"Krone"-Reportage

Unterwegs mit VdB: “Sascha, du bist wunderbar!”

Österreich
23.05.2016 06:52

Die Zuversicht aufrechterhalten bis zuletzt. In Würde gekämpft und halb Österreich für sich gewonnen. Alles ist möglich! Die "Krone" war am Wahlsonntag unterwegs mit Alexander Van der Bellen. Hier die Chronologie eines denkwürdigen Tages zum Nachlesen.

U6-Station Gumpendorferstraße am Vormittag dieser Schicksalswahl: In der U-Bahn-Station sitzt ein Obdachloser mit einem Doppler Weiß auf dem Boden. Er glaubt nicht daran, dass die Wahl für ihn irgendetwas ändern wird. "So kann's nicht weitergehen", sagt am Kebabstand eine Frau zur anderen. Sehr wahrscheinlich, dass die beiden Norbert Hofer gewählt haben - oder gar nicht. Der Van-der-Bellen-Ständer umgeschmissen vom Wind, das Hofer-Plakat mit einem Pickerl überklebt: "Kein Nazi in der Hofburg". Der Wind trägt den Glockenklang der Kirche Maria vom Siege von Wien-Neubau herüber.

"Jetzt wird mir schon ein bisschen kribbelig"
Nach dem Schutzweg mit einem schwulen Ampelpärchen, auf der anderen Seite des Gürtels, hält - flankiert vom Staatsschutz - kurz vor 11 Uhr der Wahlkampf-Tourbus. Alexander Van der Bellen auf dem Weg zur Stimmabgabe. "Jetzt wird mir schon ein bisschen kribbelig", gibt der Professor zu. Ihm war immer klar, wie knapp es ausgehen würde. Spitz auf Knopf.

Mit welchem Gefühl ist er aufgewacht an diesem denkwürdigen Morgen? "Eigentlich noch ganz ruhig", lächelt Van der Bellen. "Kaffee getrunken, ein Sudoku gelöst." Ihr Mann werfe niemals ein Sudoku weg, erzählt Ehefrau Doris Schmidauer. Seine zurückhaltende Art, der Hang zum Schweigen: Es macht die Spannung für sein Team etwas erträglicher.

"Die Chöre in den U-Bahnen, die Flashmobs, die vielen Initiativen, ungesteuert, ungeplant, hat es das bei einer Wahl schon gegeben?", fragt Van der Bellen. Wie hätte er auch sonst die Zuversicht aufrechterhalten können. In seinem nachdenklichen Blick liegt dieser Rest von Ungewissheit. Die himmelblaue Krawatte, hat er die eigentlich zufällig aus dem Kasten gefischt? Er schüttelt den Kopf: "Ich lass' mir von der FPÖ weder den Heimatbegriff noch die Farbe Blau vermiesen."

"Der Herr Professor ist da!"
In der Amerlingstraße sprintet eine Joggerin mit "Ich wähle VdB" auf ihrem Lauf-Shirt an mehr als 40 wartenden Kamerateams vorbei. Beim Eintreffen des Wahlkampf-Mercedes geht ein Raunen durch die Menge. "Der Herr Professor ist da!" Vom Klopfbalkon gegenüber ruft ein Pärchen: "Van der Bellen! Alles Gute!"

Nach der Stimmabgabe ein Moment der Nachdenklichkeit und Stille: "Lasst uns kurz innehalten", sagt Van der Bellen zum Amoklauf in Vorarlberg mit drei Toten und elf Verletzten. Dann bringt ihn der Bus nach Hause. Er will die letzten Stunden vor der Hochrechnung ganz privat sein. Gegen 15 Uhr letzte Sitzung mit seinem Team, die ersten Wahlergebnisse trudeln ein. Lothar Lockl, Seite an Seite mit Van der Bellen seit 15 Jahren, wiederholt, was er schon im Wahlkampf gesagt hat: "Sascha, du bist wunderbar! Egal, wie das hier ausgehen wird."

Van der Bellen will "Gräben zuschütten"
Van der Bellen will ein Präsident für alle Menschen in diesem Land sein. Auch für all jene, die auf Facebook erschreckende Dinge gepostet haben? "Schwamm drüber!", sagt er, "schütten wir die Gräben zu. Arbeiten wir zusammen. Auch mit all jenen, die Dinge gesagt und geschrieben haben mit einem mächtigen Zorn im Bauch."

17 Uhr, Palais Auersperg: Frenetischer Jubel bei der ersten Hochrechnung. 50,2 zu 49,8 für Hofer. Spitz auf Knopf. Um 18.30 Uhr steht es 50:50. Van der Bellen trifft um 18.35 Uhr in der Wiener Hofburg ein. Ob er der nächste Bundespräsident sein wird? Die Zuversicht aufrechterhalten bis zuletzt...

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