300 Fälle pro Jahr

In Österreich fast täglich eine Kindesmisshandlung

Österreich
28.02.2017 16:49

Erschreckend! In Österreich werden fast täglich Kinder unter sechs Jahren zum Teil schwer misshandelt. 300 Fälle sind es pro Jahr - die Dunkelziffer aber dürfte noch höher sein ...

Sage und schreibe rund 300 Delikte wurden in der Opfertabelle im aktuellen Sicherheitsbericht (aus dem Jahr 2015) festgehalten. Wobei sich diese Fälle "nur" auf Kinder im Alter von bis zu sechs Jahren beziehen. Fast täglich kommt es also hierzulande zu Kindesmisshandlungen. Zählt man die Opfer von sechs bis 14 Jahren dazu, gibt es rund 2400 registrierte und verfolgte Fälle von Gewalttaten an Kindern!

"Schreiende Kinder auch einmal schreien lassen"
Häufig ist Überforderung ein Auslöser. Bei oftmals schreienden Kindern aber gilt es, Ruhe zu bewahren. "Ich rate, das Kind ins Gitterbett zu legen und aus dem Zimmer zu gehen. Es ist besser, es schreit eine Zeit lang, als es kommt zu Übergriffen", so Psychologe Holger Eich (siehe Interview unten).

Erfreulicher Trend: War im Jahr 1977 für mehr als 85 Prozent der Österreicher eine "g'sunde Watschn" noch ein probates Erziehungsmittel, sahen es 2014 "nur" noch 16 Prozent so.

"G'sunde Watschn" & Co.: Nicht wegsehen!
Wer noch immer glaubt, dass eine "g'sunde Watschn" lediglich ein Kavaliersdelikt ist, der ist mehr als falsch gewickelt. Bei allen Arten von Körperverletzung und auch bei Paragraf 92 des Österreichischen Strafgesetzbuchs (Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen) handelt es sich um sogenannte Offizialdelikte. Das bedeutet, dass eine strafbare Handlung von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden muss. Und es bedeutet zudem, dass man als Zeuge nicht wegsehen darf, sondern Anzeige bei der nächsten Polizeiinspektion erstatten muss! Bei den genannten Straftaten gegen Kinder drohen bei einer Verurteilung in Österreich als Höchststrafe bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Interview mit Psychologe Holger Eich: "Den Partner um Hilfe bitten"
"Krone":
Fast täglich wird in Österreich ein Kleinkind misshandelt. Wie kommt es dazu, dass Eltern völlig überfordert sind?
Holger Eich: Das hat vielfältige Gründe. Man muss hinterfragen: Wie stehen die Eltern zu ihrem Kind? Ist es willkommen oder stört es? Selbst bei langersehnten Wunschkindern kommt es oft zu Enttäuschungen, wenn sie die Erwartungen nicht erfüllen, die Eltern vorher gehabt haben. Behinderte Kinder sind leider häufig Opfer von Misshandlungen. Vieles hängt auch vom Temperament des Kindes ab.

Warum sind meist Männer die Täter, wenn es zu schweren Misshandlungen kommt? Und warum schweigen Mütter oft?
Weil es für Männer schwieriger ist, eine Bindung zu einem Baby herzustellen. Auch lässt der Mann oft die Wut, die die Frau hat, am Kind aus. Bei Frauen kommen noch existenzielle Ängste hinzu, wenn es um eine Trennung geht. Viele Eltern sind gleichsam ahnungslos, was die Psyche des Kindes betrifft. Sie meinen, sie könnten mit dem Baby wenig anfangen, weil es nicht sprechen kann, denken oft, es habe Hunger, wenn es schreit. Oft weinen Babys aber aus purer Langeweile. Da hilft etwa ein Mobile über dem Bett. Man kann auch lernen, das Lächeln des Babys mit einem Lächeln zu erwidern.

Wie soll man sich verhalten, wenn etwa ein Baby nicht zu schreien aufhört und einen die Wut überkommt?
Ich rate, das Kind ins Gitterbett zu legen und kurz aus dem Zimmer zu gehen. Es ist besser, es schreit eine Zeit lang, als es kommt zu Übergriffen. Man kann auch den Partner um Hilfe bitten. Mein Appell an Eltern in solchen Fällen: Bitte ruft früh genug im Kinderschutzzentrum an!

Matthias Lassnig und Martina Münzer, Kronen Zeitung

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