Als Baby vertauscht

“Mama, melde dich, du wirst bald Oma!”

Österreich
24.01.2016 00:01

Ihre Lebensgeschichte bewegt ganz Österreich: Vor 25 Jahren wurde die Steirerin Doris Grünwald als Baby in der Grazer Universitätsklinik vertauscht. In der Samstag-"Krone" sprach sie gemeinsam mit ihrer "falschen" Mutter Evelin (50) erstmals über den Moment, als sie von der Verwechslung erfuhren, warum sie dem Vater lange nichts davon erzählten - und weshalb sich an ihrer innigen Beziehung auch weiterhin nichts ändern wird. Im zweiten Teil des großen Interviews mit Redakteurin Barbara Winkler geht es aber auch um ein süßes Geheimnis...

"Krone": Frau Grünwald, Ihr Baby kam am 31. Oktober 1990 um 19.19 Uhr im Uniklinikum Graz zur Welt. Es musste aufgrund von Komplikationen per Kaiserschnitt geholt werden. Weil Sie eine Vollnarkose bekommen haben, fehlen Ihnen etwa 20 Stunden. Genug Zeit für eine Verwechslung...
Evelin Grünwald: Richtig. In diesem Zeitraum müssen die zwei Neugeborenen vertauscht worden sein. Danach ist dies für mich ausgeschlossen.

"Krone": Nachdem der folgenschwere Fehler kürzlich an die Öffentlichkeit gekommen ist, ging das LKH in die Offensive. Man bietet jetzt Interessierten zur Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse einen kostenlosen DNA-Test an. 200 Frauen kommen laut Spital infrage. Sie sagen, es müssen weit weniger sein, weshalb?
Evelin Grünwald: Weil mein Kind ein Frühchen war und nur 1,80 Kilo bei der Geburt wog. Ich kann mich nicht an viele andere Frühchen auf der Station erinnern.

"Krone": Doris, Sie werden jetzt selber Mama, sind in der 16. Woche schwanger. Hat das Ihren Wunsch nach einem Kennenlernen ihrer biologischen Mutter verstärkt?
Doris Grünwald: Anfänglich wollte ich das gar nicht, die 'Andere' treffen. Aber je mehr Zeit vergangen ist, desto größer wurde der Wunsch.

"Krone": Was interessiert Sie, was wollen Sie wissen?
Doris Grünwald: Ich bin einfach neugierig auf mein 'Gegenstück'. Wie schauen die Frauen denn aus, wo kommen sie her? Habe ich vielleicht noch Geschwister? Außerdem: Es kann ja sein, dass man aus gesundheitlichen Gründen einmal etwas voneinander braucht. Alleine deshalb wäre ich über ein Kennenlernen schon dankbar. Meine Schwangerschaft hat den Wunsch sicherlich nochmals verstärkt, ja.

"Krone": Weshalb?
Doris Grünwald: Es geht jetzt nicht mehr nur um mich, sondern auch um mein ungeborenes Kind. Gibt es vielleicht Erbkrankheiten, von denen ich wissen sollte. Das ist schon wichtig für mich!

"Krone": Was sagen denn Sie dazu, Evelin?
Evelin Grünwald: Ich könnte auch ohne diese Information gut weiterleben. Aber wenn meine Tochter wissen möchte, woher sie kommt, dann unterstütze ich sie natürlich bei der Suche. Die Bindung, die wir haben, ist ja sowieso einzigartig, die werden wir nie mit einem anderen Menschen haben können.

"Krone": Macht Ihnen der Gedanke an das familiäre Gegenstück gar nicht Angst?
Evelin Grünwald: Nein, überhaupt nicht. Man könnte ja im Idealfall ein weiteres Kind dazugewinnen. Vielleicht trifft man sich manchmal, wenn das für alle passt. Oder auch nicht, es muss ja nicht sein.

"Krone": Wissen Sie, Doris, eigentlich schon, was es wird?
Doris Grünwald: Nein, nächste Woche könnten wir es uns sagen lassen, wollen wir aber nicht. Wir lassen die Zukunft auf uns zukommen...

Die "Krone"- und krone.at-Redaktion sowie unsere Leserfamilie wünschen für die Suche und die weitere Zukunft alles Gute!

"Ein juristischer Super-GAU"
Die Verwechslung zweier Babys vor 25 Jahren in Graz wirft auch viele juristische Fragen auf. Präzedenzfälle fehlen weitestgehend, weshalb Österreichs führende Familienrechtler die heikle Angelegenheit als "juristischen Horror" bezeichnen. "Krone"-Redakteurin Barbara Winkler sprach mit dem Anwalt der beiden betroffenen Frauen, Gunther Ledolter von der Grazer Kanzlei Rath & Partner, über die Einzigartigkeit dieses dramatischen Schicksalsfalles.

"Krone": Durch einen Zufall kam heraus, dass Doris und Evelin Grünwald nicht miteinander verwandt sind. Welche rechtlichen Folgen hat das?
Gunther Ledolter: Rechtlich gesehen sind die beiden als Fremde zu betrachten, es gibt somit weder unterhalts- noch erbrechtliche Ansprüche. Um dieser unerwünschten Situation einen rechtlichen Rahmen zu geben, müsste Doris Grünwald adoptiert werden. Dadurch bestünde zumindest zwischen den Betroffenen ein gesetzliches Erbrecht. Der Schritt der Adoption ist auch beabsichtigt.

"Krone": Doris Grünwald möchte ihre biologische Mutter finden. Kann sie jemanden zum DNA-Test zwingen?
Ledolter: Wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass bestimmte Personen ihre leiblichen Eltern sein könnten, könnte Frau Grünwald versuchen, dies in einem Außerstreitverfahren zu klären.

"Krone": In Frankreich gab es einen ähnlichen Fall, da musste die Klinik den Betroffenen Millionen bezahlen. Auch für Österreich denkbare Summen?
Ledolter: Zur Frage der Höhe des Schadenersatzes gibt es bis dato keinerlei Rechtssprechung in Österreich. Die seelische Belastung wird als Körperverletzung gewertet und mit Schmerzensgeld abgegolten. Beträge wie in Frankreich entsprechen aber eher nicht der österreichischen Judikatur.

"Krone": Glauben Sie, dass die zweiten Betroffenen, die ja ebenso Schadenersatz fordern können, gefunden werden?
Ledolter: Ich hoffe, das gelingt. Die Chance gibt es bestimmt.

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