Überfall in Rio

“Krone”-Sportchef: Dialog mit dem Messer-Räuber

Sport
07.08.2016 18:56

Es ist eine der seltsamen Begegnungen, über die man nicht so freudig spricht. Und schon gar nicht schreibt. Welcher Mann gibt schon gerne zu, dass er Angst hatte? Schauplatz Copacabana. Uhrzeit zirka 1.30 Uhr nachts. Nach der Eröffnungsfeier.

Nachdem ich mich von meinen "Krone"-Kollegen verabschiedet hatte, die in einem anderen Hotel wohnen, wollte ich in meines gehen: mit einer Laptop-Tasche leicht sichtbare Beute für die Gestalten, über die man hier in den letzten Tagen so viel gehört und gelesen hat. Die Olympia-Gangster von Rio.

Plötzlich Schritte hinter mir. Leises Hüsteln. Reflexartig drehe ich mich um und blicke in ein gehetzt wirkendes Gesicht. Vielleicht 30 Jahre auf dieser Welt. Gar nicht so ungepflegt. Arme schmächtig. Aber in einer Hand ein Messer.

Keine Ahnung, warum, aber aus mir sprudelt es wie von der Tarantel gestochen mit unsicherer Stimme: "I'm from Austria." Völlig lächerlich im Nachhinein. Hätte mich meine Herkunft vielleicht schützen sollen?

"I'm from here", kommt sofort eine Antwort, die verwunderlich ist: Denn wenn das Englisch auch ziemlich gebrochen klingt, erinnert es zumindest entfernt an diese Sprache. Eine Seltenheit für einen Brasilianer. Und so entwickelt sich ein Dialog mit dem Räuber.

"You want to kill?", frage ich. Irgendwie seltsam, wie die Furcht die Zunge führen kann. Dumme Frage natürlich. "I want money. And bag." "Yes. You speak english. Why?" "I was teacher", meint er plötzlich und erzählt in Wortfetzen von seinem Abstieg als Lehrer. Entlassen. Wohnung weg. Freundin auch. Jetzt Favela. Also Elendsviertel. Olympia gut. Weil Touristen da. Alle aus seiner Gegend sind jetzt an der Copacabana. Gut jetzt. Für ihn. Und die anderen.

Schlecht für mich. "Good. Olympic good." Plötzlich steckt er aber das Messer weg und läuft davon. Es gibt eigentlich keinen Grund dafür. Ich starte jedenfalls mit all den geretteten Habseligkeiten in die andere Richtung los. Schneller. Immer schneller. Furcht kann auch beflügeln.

Bis zum Windsor-Hotel, wo wegen der hohen IOC-Funktionäre viele Polizisten stehen. Ich rede einen keuchend an. Er spricht natürlich nicht Englisch. Versteht mich in Rio nur mein Messer-Räuber? Sinnlos! Ich biege in eine finstere Gasse ab, wo meine kleine Herberge steht. Im Zimmer angekommen, schreibe ich dann alles auf - man ist ja Journalist. Aber es ist auch eine Therapie für die zitternden Hände.

Warum rannte der Mann weg? Sah er etwa das Blaulicht in der Ferne? Oder ist er kein wirklicher Böser? Vielleicht Mitleid mit mir? Egal: Ich bin froh, diesen olympischen Dialog nie wieder führen zu müssen. Hoffentlich zumindest! Decke über den Kopf und besser nichts träumen.

Gute Nacht.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

(Bild: KMM)



Kostenlose Spiele