Zulauf zum Dschihad

Hoffnungsträger Tunesien wurde Terroristen-Hotspot

Ausland
27.12.2016 16:38

Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt durch einen jungen Tunesier stellt sich einmal mehr die Frage, weshalb so viele Dschihadisten aus Tunesien kommen. Dieses nordafrikanische Land ist die letzte aus dem Arabischen Frühling verbliebene Demokratie mit relativ friedlicher Gesellschaft.

In Tunesien hatte der Arabische Frühling sogar seinen Anfang genommen. Auslöser war der Selbstmord eines jungen Arbeitslosen. Und damit ist auch die Spur gelegt zu dem Problem der vielen Dschihadisten: Die Jugendarbeitslosigkeit ist seit der Demokratierevolution sogar noch größer geworden. Es kursiert der zynische Spruch, der Dschihadismus sei die lebenslange Jobgarantie - bis zum Selbstmordattentat ...

Junge leiden unter schlechter Wirtschaftslage
Vor einem Jahr hatte ein junger arbeitsloser Tunesier 38 Menschen im tunesischen Badeort Sousse erschossen. Die schlechte Wirtschaftslage wurde für viele junge Tunesier seither noch aussichtsloser. Etliche suchen Jobs im Ausland - oder ziehen in den Krisenländern der islamischen Welt in den Dschihad.

"Nur wenn ich in Tunesien einen Job finde, bleibe ich", sagt Alaa Mohamed Abbes. Doch optimistisch ist der Architekturstudent nicht. Sein Studium dauert fünf Jahre, die Studiengebühren seiner privaten Universität sind nicht billig. Doch ohne zusätzlich richtige Kontakte sei eine feste Anstellung nur schwer zu finden, erzählt er frustriert. Der 22-Jährige überlegt, nach seinem Studium nach Europa zu gehen - wie Tausende andere Tunesier auch: "Junge Leute suchen alle woanders nach ihrer Zukunft."

Tunesien einst Hoffnungsträger in der Region
Tunesien war eigentlich nach dem Arabischen Frühling ein Hoffnungsträger in der Region. Als einziges der arabischen Länder, die 2011 ihre Langzeitherrscher entmachteten, baute das Land stetig eine Demokratie auf. Doch seit der Jasminrevolution hat sich vor allem unter den jungen Menschen Unzufriedenheit ausgebreitet. Einer Studie zufolge sind nur 24 Prozent der 18- bis 24-jährigen Tunesier der Meinung, die Region habe von den Aufständen profitiert. Viele junge Menschen schimpfen über den schleppenden politischen Fortschritt und inkompetente Politiker. Zudem sucht seit dem Aufstand vermehrt der Terrorismus das kleine nordafrikanische Land heim. Drei Anschläge wurden seit März des Vorjahres in Tunesien verübt.

Die Terroranschläge hatten verheerende Folgen für das Land, das stark vom Tourismus abhängig ist - vor allem für die jungen Menschen. Bereits 2014 lag die Jugendarbeitslosigkeit in Tunesien der Weltbank zufolge bei 31,8 Prozent, Experten zufolge ist sie im vergangenen Jahr weiter gestiegen.

7000 Tunesier kämpfen in Syrien und im Irak
"Wir haben lediglich ein schlechtes mit einem noch schlechteren System ersetzt", sagt Abbes. Andere wählen einen extremeren Weg: den Dschihad. So kämpfen etwa 7000 Tunesier in Syrien und im Irak. Das nordafrikanische Land mit nur rund elf Millionen Einwohnern ist dort unter den ausländischen Kämpfern mit am stärksten vertreten. In Tunesien herrscht große Angst vor ihrer Rückkehr.

Kronen Zeitung

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