"Stärkt Extremisten"

So spielt Trumps Politik dem IS in die Hände

Ausland
11.02.2017 14:16

US-Präsident Donald Trump ist mit dem Versprechen angetreten, den islamischen Radikalismus "von der Erdoberfläche zu tilgen". Trotzdem jubeln viele Anhänger der radikalen Miliz Islamischer Staat. Ihr Kalkül: Trumps Kurs wird Muslime in aller Welt auf die Barrikaden bringen - und dem zuletzt militärisch empfindlich geschwächten IS scharenweise dringend benötigte Rekruten in die Arme treiben.

Vor allem Trumps Einreisebann gegen Menschen aus sieben muslimisch geprägten Ländern kommt ihnen wie gerufen - auch wenn dieser derzeit auf Weisung der US-Justiz außer Kraft gesetzt ist. Für die Islamisten liefert das Verbot das beste Argument, warum der neue Mann im Weißen Haus und die USA bekämpft werden müssen. Experten schließen nicht aus, dass Trumps Politik neue Anschläge im Westen motiviert - nach dem Muster etwa von Paris, Brüssel und Berlin. "Das ist ein Segen Allahs für die Muslime", kommentierte unlängst ein IS-Sympathisant Trumps Wahlsieg in einem islamistischen Onlineforum.

Der IS steht unter Druck. In Syrien und im Irak musste er in den vergangenen Monaten zahlreiche militärische Niederlagen einstecken. Nachschubrouten wurden gekappt, Finanzstrukturen torpediert. Gegen die Hochburgen Rakka in Syrien und Mossul im Irak laufen Offensiven, zahlreiche IS-Kämpfer wurden bei Luftangriffen der von den USA geführten Anti-IS-Allianz getötet.

Islamisten profitieren von Chaos in Syrien
In Syrien profitierten die Islamisten vom Chaos des Bürgerkriegs. Doch inzwischen werden sie auch von syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung Russlands und des Iran, der türkischen Armee, diversen Rebellengruppen und Kurdenmilizen in die Zange genommen. Experten schätzen, dass für den IS in dessen Kerngebiet noch um die 20.000 Anhänger kämpfen. 2014, als die Miliz blitzartig die irakische Großstadt Mossul eroberte und ihr "Kalifat" ausrief, waren es noch 36.000.

Doch trotz der militärischen und personellen Verluste ist seit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten eine neue Welle der Euphorie in IS-nahen Onlineforen auszumachen. Die Islamisten hoffen, dass Trumps Politik die Gräben zwischen der westlichen und der islamischen Welt vertieft und dies die Anheuerung neuer Kämpfer und Sympathisanten einfacher macht. IS-Sympathisanten preisen Trumps Einreiseverbot in sozialen Netzwerken massenhaft als "gesegneten Bann". Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, ein Verbund von 57 Staaten, warnt mit Blick auf das Verbot: "Selektive und diskriminierende Handlungen werden die radikalen Narrative der Extremisten nur stärken."

IS will sich als Rächer der Muslime inszenieren
Ein IS-Sympathisant etwa äußert sich zuversichtlich, dass wegen Trump gerade Muslime, "die ihre Treue und Frömmigkeit verloren haben", von ihrem westlichen Lebensstil wieder zurück zum Islam finden. Mit Trump zeige der Westen allen Muslimen sein wahres islamfeindliches Gesicht, so die Hoffnung. Auch Trumps beabsichtigte Annäherung an Russland könnte dem IS in die Karten spielen, denn die Regierung in Moskau ist spätestens seit ihrem Schulterschluss mit dem schiitisch geprägten Iran ein rotes Tuch für viele Sunniten, die größte Glaubensrichtung im Islam.

Experten glauben, dass der IS angesichts dieser Ausgangslage gezielt auf neue Anschläge im Westen setzt, um sich als Rächer aller Muslime zu inszenieren. "Ein Anschlag in den USA würde ihnen massiv nutzen, weil sie zeigen könnten, dass Trump schwach ist", sagt Mokhtar Awad von der George Washington University. Gleichzeitig würde ein Angriff auf amerikanischem Boden diejenigen in der Trump-Regierung, die ohnehin schon eine fremdenfeindliche Gesinnung hätten, in ihren Ansichten bestärken. Die Folge wäre eine weitere gesellschaftliche Spaltung und ein Klima des gegenseitigen Hasses.

Experten: Gesellschaftliche Spaltung hilft Extremisten
Und genau diese "Auslöschung der Grauzone", in der Muslime und Nicht-Muslime eigentlich friedlich zusammenleben, hat der IS als ideologisches Hauptziel zur Destabilisierung westlicher Gesellschaften ausgegeben. Wissenschaftlern zufolge glauben die Extremisten, dass Muslime, auch wenn sie sich dem IS nicht direkt anschließen, ihm in derart gespaltenen Gesellschaften aufgeschlossener gegenüberstehen. Daraus - so die Experten - folgt vor allem eine entscheidende Lehre für den politischen Kampf gegen die Islamisten: Man muss sie uninteressant für potenzielle Unterstützer machen. Mit Trumps bisheriger klarer Kante gegen Muslime dürfte das aber schwierig werden.

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