Konflikt um Steuern

Risse in Koalition: Zeichen auf Neuwahlen im Mai

Österreich
23.01.2017 16:51

Seit dem Wochenende kursiert in Regierungskreisen erstmals ein möglicher Termin für vorgezogene Nationalratswahlen. Genannt wird der 21. Mai. Ob es sich dabei um einen Teil des Nervenkriegs zwischen den Koalitionsparteien oder um tatsächliche Planungen in den Zentralen von SPÖ und ÖVP handelt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Tatsache ist, dass bei den Verhandlungen über den von Bundeskanzler Christian Kern vorgelegten "Plan A" und den von Finanzminister Hans Jörg Schelling präsentierten "Plan B" die tiefen Risse in der Koalition immer deutlicher werden.

Parallel zu den Verhandlungen über die Reformpläne besprechen die Berater und Manager in den Zentralen der Regierungsparteien die Argumente, die für oder gegen eine Vorverlegung der Neuwahlen sprechen. In der folgenden Auflistung werden die Erklärungen für einen früheren Wahltermin mit einem Pluszeichen gekennzeichnet. Die Begründungen, die gegen vorzeitige Wahlen sprechen, mit einem Minuszeichen.

+ Zentraler Grund für vorzeitige Neuwahlen sind die Zweifel in der Regierung, dass es gelingt, die Reformpläne der Öffentlichkeit gegenüber auch glaubwürdig und längerfristig darstellen zu können.

+ In den vergangenen Tagen haben die Verhandlungsteams von SPÖ und ÖVP nur in wenigen Bereichen weitgehende Übereinstimmung auch in den Details der Umsetzung von Kerns "Plan A" und Schellings "Plan B" erzielen können. Im Gegenteil. Zuletzt sind sogar neue Schwierigkeiten aufgetaucht, wie die "Krone" unlängst in einem Faktencheck berichtete. Etwa bei einem Konzept von Schelling zur Bewältigung der "kalten Progression".

+ Ein wesentlicher Streitpunkt zwischen SPÖ und ÖVP ist der Bereich der "neuen Steuern", wie ein Kern-Punkt zur Finanzierung des Programms des Kanzlers vorgesehen ist. Das stößt beim Finanzminister auf völlige Ablehnung. Schellings Linie war und ist ganz einfach: "Mit mir wird es keine neuen Steuern geben." Mit dieser Finanzierungsfrage wird allerdings ein wesentlicher Baustein aus dem "Plan A" des Regierungschefs entfernt.

+ Ein in dieser Koalition kaum lösbares Konfliktfeld bleibt das Sicherheitsthema. Kern ist hier zwar für sehr weitgehende Maßnahmen, aber weist stets auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen hin. Die ÖVP drängt hingegen auf immer schärfere Maßnahmen.

Allerdings gibt es für die Regierung auch wesentliche Argumente, die gegen vorverlegte Neuwahlen bereits im Mai sprechen.

- Die größte Sorge der Regierungsparteien ist die derzeitige Situation bei den Umfragen. Da steht die SPÖ bei 28 Prozent, die ÖVP bei 19 Prozent, die FPÖ liegt wie schon seit Monaten mit 34 Prozent klar in Führung.

- Ebenfalls gegen ein vorzeitiges Ende der Koalition spricht, dass dann damit das "Modell Große Koalition" für längere Zeit kaputt ist.

- Am meisten beschäftigt die Parteimanager die Frage, mit welcher Begründung man dem Wähler erklären will, dass die Regierung vorzeitig beendet werden muss. Zu sagen, dass man gemeinsam nichts mehr erreichen könne, wäre dann zwar ehrlich, aber lässt wenig Zustimmung erwarten.

Kommentar von Claus Pándi: Tage der Entscheidung
Eine Binsenweisheit des politischen Alltagsgeschäfts lautet: Wer Wahlen vom Zaun bricht, wird dafür vom Wähler bestraft. Zuletzt haben sich schlaue Politologen der Niederlage von Norbert Hofer im Rennen um die Hofburg als Beispiel für diese Theorie bedient. Also dass die FPÖ die Rechnung für das Anzetteln der Stichwahl bekommen hätte.

Dann gibt es noch regelmäßig Umfragen mit auf den ersten Blick widersprüchlich wirkenden Ergebnissen. So sind rund 70 Prozent der Bevölkerung mit der Arbeit der Regierung nicht besonders zufrieden. Aber eine knappe Mehrheit spricht sich dennoch gegen eine Vorverlegung der Nationalratswahlen aus. Möglicherweise will man lieber eine Regierung, über die man schimpfen kann, statt durch Neuwahlen in unsichere Zeiten zu gehen. Ganz nach dem pessimistischen Spruch, dass nichts Besseres nachkomme.

Was an diesen ganzen Thesen und Studien wirklich dran ist, weiß letztlich ohnehin keiner. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass mit jedem Tag, an dem sich die Regierungsparteien wechselseitig tatsächliche oder erfundene Schmutzgeschichten unterstellen, das Publikum die Freude an dieser Koalitionsshow verliert.

Bundeskanzler Christian Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und hinter den Kulissen Außenminister Sebastian Kurz stehen vor schwierigen Tagen. Sie müssen entscheiden, wie sie ihrer großen Verantwortung für die Republik am ehesten gerecht werden können.

Claus Pándi, Kronen Zeitung

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