Pühringers Erbe

Ist es schwer, plötzlich die Nummer eins zu sein?

Österreich
01.04.2017 16:43

Vier Tage vor seiner Wahl zum neuen Landeshauptmann von Oberösterreich spricht Thomas Stelzer (50) mit Conny Bischofberger über Licht und Schatten, das Orchester ÖVP, seine Lederhosen und warum er beim Cartellverband den Namen "Wotan" trägt.

Ein sonniger Montagmorgen im sechsten Stock des Linzer Landesdienstleistungszentrums. Hier hat Landeshauptmann-Stellvertreter Thomas Stelzer noch bis kommenden Donnerstag sein Büro, dann übersiedelt der Nachfolger von Josef Pühringer ins historische Landhaus.

Nach 22 Jahren vollzieht sich mit der Wahl des smarten Juristen auch in Oberösterreich ein Wandel innerhalb der ÖVP - in Niederösterreich folgte erst am Samstag vor einer Woche Johanna Mikl-Leitner Erwin Pröll als Parteichefin nach.

An den Wänden: ein Bilderzyklus der oberösterreichischen Malerin Maria Moser und ihrer Tochter Lena Göbel. "Zum ersten Mal stellen zwei der erfolgreichsten heimischen Künstlerinnen hier gemeinsam aus", erklärt Stelzer nicht ohne Stolz. Der Politiker trägt ein weißes Hemd, dazu eine dunkelrote Krawatte. Das Sakko hat er über einen Sessel gehängt.

"Krone": Herr Landeshauptmann …
Thomas Stelzer: Landeshauptmann-Stellvertreter. Ich bin da sehr vorsichtig.

Sie sind lange im Schatten von Josef Pühringer gestanden. Täuscht der Eindruck, oder haben Sie sich dort eigentlich ganz wohlgefühlt?
Ich habe mich bisher wohlgefühlt, nämlich in einem Team, das für die Spitzenpersönlichkeit Josef Pühringer gearbeitet hat, und ich werde mich auch künftig wohlfühlen, wenn ich vorne stehe und Dinge selber vertreten und verantworten muss.

Außerhalb von Oberösterreich kennt kaum jemand Ihren Namen.
Ich glaube, das wird sich mit der Übernahme der neuen Aufgabe rasch ändern. Ich werde mich dann auch bemühen, mehr in Wien zu sein. Wir haben dort eine große, starke Community, viele Oberösterreicher sind bekanntlich in wichtigen, interessanten Positionen.

Keine Angst, auf dem glatten Wiener Parkett auszurutschen?
Nein, wenn man sich gut vorbereitet und mit einer großen Portion Selbstvertrauen hingeht, dann passt das schon.

Apropos Selbstvertrauen: Um Ihren Job sollen Sie sich mit Ihrem Mitbewerber Michael Strugl ein Duell geliefert haben. Wie haben Sie es für sich entscheiden können?
Da wird viel hineingeheimnist und es gibt eine Menge Wortspenden dazu. Tatsache ist: Michael und ich sind seit Studientagen befreundet und darum ist es uns auch gelungen, diese schwierige Phase zu meistern. Wir haben uns das gemeinsam so ausgemacht und daher geht das jetzt auch gut.

Könnte es sein, dass er Ihnen bald abhanden kommt und Reinhold Mitterlehner als Wirtschaftsminister nachfolgt?
Das denke ich nicht. Michael Strugl wird mein starker Stellvertreter sein und Finanzreferent in der ÖVP. Und die Legislaturperiode dauert bis 2021.

Woran wird man merken, dass ab 6. April ein 50-Jähriger die erste Geige spielt?
Hoffentlich am Äußeren. (Lacht.) Wir sind eine neue Generation, mit ganz neuen Herausforderungen wie etwa der Digitalisierung. Mit der sind wir schon großgeworden, die fordert uns ganz anders, und das ist schon einmal ein Unterschied.

Mögen Sie das Bild der ersten Geige?
Nachdem ich als Kind einmal Geige gelernt habe: Ja!

Spielt im "Orchester ÖVP" nicht jeder Bund seine eigene Musik?
Ein Orchester ist dann ein besonders gutes, wenn es starke Musikerinnen und Musiker gibt. Der Dirigent muss halt die Power haben, dass er sie zusammenhält und dass am Ende ein Wohlklang herauskommt.

Haben Sie diese Power?
Sonst würde ich mir das nicht zutrauen.

Ist es schwer, plötzlich die Nummer eins zu sein?
Wenn ich ganz ehrlich bin, ja. Ich konnte mich zwar schon länger darauf einstellen, aber als es dann öffentlich gemacht wurde, habe ich schon gemerkt, dass das jetzt eine sehr große Aufgabe ist, an der sehr viel dranhängt. Landeshauptmann Pühringer hat mir einen guten Übergang ermöglicht. Ich war ja schon sein Stellvertreter in der Regierung. Er hat mir in meinen Ressorts die totale Freiheit gelassen. Wir führen noch immer viele Gespräche. Über Inhalte, aber auch über so manches, das die Persönlichkeit fordert. Also konnte ich mich sehr gut vorbereiten. Aber der Elchtest findet dann statt, wenn es wirklich so weit ist.

