"Säuberungen"

Schockbilder: So brutal bestraft Erdogan Rebellen

Ausland
18.07.2016 11:56

Soldaten, die in einer Turnhalle fast unbekleidet und zusammengepfercht auf dem Boden liegen und geschlagen werden: Die türkische Regierung hat nach dem gescheiterten Militärputsch in der Nacht auf Samstag umgehend mit den angedrohten "Säuberungen" gegen die Rebellen begonnen. Rund 6000 Soldaten wurden festgenommen, fast 13.000 Staatsbeamte abgesetzt. Am Montag wurde zudem die Suspendierung von 8000 Polizisten vermeldet. "Die Säuberung aller staatlichen Institutionen von diesem Geschwür wird weitergehen", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan. Zudem laufen in Ankara Beratungen über die Einführung der Todesstrafe. Die EU rief Erdogan unterdessen zur "Mäßigung" auf.

Den Aufständischen schlägt nicht nur die unerbittliche Härte des Staates entgegen, sondern auch der blanke Hass der Bevölkerung. Schon am Samstag, wenige Stunden nach der Niederschlagung des Putsches, tauchten Bilder von Soldaten auf, die von Bürgern brutal geschlagen und die Vieh behandelt wurden. In Istanbul sollen Soldaten von einer aufgebrachten Menge sogar gelyncht worden sein. Angeblich wurden einige Rebellen auch eine Brücke hinunter geworfen.

Video: Hier werden einige hochrangige Putschisten vorgeführt

Gescheiterter Militärputsch: Opferzahl stieg auf 290
Am Freitagabend hatten Teile des Militärs versucht, die Macht an sich zu reißen. Im stundenlangen Chaos starben laut Regierung mindestens 290 Menschen, mindestens 190 von ihnen Zivilisten und Polizisten. Die übrigen Toten werden den Putschisten zugerechnet. Mehr als 1400 Menschen wurden verletzt. "Die Putschisten werden einen sehr hohen Preis für diesen Verrat zahlen", schwor Erdogan kurz nach dem Putschversuch Rache. Dutzende Soldaten ließen sich noch in der Nacht von Polizisten entwaffnen. Im Fernsehen war zu sehen, wie Militärs an der Bosporus-Brücke in Istanbul von Polizisten abgeführt wurden.

Video: Putschisten in der Türkei ergeben sich

Regierung: "Ex-Luftwaffenchef war Putschisten-Anführer"
Anführer der Putschisten in der Türkei soll nach Angaben aus der Regierung der Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk gewesen sein. Öztürk sei "der formale Anführer der Junta" gewesen, hieß es am Montag aus Regierungskreisen in Ankara. Der General gehörte bisher dem Obersten Militärrat an. Neben Öztürk wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mehr als 100 weitere Generäle aus den Streitkräften festgenommen.

Derzeit rund 7500 verdächtige Personen in Haft
Nach einem Bericht des TV-Senders CNN Türk hat die Regierung am Montag neben 8000 Polizisten auch 30 Gouverneure und mehr als 50 hochrangige Beamte ihrer Posten enthoben. Insgesamt wurden laut der Regierung seit Samstag rund 7500 Menschen unter dem Verdacht festgenommen, an dem Putschversuch beteiligt zu sein. Als Hintermann des Putschversuches sieht Erdogan bekanntlich den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen.

Hahn: "Listen für Verhaftungen offenbar vorbereitet"
Die EU hat sich beunruhigt über die Lage in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch gezeigt. Das Vorgehen der Regierung gegen ihre Gegner mache ihn sehr besorgt, sagte beispielsweise der österreichische EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn am Montag in Brüssel. Offenbar seien Listen für Verhaftungen bereits vorbereitet gewesen. "Dass die Listen schon nach dem Ereignis verfügbar waren, weist darauf hin, dass es vorbereitet war."

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kündigte eine "starke Botschaft" der EU-Außenminister an die Türkei an. Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundsätze müssten eingehalten werden - auch "zum Wohle des Landes selbst", sagte Mogherini. Es gebe "keine Entschuldigung" für Schritte, die das Land von rechtsstaatlichen Grundsätzen entfernten. "Wir müssen wachsam sein, dass die türkische Regierung kein politisches System einführt, das sich von der Demokratie abwendet", sagte auch Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault. Das Vorgehen gegen Regierungsgegner dürfe nur im Rahmen des Rechtsstaats erfolgen und nicht "zu autoritärer Herrschaft" führen.

Kritik an Erdogans Vorgehen kam auch aus dem Europaparlament: Die Türkei bleibe ein "wichtiger Partner", etwa im Wirtschaftsbereich und in der Flüchtlingskrise, erklärte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), auf Twitter. Die Beziehungen zu Ankara müssten aber "jetzt auf den Prüfstand, bevor sie weiterentwickelt werden".

EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei derzeit unmöglich?
Wenn Erdogan die Situation ausnutze, "um weitere Verfassungsrechte einzuschränken, dann werden die Beitrittsverhandlungen schwierig bis unmöglich", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU), am Montag dem "Handelsblatt". Die Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt laufen seit Oktober 2005. Im Zuge der Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise wurden die Gespräche seit November vergangenen Jahres auf zwei weitere Verhandlungsbereiche ausgeweitet.

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