Präsident gnadenlos

Kein Tee für Erdogan: Kantinenchef verhaftet

Ausland
26.12.2016 18:15

Der Kantinenbetreiber der regierungskritischen türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet" ist Medienberichten zufolge verhaftet worden. Grund sei eine Aussage des Mannes gewesen, wonach er Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan keinen Tee servieren würde, berichtete "Cumhuriyet" am Montag. Senol Buran werde demnach "Beleidigung des Staatschefs" vorgeworfen. Er sei am Sonntag in Untersuchungshaft genommen worden.

Buran wurde dem Bericht zufolge von einem der Polizisten angezeigt, die für die Sicherheit des Redaktionsgebäudes in Istanbul zuständig sind. Dessen Angaben zufolge soll er gesagt haben, dass er Erdogan keinen Tee servieren würde, falls der Staatschef in die Redaktion käme.

In einer ersten Befragung wies Buran laut "Cumhuriyet" den Vorwurf der Präsidentenbeleidigung zurück. Er sei aber zu seiner Aussage gestanden, dass er Erdogan keinen Tee servieren würde. Auf Präsidentenbeleidigung stehen in der Türkei bis zu vier Jahre Haft. Seit Erdogan im August 2014 das Amt des Staatschefs übernahm, wurden schon fast 2000 Verfahren unter diesem Vorwurf in Gang gesetzt.

Mehrere "Cumhuriyet"-Mitarbeiter in Haft
"Cumhuriyet" gehört zu den wenigen verbliebenen regierungskritischen Zeitungen der Türkei. Zehn Mitarbeiter des traditionsreichen Blattes sitzen seit November wegen Terrorismusvorwürfen in Untersuchungshaft. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach den Festnahmen im November Zweifel geäußert, dass das Vorgehen gegen die Zeitung rechtsstaatlichen Maßstäben entspreche. "Die Journalisten können sich unserer Solidarität bewusst sein", sagte sie damals.

Der ehemalige "Cumhuriyet"-Chefredakteur Can Dündar, der in der Türkei wegen angeblichen Geheimnisverrats zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde, hält sich seit kurz nach dem Putschversuch im Juli in Deutschland auf. Er bezeichnete die Türkei mehrfach als islamische Diktatur, in der "Gesetzeslosigkeit" herrsche.

500 verdächtige Personen in U-Haft
Die türkischen Sicherheitsbehörden haben allein in der vergangenen Woche mehr als 1600 Menschen unter dem Verdacht vorgeladen, Kontakte zu Extremistenorganisationen zu unterhalten. Mehr als 500 von ihnen seien in Untersuchungshaft genommen worden, teilte das Innenministerium am Montag mit. Den meisten Betroffenen würden Verbindungen zur verbotenen Organisation des in den USA lebenden Predigers Fetullah Gülen vorgeworfen.

Die Operationen zwischen dem 19. und dem 26. Dezember seien gegen die Gülen-Bewegung (426 Haftbefehle), die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans, PKK (78 Haftbefehle), und die Terrormiliz Islamischer Staat (zwölf Haftbefehle) gerichtet gewesen. Bei Gefechten mit der PKK seien zudem vier Terroristen getötet und fünf weitere gefangen genommen worden. Das Ministerium teilte weiter mit, 1960 illegale Migranten seien gefasst worden, 419 von ihnen auf See. 29 Schlepper seien festgenommen worden, gegen 13 sei Haftbefehl erlassen worden.

Insgesamt mehr als 35.000 Verhaftungen
Seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli geht Erdogan noch schärfer gegen seine Kritiker vor. Rund 35.000 Menschen wurden bisher verhaftet, Zehntausende weitere wurden aus dem Staatsdienst entlassen. Im Frühjahr will sich Erdogan per Volksentscheid die von ihm lange angestrebte Verfassungsreform absegnen lassen, die ihm weit mehr Macht als bisher einräumt und ihn für mehr als zehn Jahre als türkischen Präsidenten installieren soll.

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