Ist es nicht so, dass Pühringer im Hinterkopf immer ein bisschen mitregieren wird?
Es mag schon sein, dass dieses Bild da ist. Wenn ein Langzeitlandeshauptmann abtritt, wird der Nachfolger sicher noch eine Zeit lang verglichen. Das war auch so, als Pühringer auf Ratzenböck folgte. Aber das macht mir keinen Kummer.

Pühringer kannte jeden in Oberösterreich. Werden Sie das auch nur annähernd schaffen?
Ich habe aus meiner Zeit bei der Jungen ÖVP meine eigenen Netzwerke. In meiner neuen Rolle habe ich mir vorgenommen, sehr, sehr viel unterwegs zu sein, damit die Leute ein Gespür für meine Persönlichkeit kriegen. Das eine ist das medial vermittelte Bild. Aber das andere ist der Eindruck der Menschen. Sie fragen sich: Wie ist der wirklich? Kann man mit dem reden? Ist der für uns da?

Und: Wie ist der "Landesvater" Thomas Stelzer wirklich?
Mutig, überlegt, entscheidungsfreudig. Aber im "Landesvater" steckt auch drin, dass er für die tagtäglichen Sorgen der Leute da ist.

Was soll man einmal über Sie sagen?
Er war die richtige Wahl, und wir haben ihn liebgewonnen.

Und was ist Ihre Vision?
Ich möchte es mit meinem Team schaffen, dass die Leute einmal sagen: "Willst du weiterkommen, dann musst du nach Oberösterreich kommen."

Um was zu machen?
In Oberösterreich können Sie toll studieren, sich ausbilden lassen, Jobs in Zukunftsbranchen finden, hier haben Sie eine hohe Lebensqualität, von der Natur bis hin zur Kultur.

Oberösterreich wird aber auch in die Geschichte eingehen als Bundesland, das im Jahr 2016 keine einzige Frau in der Regierung hatte. War das ein Fehler?

Ja, es war ein Fehler. Und es ist kein Ruhmesblatt. Aber wir sind jetzt mit unserer neuen jungen Landesrätin Haberlander auf einem guten Weg. Und wann immer ein Posten frei wird, werden wir uns überlegen: Ist da auch eine Frau, die diesen Job machen könnte?

Landwirtschaftsminister Rupprechter meinte im "Profil", die ÖVP hätte ein völlig veraltetes Frauenbild. Stimmen Sie dem zu?
Nein, dem stimme ich nicht zu, weil mein Erleben in unseren Gemeinden und Regionen ein ganz anderes ist.

Sind Sie jemand, der das Binnen-I verwendet?
Ich selber nicht, aber ich unterschreibe viele Briefe, wo es drinnen ist.

Und wie singen Sie die Hymne?
So wie es jetzt gilt, mit den Töchtern und Söhnen.

Josef Pühringer kam 2009 auf hundert Prozent der Delegiertenstimmen, Johanna Mikl-Leitner auf 98.5. Wie viel wollen Sie am Samstag erreichen?
Ich lasse mich auf keine Zahlenspekulationen ein. Aber es ist mir wichtig, dass es ein starkes Zeichen einer geschlossenen oberösterreichischen Volkspartei wird. (Stelzer wurde dann am Samstag mit 99,9 Prozent der Stimmen zum neuen ÖVP-Landeschef gewählt; Anm.)

Ich habe Johanna Mikl-Leitner gefragt, ob sie als Landeshauptfrau öfter Dirndl tragen wird. Tragen Sie in Zukunft mehr Trachtenanzüge?
Ich habe schon bisher oft Tracht getragen, auch Lederhose.

Wann zuletzt?
Bei einem großen Konzert bei unserer berühmten Schlögener Schlinge. Das war an einem schönen Sommertag, da kommen die Frauen im Dirndl und die Männer in der Lederhose. Das wird als Landeshauptmann nicht anders sein.

Sie sind auch Mitglied des Cartellverbandes. Muss man dort Mitglied sein, um in der ÖVP Karriere zu machen?
Ich bin durch einen Freund zum CV gekommen, nicht aus irgendwelchen Karriere-Überlegungen. Die Gemeinschaft dort hat mir gefallen und sie gefällt mir weiterhin.

Warum heißen Sie dort Wotan?
(Lacht.)
Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mir diesen Namen deswegen ausgesucht, weil ich sonst vielleicht irgendeinen Juxnamen zugeteilt bekommen hätte, und das wollte ich nicht. Darum habe ich schnell Wotan aus Wagners "Ring" genommen, den Göttervater, der vorausgeht. Aber man soll da nicht zu viel hineinlegen.

