Filzmaier analysiert

Wovor Österreicher Angst haben – und wovor nicht

Österreich
10.09.2016 19:01

Verliere ich meinen Job? Wird jemand aus der Familie krank? Haben wir die Wirtschaftskrise überstanden? Sind tägliche Lebenskosten leistbar? Droht ein Terroranschlag? Was davon die größte Sorge ist, sieht jeder für sich anders. In Summe haben sich jedoch die Ängste in Österreich stark verändert.

  • Nach den Daten des Eurobarometers - einer Untersuchung der Europäischen Kommission im Halbjahres-Rhythmus - und fast allen Studien sind Arbeitslosigkeit und Zuwanderung jene Themen, die als größte Herausforderung gelten. Terrorismus ist zum Glück viel mehr ein Medienthema als unser Alltagsleben beeinflussend.
    Auffallend ist, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen sowohl in Österreich als auch allen 28 Mitgliedsstaaten der EU von je einem Drittel als wichtigste politische Aufgabe genannt wird. Beim Thema Migration sagen das aber mehr als 40 Prozent der Österreicher und weniger als 30 Prozent sämtlicher Unionsbürger. Das zeigt, wie weit man hier in "EU-ropa" von einer gemeinsamen Politik entfernt ist.
  • Was Parteien aller Farben in ihrem Kampf um Arbeitsplätze unterschätzen, ist die Orientierungslosigkeit, wie Arbeit in der Zukunft aussehen soll. Nicht jeder ist in Panik, morgen gekündigt zu werden. Genauso Angst machen kann Unsicherheit, ob sowohl die Belastung beim Arbeiten steigt als auch das Erlernte infolge von Computerisierung und Co. bald nicht mehr gebraucht wird. Da hört man von Politikern entweder onkelhafte Versprechungen des Typs "Tischler werden immer gebraucht!" oder zu vage Ankündigungen, hochmoderne Jobs im Dienstleistungssektor zu schaffen. Ganz aus dem Fokus verschwunden ist der Umweltschutz.
  • Beim Thema Wirtschaft ist auffallend, dass die ökonomische Lage des Staates und die volkswirtschaftliche Entwicklung sehr sorgenvoll gesehen werden. Im Gegensatz dazu ist man mit der finanziellen Lage im eigenen Haushalt halbwegs zufrieden.
    Natürlich gibt es dabei in der Europäischen Union große Unterschiede. Wer in Griechenland lebt, schüttelt über Wirtschaftssorgen der Österreicher verständnislos den Kopf, weil ihm seine Situation ungleich übler vorkommt. Wer hierzulande wohnt, will umgekehrt mit seinen Sorgen ernst genommen werden und nicht hören, dass es anderswo viel schlechter ist.
  • "Die Pensionen sind sicher!", das war oft ein Wahlslogan von Regierungsparteien und vor allem der SPÖ. Bundeskanzler Christian Kern rechnet - zuletzt im ORF-"Sommergespräch" - gerne vor, warum unabhängig von der höheren Lebenserwartung keine neuen Reformen notwendig seien. Dadurch spricht er altersmäßig die verbliebenen Stammwähler seiner Partei an, an den Hauptsorgen aller Österreicher redet er ein bisschen vorbei: Denn bloß jeder Zehnte bezeichnet momentan die Sicherung der Pensionen als zentrales Problem des Landes.
  • Obwohl niemand krank werden will, rangiert auch Gesundheit bei den Sorgen vergleichsweise unter ferner liefen. Das ist bemerkenswert, weil wir nach den Statistikdaten der EU im Durchschnitt über 80 Jahre alt werden, jedoch nur knapp mehr als 60 Jahre in guter körperlicher Verfassung sind. Zudem steigt mit dem Lebensalter der Pflegebedarf, wobei ein möglicher "Notstand" 2006 großes Wahlkampfthema war.
    Dennoch sind konstant vier Fünftel mit dem heimischen Gesundheitssystem zufrieden. Sogar die "Zweiklassenmedizin" ist kein Aufreger, sondern wird eher als Tatsache hingenommen. Die Mehrheit ist überzeugt, dass die Qualität der Behandlung für alle gleich ist, doch als Privatversicherter kommt man schneller dran und hat es komfortabler.
  • Ebenso wenig dramatische Befürchtungen lösen zwei Faktoren aus, die noch vor ein paar Jahren politisch heiß umstritten waren: Einerseits die Höhe der Staatsschulden als kaum fassbare Zahl - es sind rund 294 Milliarden Euro insgesamt und 40.000 Euro pro Kopf für jeden Österreicher -, und andererseits die konkret Tag für Tag zu bezahlenden Ausgaben. So kurios es klingt: Die Wirtschafts- und Eurokrise hat da zu einer Beruhigung geführt. Infolge der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sind die Inflationsraten - also die jährliche Geldentwertung - relativ gering. Dadurch sinkt das Gefühl, dass wir für Essen, Kleidung und Wohnen immer mehr und oft zu viel zahlen müssen. Leistbare Wohnungen sind freilich im großstädtischen Raum und speziell für jüngere Familien durchaus ein Krisenthema.
  • In den Altersgruppen ist man übrigens hinsichtlich der Ängste sehr unterschiedlicher Meinung. Wenig überraschend sind Jugendliche, wer sonst, viel optimistischer als ältere Menschen. Zudem neigt die 60-plus-Generation zur Ansicht, früher sei alles besser gewesen. Das ist ein Beispiel, wie subjektiv die empfundene Wirklichkeit ist.
    Trotz aller Berechtigung heutiger Sorgen - es stimmt einfach nicht, dass wir uns etwa zu Bruno Kreiskys Zeiten (er war Bundeskanzler von 1970 bis 1983) mehr leisten konnten. Der Lebensstandard in Österreich ist besser denn je.
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