwochabend ein defektes Stromkabel vom Netz genommen worden. Spekulationen über einen möglichen Zusammenhang des Stromausfalles mit der Explosion gab es seit Donnerstag. Laut Tisch dürfte es in dem Kabel einen Kurzschluss samt Lichtbogen gegeben haben, der das unter der Stromleitung laufende Gasrohr durchbrannte. Damit trat wahrscheinlich seit Mittwochabend Gas aus, ehe es am Donnerstag kurz vor 8 Uhr zur Explosion kam. Klar ist somit, dass die fünf Mitglieder der Familie praktisch keine Chance hatten, ihrem Schicksal zu entgehen.

Was genau die Explosion dann auslöste, kann allerdings noch nicht gesagt werden. Die Untersuchungen und Grabungsarbeiten waren am Freitagabend weiterhin "in vollem Gang". Auch Gasgeräte aus dem zerstörten Haus an der Kreuzung Munggenaststraße - Spratzerner Kirchenweg seien sichergestellt worden. Man sei vom Ermittlungsstand "sehr weit", merkte Staatsanwalt Karl Fischer am Freitagabend an. Jetzt gehe es darum, ruhig weiterzuarbeiten.

EVN sichert "volle Unterstützung" zu
Der niederösterreichische Energieversorger hat jedenfalls die volle Unterstützung bei der Aufklärung zugesagt, wenngleich man sich über das Gasleck vor dem Haus überrascht zeigte. Laut EVN-Sprecher Stefan Zach werden Gasleitungen alle vier bis sechs Jahre auf ihre Dichtheit überprüft, dazwischen finden "selbstverständlich stets Kontrollen statt", hieß es am Freitag gegenüber der "Krone".

Staatsanwalt Karl Fischer bezeichnete es am Freitagabend noch als zu früh für juristische Schlussfolgerungen. Anhand der kriminaltechnischen Erhebungen liege es nun an den Brandermittlern des Landeskriminalamtes zu erheben, ob etwa fahrlässige Tötung beziehungsweise fahrlässige Gemeingefährdung bestand. Es gilt dabei zu klären, ob irgendwo an den Leitungen manipuliert wurde, ob unsachgemäße Arbeiten durchgeführt wurden, etc.

"Da ist nichts. Nur mehr Schutt und Asche"
Indes ist es ruhig geworden um den Unglücksort, wo sich noch vor wenigen Stunden Feuerwehr, Rettung, Polizei, Suchhundestaffeln und Medien tummelten. Die Helfer sind abgezogen, nachdem Freitag früh die letzten beiden Leichen der insgesamt fünf Toten geborgen wurden. Auch die Anrainer blieben Freitag früh in ihren Häusern - ihnen sitzt der Schock wohl noch zu tief in den Knochen.

Über die Absperrungen hinweg versuchten einige Passanten, einen Blick zu erhaschen - schauten aber ins Nichts. "Was soll man da beschreiben?", fragt ein Polizist, der neben dem Zaun Wache hält. "Da ist nichts. Nur mehr Schutt und Asche."

Große Hilfsbereitschaft in St. Pölten
Die Stadt St. Pölten hat indes unter dem Titel "Hilfe für die Opfer der St. Pöltner Gasexplosion" ein Spendenkonto (Nr. 918755) bei der Sparkasse NÖ Mitte-West (BLZ: 20256) eingerichtet, teilte Bürgermeister Matthias Stadler mit. Im Rathaus seien sehr viele Anrufe eingegangen, wie man helfen könne. Auch für jenes Ehepaar, das zum Zeitpunkt der Explosion nicht zu Hause, sondern auf Besuch bei Bekannten in Breitenfurt bei Wien war, lägen bereits Dutzende Wohnungsangebote vor, berichtete Stadler.

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