Herr Stelzer, politisch haben Sie sich einmal als "konservativ wie Franz Josef Strauß" bezeichnet. Strauß sagte, dass es rechts von der CSU nichts mehr geben dürfe. Gilt das auch für die ÖVP?
Franz Josef Strauß hat auch gesagt: "Konservativ sein heißt, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren". Das ist für mich das Faszinierende am Konservativismus, dass man mit festen Überzeugungen im Hintergrund mehr Mut zur Veränderung aufbringen kann. Das zeigt sich jetzt rund um unsere Asyl- und Fremdenpolitik: Hier hat die ÖVP als wertkonservative Partei eine klare Haltung.

Sind Sie vielleicht mehr als der Religionslehrer Pühringer - Stichwort "Kürzung der Mindestsicherung - ein Hardliner?
Wenn sich Fragen stellen und wenn es Lösungen braucht, dann muss man auch den Mut zu diesen Lösungen haben.

War es richtig, die Mindestsicherung in Oberösterreich zu kürzen?
Ja, weil wir nicht das Signal aussenden dürfen, dass bei uns ein Leben auf Staatskosten ein Lebensmodell ist. Es gibt Hilfe für Notlagen, solange diese gebraucht wird. Aber die Motivation muss immer sein, möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Deshalb ist unser Modell richtig.

Sebastian Kurz wurde für seine Aussage, die NGOs im Mittelmeer würden mit den Schleppern zusammenarbeiten, kritisiert. Verteidigen Sie ihn?
Ja, weil ich an ihm schätze, dass er nicht vor lauter Hinsichteln und Rücksichteln schwierige Dinge nicht mehr benennt. Auch in dieser Frage wird sich, wie schon öfter bei ihm, zeigen, dass er richtig gelegen ist.

Aber Menschen, die auf offenem Meer in Schlauchbooten herumtreiben, muss man doch retten.
Ja, selbstverständlich, aber man muss eben auch dafür sorgen, dass aus dem Ganzen nicht ein furchtbares Geschäftsmodell entsteht, sondern schon früher ansetzen.

Soll Sebastian Kurz als Spitzenkandidat der ÖVP in die nächsten Wahlen gehen?
Wir haben einen Parteiobmann, noch dazu aus Oberösterreich, der sehr gut macht. Aber wir können auch froh sein, dass wir eine breitere Palette von Namen haben. Wir werden das gemeinsam entscheiden, wenn wir wissen, wann gewählt wird.

Könnte es noch in diesem Jahr sein?
Ich bin ein großer Fan davon, dass Politiker die Verträge erfüllen, die sie unterschrieben haben. Der Vertrag der Bundesregierung läuft bis 2018. Aber wir sind als ÖVP sicher fit und ausgeschlafen genug, uns auch bei einer früheren Wahl gut zu schlagen.

Herr Stelzer, Ihre Frau ist Unternehmerin. Wie teilen Sie sich zu Hause Familien- und Kinderarbeit auf?
Das ist bei uns ein Gesamtkunstwerk. Das geht nur mit Omas und Opas und allen möglichen Heinzelmännchen, die rundherum tätig sind. Meine Frau ist zweifellos mehr für die Kinder da als ich. Ich versuche, über WhatsApp und SMS möglichst viel mitzukriegen und die Familie zu unterstützen, wo es nötig ist.

Verschicken Sie auch Videos an Ihre Kinder?
Sie schicken mir Videos. Ich bin noch nicht soweit, aber ich habe das vor, in der Zukunft!

Was hat Ihr Vater Ihnen mitgegeben?
Es fällt einem nichts in den Schoß. Alles muss erarbeitet und erspart werden. Das hat mich geprägt. Mein Papa stammt aus der Kriegsgeneration.

Konnten Sie mit Ihrem Vater noch zu Lebzeiten über den Krieg reden?
Er wollte nicht darüber sprechen. Aber ich habe ihn überredet, dass er mir aufschreibt, was er damals erlebt hat. Am meisten berührt mich noch heute die Stelle, wo er das Ende des Krieges schildert. Er dachte, es gehe jetzt Richtung Westen, aber stattdessen wurden sie verladen und in ein Gefangenenlager transportiert. Dort blieb er noch zwei lange Jahre. Das alles steht in einem großen Notizblock, in dem ich immer wieder gerne blättere.

Seine Karriere:
Geboren am 21.2.1967 als Einzelkind in Linz. Nach dem Jus-Studium Berufseinstieg bei Raiffeisen. Mit 24 Jahren wird Stelzer ÖVP-Gemeinderat, danach Klubobmann und zuletzt Landeshauptmann-Stellvertreter. Am 6. April folgt er Josef Pühringer als ÖVP-Chef und Landeshauptmann von Oberösterreich nach. Verheiratet seit 1998 mit der Unternehmerin Bettina Stelzer-Wögerer. Das Paar hat zwei Kinder (Lena ist 12, Lukas 16). Der bekennende LASK-Fan ist Mitglied des Cartellverbandes (CV).

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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