Rechnungshof-Kritik

In vier Jahren 39.370 Asylwerber untergetaucht

Österreich
14.12.2016 10:51

In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht übt der Rechnungshof harte Kritik an der Abschiebepraxis in Österreich. Demnach ist zwischen 2010 und 2014 der Anteil der Personen, gegen die negative Asylbescheide erlassen, aber keine Abschiebungen dokumentiert wurden, von 54 auf 57 Prozent angestiegen. Es handelt sich um insgesamt 39.370 Personen, die untergetaucht sind bzw. über deren Verbleib laut RH-Kritik keine zuverlässigen Informationen existieren.

27 Prozent dieser fast 40.000 Personen stammen aus afrikanischen Staaten, je 26 Prozent aus dem Europäischen Wirtschaftsraum sowie aus dem übrigen Europa, 20 Prozent aus Asien und ein Prozent aus sonstigen Ländern.

Der Rechnungshof hält in seinem Bericht weiters fest, dass die Zahl der dokumentierten freiwilligen Ausreisen aus Österreich höher war als jene der abgeschobenen Personen. Die freiwilligen Ausreisen wurden allerdings auch vom Innenministerium finanziell unterstützt. Die Empfehlung des Rechnungshofes lautet daher, Maßnahmen zu setzen, mit denen "aufenthaltsbeendende Entscheidungen auch faktisch durchgesetzt werden".

Rechnungshof fordert mehr Abschiebungen
Der Rechnungshof fordert, dass der Anteil der tatsächlichen Außerlandesbringungen von Schubhäftlingen gesteigert wird. Dafür müssten Informationen über den Verbleib der betroffenen Personen gesammelt und elektronisch verfügbar gemacht werden. Zu diesem Zweck soll ein IT-System namens "Integrierte Fremdenadministration" verwendet werden, das von der Konzeption her die Basis für vertiefte Untersuchungen liefern könnte.

Die generellen Empfehlungen des Rechnungshofs für das Schubhaftsystem lauten folgendermaßen: Das Polizeianhaltewesen sollte im Hinblick auf die Entwicklung der Häftlingszahlen, die verfügbaren Kapazitäten sowie die personelle Ausstattung untersucht und neu geplant werden. Die durchschnittliche Belegung der Polizeianhaltezentren ging nämlich zwischen 2010 und 2015 bundesweit um 86 Prozent von 357 auf 52 Schubhäftlinge pro Tag zurück.

Anhaltezentrum Vordernberg zerpflückt
Der Rechnungshof zerpflückt in seinem Bericht konkret auch das Anhaltezentrum Vordernberg in der Steiermark und stellt dessen Sinnhaftigkeit infrage. Das 2014 eröffnete Zentrum, in dem Schubhäftlinge auf ihre Abschiebung warten, arbeite unwirtschaftlich, verursache "viel zu hohe Kosten" und sei "völlig unterbelegt", kritisieren die Prüfer. Vordernberg mit seinen 193 Haftplätzen war demnach seit der Eröffnung Anfang 2014 maximal zu 18 Prozent mit Schubhäftlingen ausgelastet, ab April 2015 tendierte die Belegung gegen Null. Eine höhere Auslastung konnte nur durch die Unterbringung von Verwaltungsverwahrungshäftlingen erreicht werden.

Bemängelt wird darüber hinaus, dass das Innenministerium bei der Anmietung des Gebäudes und bei den beauftragten Dienstleistungen für den Betrieb langjährige finanzielle Bindungen über 33 bzw. 15 Jahre in der Höhe von acht Millionen Euro pro Jahr eingegangen ist, die unabhängig von der tatsächlichen Auslastung anfallen. Die Kosten für einen Haftplatz - bei angenommener Vollauslastung - lagen in Vordernberg mit 165 Euro pro Tag mehr als dreimal so hoch wie in Salzburg mit 50 Euro pro Tag. Die tatsächlichen Kosten je Hafttag wichen ebenfalls stark voneinander ab: Ein Hafttag in der Rossauer Lände in Wien kostete bezogen auf des erste Halbjahr 2015 207 Euro, in Vordernberg 834 Euro, heißt es im Rechnungshofbericht.

Scharfe Kritik an Vergabeverfahren
Scharfe Kritik gibt es auch am Vergabeverfahren des Innenministeriums und der Gemeinde Vordernberg. In dem von der Gemeinde durchgeführten Verfahren waren die Eignungs-, Ausschluss- und Bewertungskriterien so eng gefasst, dass lediglich ein Bieter - eine private Sicherheitsfirma - ein Angebot legte. Eine Wettbewerbssituation war dadurch nicht gegeben.

Die Entscheidung für den Standort "beruhte nicht auf nachvollziehbaren strategischen und wirtschaftlichen Planungen", so die Prüfer. Rund 80 Prozent der Abschiebungen wurden über Grenzübergangsstellen in unmittelbarer Nähe zu den Polizeianhaltezentren Wien durchgeführt. Alleine daraus ergaben sich klare Standortnachteile für die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des in der Steiermark liegenden Schubhaftzentrums.

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