"Vorbild für Frauen"

Saudi-Minister streut Kanzlerin Merkel Rosen

Ausland
01.05.2017 08:11

Saudi-Arabien gilt als eines der Länder mit den massivsten Einschränkungen bei Frauenrechten. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel weilt zurzeit auf heikler Auslandsmission in der Ölmonarchie, um etwa über die schlechte Menschenrechtslage in dem Land zu diskutieren. Die saudischen Politiker sind offenbar um ein entspanntes Gesprächsklima bemüht und streuen dem Gast Rosen: "Merkel ist eine Art Star, ein Vorbild für alle saudischen Frauen. Sie inspiriert weibliche Führungskräfte oder die Mädchen, die es noch werden wollen, mit ihrer Karriere, aber auch mit ihren Werten", sagte etwa der saudische Vizewirtschaftsminister Mohammad Al Tuwaijri.

"Ohne Frauen kann Saudi-Arabien gar nicht mehr funktionieren", ließ Al Tuwaijri am Sonntag in einem Interview mit "Spiegel Online" aufhorchen. Die Zeiten, wo man Frauen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen habe, seien endgültig vorbei. "Niemand kann sich das mehr leisten", so Al Tuwaijri weiter. Das Land müsse schnell entsprechende Reformen umsetzen. Ein Vorbild für die neue Rolle der Frau in Saudi-Arabien sei Merkel. "Sie ist jemand, der die Idee von Demokratie verbreitet, das kommt hier in Saudi-Arabien an".

Saudischen Frauen ist das Autofahren untersagt
Diese Aussagen kommen wahrlich überraschend, wo doch in Saudi-Arabien Frauen als Menschen zweiter Klasse gelten. Der Wahhabismus - eine der konservativsten Strömungen des sunnitischen Islam - unterwirft Frauen strengen Regeln. Ohne die Genehmigung eines männlichen Vormundes dürfen sie etwa nicht reisen oder heiraten. Auch Autofahren ist ihnen untersagt. In der Öffentlichkeit treten sie meistens nur verschleiert auf. "Es wird noch Jahre brauchen, bis Frauen die gleichen Rechte wie Männer in Saudi-Arabien haben", sagte ein Vizegouverneur aus der saudischen Region Dschiddah.

Merkel: "Von Gleichberechtigung noch weit entfernt"
Sie werde die "großen Defizite" bei Menschenrechten in Saudi-Arabien ansprechen, betonte Merkel vor Gesprächen mit dem Innen- und dem Verteidigungsminister. Gerade was die Todesstrafe anbelange, "werden wir natürlich auch an dem dicken Brett der Menschenrechte bohren", sagte Merkel am Sonntag nach einem Treffen mit dem saudischen König Salman in der Hafenstadt Dschidda. Zugleich lobte sie nach einem Treffen mit Unternehmerinnen in Dschidda, dass es in dem streng konservativen Land immerhin erste Schritte der Liberalisierung gebe. Von einer Gleichberechtigung wie in Europa sei das Land aber noch weit entfernt.

Inhaftierungen und Hinrichtungen von Regierungskritikern
Immer wieder kommt es in Saudi-Arabien zu Inhaftierungen und Hinrichtungen von Regierungskritikern und Aktivisten. Vor allem die drakonischen Strafen werden international scharf kritisiert. Für besonders großes Aufsehen sorgte weltweit der Fall des Bloggers Raif Badawi, der wegen Beleidigung des Islam zu 1000 Peitschenhieben verurteilt worden war.

Amnesty International beklagte unlängst die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. "Wir sehen einen negativen Trend", sagte Nahost-Experte Rene Wildangel der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist mittlerweile so, dass fast alle Menschen in Saudi-Arabien, die sich für die Menschenrechte einsetzen oder kritisch äußern, im Gefängnis sitzen." Die Zahl der Hinrichtungen stieg Berichten zufolge auf mehr als 150 Exekutionen in den vergangenen beiden Jahren an. Unter Diskriminierung leiden die schiitische Minderheit im Osten des Landes sowie die Millionen ausländischen Arbeitskräfte.

Wirtschaftskooperationen zwischen Berlin und Riad
Merkel geht es bei ihrem Besuch in Saudi-Arabien auch um eine Intensivierung der Wirtschaftskooperationen zwischen Berlin und Riad. "Saudi-Arabien ist sehr daran interessiert, dass die deutsche Wirtschaft hier auch ihren Beitrag leistet", sagte Merkel. Das Königreich stehe angesichts des Ölpreisverfalls vor der Aufgabe, neue Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Deshalb seien seitens der deutschen Wirtschaft wichtige Abmachungen mit dem Königreich unterschrieben worden. So soll der Siemens-Konzern einer Absichtserklärung zufolge in Saudi-Arabien beim Vorantreiben des groß angelegten Wirtschaftsprogramms helfen.

Saudi-Arabien verzichtet auf deutsche Waffenlieferungen
Nach "Spiegel"-Informationen will das autokratisch geführte Königreich künftig auch keine Waffenlieferungen aus Deutschland mehr beantragen. Al Tuwaiji erklärte, sein Land werde der deutschen Regierung "keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen". Merkel dazu: "Wir haben sehr strikte Exportrichtlinien für den Export von Waffen." Das habe in der Vergangenheit durchaus zu Unverständnis in Saudi-Arabien geführt.

Saudische Militärkräfte werden in Deutschland ausgebildet
Stattdessen verwies Merkel am Sonntag auf das geschlossene Abkommen beider Verteidigungsministerien für die Ausbildung saudischer Militärkräfte in Deutschland. "Wir können nicht überall auf der Welt deutsche Soldaten haben, aber wir können sehr wohl unser Know-how weitergeben", sagte sie. Deutschland unterstütze, dass Länder zunehmend selber "den Kampf auch durchführen können".

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