"Grünes Gold"

Taliban finanzieren Waffen jetzt mit Pistazien

Ausland
01.08.2016 11:50

Afghanistans Pistazien gehören zu den besten der Welt, die grünbraunen Steinfrüchte sind ein wichtiges Exportgut und werden oft als "grünes Gold" bezeichnet. Das haben inzwischen auch die Taliban verstanden: Vielerorts organisieren die radikalislamischen Kämpfer oder andere örtliche Kriegsherren inzwischen Raubzüge in die Pistazienwälder, um die Früchte lange vor ihrer Reife illegal zu ernten.

Anfang Juli, rund drei Wochen vor Beginn der Erntezeit, wurden auf diese Weise etwa 40 Prozent der Früchte gestohlen, berichten die Behörden. Raubzüge auf das "grüne Gold" werden aus dem ganzen Pistaziengürtel gemeldet, von Badakhsan im Nordosten Afghanistans über Kunduz im Norden und Herat an der Grenze zum Iran im Westen. In der nördlichen Provinz Samangan etwa begannen die Plünderungen am 7. Juli, pünktlich zum Ende des Ramadan. "Zwischen 100 und 150 Menschen stürmten die Pistazienwälder in zwei Bezirken", berichtet Rafiullah Roshansada von der örtlichen Agrarverwaltung. Dadurch könnte sich der Pistazien-Ertrag der gesamten Provinz in diesem Jahr halbieren, fürchtet er.

Ähnliches berichten die Behörden aus der westafghanischen Provinz Badghi. "Bei uns gibt es bis zu 30.000 Hektar Pistazienwälder, aber die Gebiete, in denen sie stehen, werden von den Taliban kontrolliert", klagt der für die Landwirtschaft zuständige Vertreter der Provinzverwaltung, Haifsullah Benish.

"Sie sammeln die Pistazien, bevor sie reif sind"
Er mokiert sich über den geringen Sachverstand der Taliban und anderer Warlords aus der Region: "Sie sammeln die Pistazien, lange bevor diese reif sind - glauben Sie mir, sie werden sich nicht gut verkaufen." Wären sie normal geerntet worden, hätten die begehrten Kerne rund 470.000 Euro eingebracht, schätzt Benish.

Nach Angaben des Forstaufsehers im afghanischen Landwirtschaftsministerium, Mohammad Aman Amanjar, lassen sich die unreifen Pistazien für umgerechnet fünf Euro pro Seer - rund sieben Kilo - verkaufen. Für reife Pistazien gibt es 26 Euro pro Seer, also das Fünffache.

Betreten der Wälder eigentlich verboten
In elf Provinzen des Landes ist das Betreten der Pistazienwälder rund um die Erntezeit strikt verboten. Von dem Verbot abhalten lassen sich aber nur wenige, sagt Amanjar. "Wenn sie nicht auffliegen, können die Leute Pistazien für 1000 bis 2000 Afghani (rund 13 bis 26 Euro) pro Tag sammeln". Dies reiche, um eine Familie eine Woche zu ernähren.

Auf Pistazien haben es Ernteräuber besonders abgesehen, weil sie in ganz normalen Wäldern wachsen und nicht auf Plantagen, erklärt Amanjar. Erdnüsse dagegen werden angepflanzt - und die Plantagen dann bewacht.

50 Prozent der Bäume wurden Brennholz
Noch vor 35 Jahren verfügte Afghanistan über rund 450.000 Hektar Pistazienwälder. Dann wurde das Land von einer nie enden wollenden Abfolge von Kriegen und Bürgerkriegen erfasst - bis zu 50 Prozent der Bäume wurden von der Not leidenden Bevölkerung zu Brennholz gehackt oder fielen der Dürre zum Opfer. Kamen früher einmal 40 bis 100 Bäume auf einen Hektar Wald, sind es heute nur noch 20 bis 40 Bäume.

In den vergangenen zwölf Jahren konnten laut Forstaufseher Amanjar immerhin 9700 Hektar Pistazienwald wiederaufgeforstet werden. Im selben Zeitraum schwankten die Exporte geschälter Pistazien zwischen 500 und 1500 Tonnen. Im Jahr 2014 brachten die Ausfuhren um umgerechnet 3,8 Millionen Euro ein. An den Umsatz der Opiumproduktion, nach UN-Angaben rund 144 Millionen Euro im Jahr, reicht das zwar bei Weitem nicht heran. Doch manchem Kämpfer reicht es, um monatlich über die Runden zu kommen.

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