"Krone"-Interview

Kann Trump es noch schaffen, Frau von Damm?

Ausland
05.11.2016 16:00

Die leidenschaftliche Republikanerin und enge Vertraute des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, Helene von Damm, spricht mit Conny Bischofberger über den derben Wahlkampf, zwei angepatzte Kandidaten und ihr Treffen mit Ivana Trump.

Als wir uns zum Interview in ihrer Dachterrassenwohnung unweit der legendären "Bonbonniere" im 1. Wiener Gemeindebezirk treffen, packt Helene von Damm gerade ihren Koffer. "Ich fliege nach Washington", verkündet die 78-Jährige ganz vergnügt, "und werde den Abend der Entscheidung in der Residenz des österreichischen Botschafters verbringen." Wolfgang Waldner hat die ehemalige US-Boschafterin in Österreich und einige Kollegen aus ihrer Zeit im Weißen Haus für den Wahlabend zu sich eingeladen. "Von denen wählt der eine Hillary Clinton, der andere Donald Trump, der dritte Johnson und einige gehen gar nicht mehr zur Wahl. Ein Zeichen dafür, wie gespalten die Republikaner sind", sagt Helene von Damm und serviert Schokogugelhupf, dazu Melange mit geschäumter Milch. Im Eingangsbereich zur Küche steht eine Statue von Jazzlegende Louis Armstrong, den Spiegel im Foyer säumen zwei Flaggen - die der Vereinigten Staaten von Amerika und die österreichische.

Das Deutsch der gebürtigen Niederösterreicherin, seit ihrer Auswanderung nach Amerika vor mehr als 50 Jahren US-Staatsbürgerin und somit noch immer wahlberechtigt, erinnert an das von Arnold Schwarzenegger. Mit Sorge hat die leidenschaftliche Republikanerin den derben Wahlkampf verfolgt. Und ist erstaunt, wie ein Kandidat mit den Manieren von Donald Trump es in der Traditionspartei von Abraham Lincoln so weit bringen konnte.

"Krone": Ein besonders schmutziger Wahlkampf geht zu Ende. Hat Sie das Niveau überrascht?
Helene von Damm: Sehr. Es hat mir auch wehgetan. Die Art der Auseinandersetzung war eine Blamage für Amerika in der Welt, das hätten wir uns wirklich ersparen sollen.

Fühlen Sie sich denn als Amerikanerin?
Politisch auf jeden Fall.

Sind Sie noch stolz, Republikanerin zu sein?
Die republikanische Partei war immer eine konservative, pragmatische Partei mit starkem Fokus auf Außenpolitik. Aber immer bereit, mit den Demokraten im Gespräch zu bleiben. Seit den Tea Partys hat sich das geändert. Seit sie das Sagen haben, haben die Republikaner alles blockiert. Das ist in einer Demokratie nicht vertretbar. Ich warte also, bis in der Partei wieder Vernunft einkehrt.

Wann war der Bruch?
Ich habe schon bei den letzten beiden Wahlen für die Demokraten gestimmt. Auch diesmal hab ich mir einen doppelten Whisky eingeschenkt und Hillary Clinton meine Stimme gegeben.

Also war es doch eine Überwindung?
Nein, weil sie hoch qualifiziert ist, eine sehr erfahrene Politikerin. Ich finde die Vorbehalte, die viele gegen sie haben, ziemlich unfair. Manchmal fehlt ihr vielleicht das Fingerspitzengefühl. Bedenken habe ich auch, weil sie außenpolitisch wahrscheinlich aggressiv agieren würde. Aber Trump ist unwählbar.

Was hat Sie an Trumps Sagern am meisten empört?
Dass alle Mexikaner Vergewaltiger sind, einfach unglaublich! Dass er Hillary ins Gefängnis stecken wird, wenn er Präsident wird, oder dass die Wahlen gekauft sind. Auch das Video, in dem er Deutschland als islamischen Staat bezeichnet, ist furchtbar. Ich bin sprachlos.

Kann es Trump trotzdem noch schaffen?
Ja, das schon. Weil es noch immer sehr viele Wähler gibt, die unentschlossen sind. Ich denke, dass es sehr knapp werden wird und dass alles drin ist. Aber eins ist klar: Beide Kandidaten sind schwer beschädigt. Egal ob Trump gewinnt oder Clinton: Sowohl über den einen als auch über die andere denken Millionen von Menschen schlecht. Es ist furchtbar, als Präsident oder als Präsidentin so zu beginnen.

Warum hat es Trump so weit gebracht?
Weil Leute, die sich Sorgen machen über gewisse Dinge, einfach keinen Ansprechpartner mehr haben. Trump hat sich auf diese Unzufriedenen konzentriert, und Unzufriedene gibt es sehr viele. Da muss sich die Politik in Zukunft schon was einfallen lassen - übrigens auch in Österreich.

Wird es eine böse Überraschung geben, falls Trump gewinnen sollte?
Ich denke nicht, dass man Angst haben muss. Amerika hat schon Bürgerkriege und Sklaverei überlebt, es wird auch einen Donald Trump als Präsidenten überleben. Der kann ja nicht einmal einen Minister bestellen ohne den Senat.

Sie kennen ja diesen Trump persönlich. Was ist er für ein Mensch?
Mein Gott, das ist 30 Jahre her. Damals war er sehr selbstbewusst und auch durchaus charmant. Aber total normal. Keine Ahnung, was mit dem Menschen passiert ist. Ich habe seine Exfrau Ivana im April getroffen. "Kannst du ihn nicht ein bisschen bändigen?", habe ich sie gefragt. Ihre Antwort war: "Nein, ihn kann nichts und niemand bändigen." Dabei haben ihre drei gemeinsamen Kinder alle einen ausgezeichneten Ruf.

