A4-Schlepperprozess

Zeuge: "Sie haben uns wie Vieh transportiert"

Österreich
22.08.2017 18:11

Im Prozess am Gericht von Kecskemet gegen eine Schlepperbande, die für den Tod von 71 Flüchtlingen verantwortlich gemacht wird, haben Zeugen die Angeklagten am Dienstag schwer belastet. Den Bandenboss bezeichneten die Flüchtlinge als "kleinen Afghanen", der brutal war und Angst geschürt hätte. "Sie haben uns wie Vieh transportiert", berichtete ein geschleppter Iraker.

Die mehr als 180 Zeugen müssen vorerst nicht persönlich vor Gericht erscheinen. Ihre Aussagen wurden von Richter Janos Jadi verlesen. Dabei handelt es sich größtenteils um die nach Westeuropa geschleppten Flüchtlinge, die von der brutalen Vorgehensweise der Bandenmitglieder berichteten. "Es war der totale Horror", sagte ein Iraker in seiner Einvernahme. "Wir wollten zunächst nicht in den Lastwagen einsteigen, wurden dann aber mit Schlägen und Tritten gezwungen."

Opfer wurden ohnmächtig
Ein weiterer Mann erzählte von unmenschlichen Bedingungen für die Flüchtlinge bei den Transporten. Es habe keine Luft gegeben, keinen Platz und keine Haltegriffe. Die Flüchtlinge hätten in ihrer Not geklopft, doch niemand habe reagiert. Ähnliches berichtete ein syrischer Vater. Sein kleiner Sohn wurde aufgrund der mangelnden Luft im Lkw ohnmächtig. Auch er habe heftig gegen die Wände der Ladefläche geklopft.

Daraufhin meldete sich einer der Angeklagten zu Wort. Der Mann, der bei einer Schlepperfahrt im Juni 2015 dabei war, meinte, das sei eine Lüge. Es hätte niemand geklopft und keiner der Flüchtlinge sei in Ohnmacht gefallen, das hätte er beim Aussteigen der Leute ja bemerken müssen.

Angeklagte verweigern Aussage
Alle anderen zehn Angeklagten verweigerten bei der Prozessfortsetzung am Dienstag erneut die Aussage. Die beiden Hauptangeklagten sowie der Fahrer des Todes-Lkw verlangten allerdings bessere Haftbedingungen. Ein Beschuldigter befand sich weiterhin auf der Flucht. Gegen ihn wurde in Abwesenheit verhandelt.

Der Bulgare, der ursprünglich als Zeuge befragt wurde, kam eigentlich nach Ungarn, um Gebrauchtwagen zu kaufen. Er dürfte von seinen Mitangeklagten zu den Schlepperfahrten überredet worden sein. Der 44-Jährige war laut Anklage zwar nicht bei der tödlichen Schlepperfahrt im August 2015 dabei, beförderte jedoch am Tag danach Flüchtlinge in einem Lkw mit ähnlich schlechtem Zustand, in dem die Menschen nur knapp überlebten. Als ihn die Ermittler als Beschuldigten führten, war der Mann längst über alle Berge.

Am 30. Oktober Zeugen aus Österreich
Im Juni hat der Prozess gegen die Schlepperbande in Ungarn begonnen. In dieser Woche wird auch am Mittwoch und am Donnerstag weiterverhandelt. Danach folgen im September - da sollen laut Richter auch Zeugen vor Gericht erscheinen -, Oktober, November und im Dezember weitere 16 Verhandlungstage.

Bei einem der nächsten Verhandlungstage, am 30. Oktober, werden Zeugen aus Österreich vor Gericht in Kecskemet in Ungarn aussagen, wurde am Dienstag bekannt gegeben. Insgesamt sollen sechs Zeugen zu Wort kommen, darunter zwei Flüchtlinge aus Österreich und Angehörige der Angeklagten.

71 Menschen erstickt
Den insgesamt elf Beschuldigten wird u.a. qualifizierter Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die Bande hat laut Anklage mehr als 1200 Menschen illegal nach Westeuropa gebracht. Dabei kassierte allein der Bandenchef mehr als 300.000 Euro. Ab Juni 2015 schmuggelte die Gruppe verstärkt Flüchtlinge von Serbien über Ungarn nach Österreich bzw. Deutschland. 31 solcher Fahrten konnte die Staatsanwaltschaft in Ungarn nachweisen. Im August 2015 endete eine solche Fahrt tödlich. 71 Menschen erstickten in einem Kühl-Lkw, der in einer Pannenbucht bei Parndorf auf der Ostautobahn (A4) entdeckt wurde. Die Tragödie jährt sich am Samstag zum zweiten Mal.

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