Adel Kermiche

Sohn einer Professorin wurde zum Kirchenmörder

Ausland
27.07.2016 17:52

Er war kein Flüchtling, der illegal nach Europa einreiste, sondern wuchs wie einer von Millionen französischen Jugendlichen auf: Adel Kermiche, der mit einem weiteren, noch nicht identifizierten Täter am Dienstag in der Normandie eine Kirche stürmte und einen Priester tötete, mochte Rihanna und die "Simpsons", ging zu Schule und trieb viel Sport. Doch der junge Franzose, dessen Eltern aus Algerien stammten, geriet in die Fänge radikaler Hassprediger und Dschihadisten - und wurde so zum Mörder.

"Er war für mich wie ein kleiner Bruder", sagte Nachbar Christian am Mittwoch der Zeitung "Le Parisien". In der Nachbarschaft kann man nicht verstehen, was den 19-jährigen Adel Kermiche dazu trieb, sich dem radikalen Islamismus anzuschließen und eine Gräueltat wie am Dienstag in Saint-Etienne-du-Rouvray zu begehen. "Er muss manipuliert worden sein", sagt einer von Adels früheren Freunden.

Fotos aus sozialen Netzwerken zeigen Adel, der im März 1997 im nahe gelegenen Ort Mont-Saint-Aignan auf die Welt kam, im Teenageralter, lässig gekleidet, mit erhobenem Daumen und Gelfrisur. Er mochte Rihanna, die "Simpsons" und trieb viel Sport, traf sich mit Freunden zum Grillen und Feiern. Seine Schwester studierte Medizin, arbeitet als Ärztin in Rouen. Sein kleiner Bruder ist 16 Jahre alt.

"Er war wie verhext"
Die Veränderung des Burschen fiel seiner Mutter, einer Professorin, kurz nach dem Anschlag auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" im Jänner 2015 auf. "Er ging danach immer häufiger in die Moschee und begann, mich zu maßregeln", wird sie in der britischen "Sun" zitiert. "Er war wie verhext. Adel meinte, er könne seine Religion in Frankreich nicht ausleben. Aber ich bin mir sicher, das waren nicht seine Worte."

In nur wenigen Monaten wurde aus dem unbescholtenen Burschen ein Fanatiker. Französischen Ermittlern zufolge könnte Adel in die Fänge von Hasspredigern und Dschihadisten, darunter Maxime Hauchard, der in IS-Enthauptungsvideos zu sehen war, geraten sein.

Im Vorjahr versuchte Kermiche zweimal vergeblich, nach Syrien zu reisen. Der französischen Anti-Terror-Staatsanwaltschaft war er demnach bekannt. Das erste Mal wurde er im März in Deutschland, beim zweiten Versuch Mitte Mai in der Türkei festgenommen. Nachdem er von der Türkei nach Frankreich überstellt worden war, wurde Kermiche in Untersuchungshaft genommen.

Gaukelte Anti-Terror-Richterin offenbar Reue vor
Bei einer Befragung durch eine Anti-Teror-Richterin gaukelte Kermiche offenbar Reue vor und beteuerte, er bereue seine Pläne, wie am Mittwoch aus Ermittlerkreisen verlautete. "Ich will wieder mein Leben führen, meine Freunde wiedersehen, heiraten", sagte er demnach. Die Richterin kam daraufhin zu dem Schluss, der damals 18-Jährige sei sich "seiner Fehler bewusst geworden". Am 18. März dieses Jahres ordnete sie an, Kermiche aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Er kam unter strengen Auflagen mit einer elektronischen Fußfessel wieder frei.

Dabei hatte sich der junge Islamist während der Untersuchungshaft offenbar keineswegs von der dschihadistischen Ideologie abgewandt. "Er scheint sich während dieses Gefängnisaufenthaltes noch weiter radikalisiert zu haben", heißt es nun aus Ermittlerkreisen.

Kermiche trug Fußfessel bei Kirchen-Attentat
Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte damals vergeblich versucht, Kermiches Freilassung zu verhindern. Laut Staatsanwalt François Molins stand Kermiche zum Tatzeitpunkt bei seinen Eltern unter Hausarrest und durfte deren Wohnung nur wenige Stunden am Vormittag zwischen 8 Uhr und 12.30 Uhr verlassen. Am Dienstag gegen 9.30 Uhr stürmte er mit einem weiteren, noch nicht identifizierten Attentäter die Kirche in Saint-Etienne-du-Rouvray und tötete den Priester Jaques Hamel.

Eine Augenzeugin berichtete, die Täter hätten den abscheulichen Mord gefilmt - inspiriert durch die Hinrichtungsvideos des IS? Beim Verlassen der Kirche hatten sie sich mit dem Ruf "Allahu akbar" ("Gott ist groß") auf die Sicherheitskräfte gestürzt. Adel Kermiche und sein Komplize wurden von der Polizei erschossen.

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