Große Entscheidung

VdB oder Hofer? Die 7 Folgen der Hofburg-Wahl

Österreich
04.12.2016 07:51

Nun ist es endlich soweit, Österreich entscheidet über einen neuen Bundespräsidenten. Der Wahlkampf war unglaublich lang, zäh und auch schmutzig. Das Rennen um die Hofburg zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer ist denkbar knapp, auch heute herrscht Hochspannung bis zuletzt. Die "Krone" fasst die wichtigsten Folgen dieser historischen Wahl zusammen.

1. Diese Wahl wird Österreich verändern. Es ist nicht irgendeine Stimmabgabe, sie entscheidet über die künftige politische Richtung des Landes.

Diese Wahl ist etwas Besonderes. Schon allein deshalb, weil kein Kandidat der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP mehr im Rennen ist. Diese Wahl ist auch eine Richtungsentscheidung, links gegen rechts, jene, die auf Kontinuität, Bedachtheit und nicht all zu große Veränderungen setzen, gegen die Wutbürger, die genug haben von den sogenannten Eliten, sich unverstanden fühlen und hoffen, dass nun alles anders wird.

2. Diese Wahl ist keine rein österreichische Angelegenheit, sie wird in ganz Europa Folgen haben.

Selten hat eine Bundespräsidentenwahl so großes Interesse im Ausland erregt. Medien aus ganz Europa verfolgten den Wahlkampf, Österreich schaffte es in den vergangenen Monaten auf so manche internationale Titelseite. Europa blickt gebannt nach Österreich, ob tatsächlich der Kandidat einer rechtspopulistischen Partei in die Hofburg einzieht. Das würde wohl einen gewaltigen Schneeballeffekt auslösen und könnte in Frankreich im kommenden Jahr die Rechtsaußen-Chefin Marine Le Pen auf den Präsidentensessel heben. Auch die AfD in Deutschland und andere Rechtspopulisten, wie etwa der Niederländer Geert Wilders, würden Aufwind bekommen.

Als Wahlhelfer für Alexander Van der Bellen in der sprichwörtlich letzten Sekunde hat sich jedoch ausgerechnet der Brexit-Wortführer Nigel Farage präsentiert. Er rechnet mit einem EU-Austrittsreferendum, falls Norbert Hofer die Wahl gewinnt. "Hofer wird verlangen, dass Österreich ein Referendum über seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union abhält", so Farage in einem Interview mit dem TV-Sender Fox News. Hofer selbst bemühte sich in der Endphase des Wahlkampfs immer wieder zu betonen, dass er gegen einen Austritt Österreichs aus der EU sei.

3. Gewinnt Norbert Hofer, gibt es ganz bestimmt eine internationale Protest- und Empörungswelle.

Das lässt sich jetzt schon mit absoluter Sicherheit voraussagen. Nach der aufgehobenen Stichwahl und den Klebstoff-Pannen wird sich in diesem Fall wieder viel Hohn und Spott, aber auch Entrüstung breitmachen.

4. Egal wie diese Wahl ausgeht, die Regierung wird weiter streiten.

Ob Van der Bellen oder Hofer in die Hofburg einzieht, wird relativ wenig Auswirkung auf die Koalition haben. Gewinnt der ehemalige Grünen-Chef, verschafft das SPÖ und ÖVP zwar eine kurze Verschnaufpause, die Stimmung wird aber nicht besser werden - zu groß sind mittlerweile die Gräben und der fast schon bedingungslose Hass auf den Partner. Außerdem werden die schwarzen Anhänger einer Koalition mit der FPÖ rasch wieder zu zündeln beginnen.

Wird Hofer Bundespräsident, könnte Kanzler Christian Kern die Parole "Jetzt erst recht gegen rechts" ausgeben und sein Glück in Neuwahlen suchen. Außerdem wäre ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der sich ja für Van der Bellen ausgesprochen hat, noch weiter geschwächt und die Wachablöse durch Außenminister Sebastian Kurz wohl nur noch eine Frage der Zeit. Generell sieht es nicht so aus, als würde die Regierung noch etwas weiterbringen oder weiterbringen wollen. Egal wer Bundespräsident wird, an vorgezogenen Neuwahlen dürfte daher kein Weg vorbei führen.

5. Die FPÖ wird auf jeden Fall profitieren, Parteichef Heinz-Christian Strache könnte aber ein Problem bekommen.

Wird Hofer der Sieger dieser langen, langen Wahlschlacht, macht das die FPÖ noch einmal ein Stück weiter salonfähig. Gewinnt Van der Bellen, könnten durchaus blaue Stimmen laut werden, die einen Wechsel an der Parteispitze fordern und Hofer als den besseren Strache sehen. Der rhetorisch äußerst geschulte und versierte Hofer, der oft als "Wolf im Schafspelz" bezeichnet wird, kommt vor allem bei jenen, die nicht zu den blauen Stammwählern gehören, besser an als der meist polternde Strache.

6. Wirtschaft und Tourismus warnen vor einem Bundespräsidenten Hofer. Das Horror-Szenario von massiven Einbußen ist aber wohl weit übertrieben.

Gewaltige Einbrüche im Tourismus, Tausende Arbeitsplätze, die verloren gehen - davor warnen Wirtschaftsexperten, die freilich für Van der Bellen stimmen, seit Monaten. Und sie prognostizieren, dass viele Gäste, die Österreich mit einem Bundespräsidenten Hofer sehr skeptisch sehen, auch ausbleiben würden. Tatsächlich werden sich die Auswirkungen der Wahl auf die Wirtschaft aber in Grenzen halten. Selbst nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA erholten sich die Börsen rasch wieder vom ersten Schock.

7. Wie auch immer diese Wahl ausgeht, Österreich zeigt sich als gespaltenes Land.

Es war bereits in der ersten, später wieder aufgehobenen Stichwahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Van der Bellen und Hofer. Und das dürfte es auch dieses Mal werden. Daher: Wer auch immer am Ende die Nase vorn hat, knapp die Hälfte der Wähler wird enttäuscht sein und sich vom neuen Staatsoberhaupt völlig unverstanden sowie nicht repräsentiert fühlen. Das Land wieder zu einen, wieder Ruhe einkehren zu lassen, wird die große und äußerst schwierige Aufgabe des neuen Bundespräsidenten sein.

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