Konzerne am Pranger

Osteuropäer wollen keinen "Lebensmittel-Müll" mehr

Wirtschaft
27.02.2017 15:44

Seit Jahren erheben Verbraucherschützer den Vorwurf, dass die in den Supermärkten der neuen EU-Mitgliedsländer in Zentral- und Osteuropa angebotenen Lebensmittel von schlechterer Qualität seien als etwa in Deutschland oder Österreich. Polen, Tschechen, Slowaken und Ungarn wollen sich diese Praxis nicht länger gefallen lassen und gemeinsam dagegen vorgehen. Sie fordern nun die EU-Kommission auf, eine rechtliche Lösung gegen diese Diskriminierung zu finden.

Die Rede ist von "Doppelstandards", die man nun mit einer Initiative beenden möchte, die zunächst im Rahmen der Visegrad-Gruppe (Ungarn, Slowakei, Tschechien und Polen) diskutiert und anschließend auch auf EU-Ebene gehoben werden soll. Bisher gebe es in der EU nämlich keine Rechtsgrundlage, um wegen Qualitätsunterschieden bei Lebensmitteln gegen Großunternehmen vorzugehen.

Budapest: "Multis am besten aus dem Land werfen"
Im Hintergrund der Initiative steht die Kritik an Lebensmittelproduzenten, sie würden den Konsumenten in Osteuropa Markenprodukte mit erheblichen Qualitätsunterschieden zu den gleichen im Westen angebotenen Produkten verkaufen. Ungarn wolle nicht länger zusehen, wie multinationale Konzerne versuchen, den Ungarn "Lebensmittel-Müll" zu verkaufen, kritisierte Staatskanzleiminister Janos Lazar Mitte Februar nach der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichtes der Nationalen Lebensmittelaufsichtsbehörde und sprach vom größten Skandal der letzten Zeit. Lazar hatte bereits 2016 erklärt, dass man diese "Multis am besten aus dem Lande werfen sollte", erinnerte die Internetzeitung "Pester Lloyd". Ungarn brauche diese Handelsketten nicht, damit sie "den ganzen europäischen Müll ins Land holen", den man anderswo nicht loswerde.

Produzenten berufen sich auf lokale Geschmäcker
Die ungarische Lebensmittelbehörde hatte 24 Produkte aus ungarischen und österreichischen Läden verglichen und Unterschiede beim Geruch und der Zusammensetzung gefunden. Der Milchreis von "Landliebe" etwa sei in Österreich "cremiger", die Marzipanschokolade von Ritter Sport "zarter" und Nutella schmecke im Westen "schokoladiger" als in Ungarn, die Knorr-Nudelsuppe aus dem Packerl enthalte doppelt so viele Fleischbällchen wie in Ungarn, die Manner-Schnitten seien "knuspriger". Der ungarische Markenverband bezeichnete den Bericht der Behörde als subjektiv. Die Unterschiede könnten wegen unterschiedlicher Lagerung, abweichender Verbrauchersitten oder durch die Verfallsdaten entstehen, hieß es in einer Aussendung. Die Hersteller wiederum beriefen sich hinsichtlich der Unterschiede auf lokale Traditionen und Geschmäcker.

Unterschiede bei Aussehen, Textur und Zusatzstoffen
In der Slowakei sorgten in der vergangenen Woche ähnliche Ergebnisse eines Vergleichstest des Landwirtschaftsministeriums für Wirbel. Lebensmittelinspektoren hatten insgesamt 22 Produkte aus österreichischen und slowakischen Läden verglichen. Nur neun der getesteten gleich verpackten Produkte hatten tatsächlich die gleiche Zusammensetzung. "Wir haben Unterschiede beim Fleischinhalt festgestellt sowie beim Anteil des festen Bestandteils im Käse. Unterschiede gab es auch beim Aussehen, der Farbe, der Textur und beim Geschmack, ebenso beim Gehalt von Konservierungs- und Zusatzstoffen", beklagte Ministerpräsident Robert Fico.

Das Argument der Lebensmittelkonzerne, dass Verbraucher in neuen EU-Ländern einen anderen Geschmack bevorzugen würden, wollte die slowakische Landwirtschaftsministerin Gabriela Matecna nicht gelten lassen. "Der Verbraucher erwartet ja nicht, dass er im gleichen Produkt mehr künstliche Farb- und Süßstoffe, mehr E-Nummern und dafür weniger Fleischinhalt haben wird. Es geht dabei oft um Zusatzstoffe, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben," sagte sie. Verbraucher hätten Anspruch auf eine gleiche Qualität derselben Marke, unabhängig davon, aus welchem Land die Produkte stammten und wo sie verkauft würden.

EU-Kommission: Regionale Unterschiede sind zulässig
Nach einer ähnlichen Initiative der neuen EU-Länder vor einigen Jahren hatte die EU-Kommission damals lediglich erklärt, wenn die Verpackung tatsächlich das enthalte, was auf ihr angegeben sei, handle es sich nicht um eine Irreführung der Verbraucher. Regionale Unterschiede gleicher Produkte derselben Marken seien zulässig.

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