Was würden Sie ihm sagen, wenn er jetzt zur Tür hereinkäme?
Ich würde ihn fragen: "Sag einmal, Donald, was ist bloß in dich gefahren?" Ich meine, am Anfang dachten wir doch alle, das sei ein harmloser Clown, der seine Fernseherfahrung nutzt und sich eine Hetz draus macht zu provozieren. So hat er die untere Mittelklasse angesprochen. Er hat sie unterhalten, als wäre der Wahlkampf eine TV-Show. Aber als er dann die ersten Vorwahlen geschafft hat, ging das so weiter. Er hat einfach nicht mehr aufgehört.

Trump wurde als "Held der zornigen Weißen" bezeichnet. Können Sie das unterschreiben?
Überhaupt nicht. Wieso sollte jemand in Amerika zornig sein? Es gibt dort weder eine Finanz- noch eine Flüchtlingskrise. Die Arbeitslosenquote beträgt gerade einmal fünf Prozent. 2015 ist das Durchschnittseinkommen um mehr als fünf Prozent gestiegen. Natürlich macht sich die Arbeiterklasse Sorgen um ihre Zukunft, aber Zorn halte ich wirklich für überzogen.

Trump in Video: "Clinton wäre eine gute Präsidentin"

Frau von Damm, Sie haben es als ehemalige Handelsschülerin aus Niederösterreich ins "White House" geschafft. Wie?
Mir fallen nur Schlagworte ein. Abenteuerlust, Risikofreude, harte Arbeiterin. Zufälle, etwas Glück.

Ist Ihnen der "American Dream" gelungen?
Es sieht so aus. Aber ehrlich gesagt kommt mir das eigenartig vor. Je älter ich werde, desto mehr staune ich manchmal über mich selbst. (lacht)

Was ist Ihre prägendste Erinnerung an Ronald Reagan, für den Sie fast 20 Jahre gearbeitet haben?
Er war einfach ein fabelhafter Mensch. Das hat man an kleinen Dingen gemerkt. Einmal warnte ihn jemand vor Bettlern. Er gab ihnen trotzdem etwas und meinte: "Allein dafür, dass sie so tief gefallen sind, verdienen sie es, ein bisschen Geld zu bekommen."

Hatte seine Frau Nancy Grund, eifersüchtig auf Sie zu sein?
Aber nein. Ich vermute, sie war es trotzdem. Zum Beispiel als ich 1983 US-Botschafterin in Wien wurde. Sicher dachte sie sich: Warum soll diese kleine österreichische Immigrantin jetzt auch noch eine Exzellenz werden? Sie hat mich nach meiner Hochzeit mit Peter Gürtler als Partygirl hingestellt. Ich hätte den Präsidenten anrufen können, aber ich wollte keinen Streit. Deshalb bin ich eben ein bisschen früher als später als Botschafterin abgetreten.

Wenn Sie Ihr Leben nach der Politik Revue passieren lassen, fehlt Ihnen etwas?
Nein. Ich glaube daran, dass das Leben sich ständig ändern soll. Ich hatte ja das große Glück, nach der Politik super Verträge zu bekommen. Swarovski, ORF, Neumann International. Gerade hat mich Swarovski gefragt, ob ich Stiftungsrätin werden möchte. Da werde ich öfters in London sein. Darauf freue ich mich schon sehr.

Sie werden in eineinhalb Jahren unglaubliche 80. Wie sind Sie so jung geblieben?
Mussten Sie mich unbedingt daran erinnern? (schmunzelt) Ich habe immer so gelebt, wie ich gearbeitet habe: sehr diszipliniert. Ich kann mich nicht erinnern, je ins Bett pro Woche in der Früh zum Pilates-Unterricht. Ich schleppe mich da hin, aber es käme mir nie in den Sinn, nicht zu gehen.

Ihr Lebensgefährte Jürgen Wilke ist im Mai gestorben. Wann vermissen Sie ihn am meisten?
Er fehlt mir sehr. Vor allem die Gespräche. Es war das erste Mal für uns beide, dass wir in einer Beziehung waren, in der sich jeder auf den anderen konzentrieren konnte, denn unsere Karrieren lagen ja hinter uns. Wir haben uns wirklich mitgeteilt.

Sind Sie jemand, der zum Grab geht?
Ja. Ich habe Jürgen ja in Laxenburg begraben lassen, das er so geliebt hat. Und wissen Sie was? Vor Kurzem habe ich beschlossen, unser Familiengrab in Ulmerfeld aufzugeben und mich später einmal auch zu ihm zu legen.

Ihre Karriere
Geboren am 4. Mai 1938 in Ulmerfeld in Niederösterreich. 1959 wandert Helene mit ihrem ersten Ehemann nach Amerika aus, 1966 arbeitet sie im Wahlkampfteam von Ronald Reagan mit und wird Sekretärin des kalifornischen Gouverneurs. In dieser Zeit heiratet sie Christian von Damm, dessen Namen sie noch heute trägt. 1981 folgt sie Reagan ins Weiße Haus, 1983 wird sie US-Botschafterin in Österreich. Zuletzt lebte die US-Staatsbürgerin mit dem Schauspieler Jürgen Wilke zusammen, der im Mai starb.

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