Tropensturm "Harvey"

Giftiger Rauch nach Explosionen in Chemiefabrik

Ausland
31.08.2017 16:20

Das befürchtete Szenario ist eingetreten: Weil die Chemikalien in einer Fabrik in der Nähe der texanischen Großstadt Houston durch die durch den Tropensturm "Harvey" verursachten Überschwemmung im Gebäude nicht gekühlt werden konnten, dürfte es zu zwei Explosionen gekommen sein - schwarzer Rauch stieg auf. Alle Bewohner im Umkreis von drei Kilometern wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.

Von den Behörden gab es widersprüchliche Angaben zur Gefährlichkeit des aufsteigenden Qualms. Während die US-Katastrophenschutzbehörde Fema ihn als "unglaublich gefährlich" einstufte, erklärte die Umweltbehörde EPA, es gebe keine Anzeichen für ein gefährliches Ausmaß an freigesetzten giftigen Stoffen. Das Betreiberunternehmen erklärte, der Qualm sei "schädlich". "Giftigkeit ist allerdings eine relative Angelegenheit", sagte Arkema-Manager Richard Rennard vor Journalisten ohne nähere Erläuterungen.

Gebäude seit Mittwoch "tickende Zeitbombe"
Die Fabrik befindet sich in Crosby nahe der Metropole Houston. Seit Mittwoch war das Gebäude eine tickende Zeitbombe. "Wir bereiten uns auf das vor, was wir als das schlimmste Szenario einschätzen", erklärte der Chef der US-Filiale des französischen Konzerns Arkema, Kenneth Rowe, wenige Stunden vor dem Unglück. Um 2 Uhr in der Früh Ortszeit am Donnerstag trat das Unglück schließlich ein: Es kam zu ersten Explosionen, teilte das Unternehmen mit.

"Bitte kehren Sie nicht in das Gebiet in der evakuierten Zone zurück", warnte Arkema die Anwohner. Weitere Detonationen könnten folgen, da die Chemikalien an mehreren Orten in der Fabrik aufbewahrt wurden. "Organische Peroxide sind leicht entzündlich, nach Absprache mit den Behörden ist die beste Vorgangsweise, das Feuer einfach ausbrennen zu lassen", erklärte der Konzern.

Explosion konnte nicht verhindert werden
Die in der Fabrik gelagerten Chemikalien hätten nach Angaben der Firma dringend gekühlt werden müssen - was aber nicht möglich gewesen sei. Rowe erklärte, das Wasser stand in der Fabrik 1,80 Meter hoch. Jegliche Stromversorgung sei ausgefallen. Es habe daher keine Möglichkeit mehr gegeben, eine Explosion zu verhindern. Die Mitarbeiter der Anlage seien in Sicherheit gebracht worden.

Vor den Explosionen versicherte Rowe, dass es Notfallpläne gebe. Er erinnerte daran, dass die Anrainer der Chemiefabrik bereits am Dienstag in Sicherheit gebracht worden waren. In der Anlage werden organische Peroxide produziert, die für die Herstellung von Plastik und von Pharmaprodukten verwendet werden.

Situation in Texas nach wie vor dramatisch
Aber auch abgesehen von diesem Krisengebiet bleibt die Lage im US-Bundesstaat Texas dramatisch, auch wenn "Harvey" weiter an Stärke verloren hat. Während sich die Situation in der Millionenmetropole Houston etwas verbessert hat - in der Metropole schien am Mittwoch erstmals wieder die Sonne -, kämpfen die Städte Beaumont und Port Arthur mit steigenden Wasserpegeln. Auch Tennessee und Kentucky rüsteten sich für mögliche Überschwemmungen.

Eine echte Entspannung der Lage ist aber auch in Houston nicht in Sicht, auch wenn die Pegel leicht sanken. Schätzungen zufolge steht ein Drittel der Stadt unter Wasser. Rettungskräfte kämpften sich am fünften Tag in Folge von Haus zu Haus, um Bewohner aus den überfluteten Straßen zu retten. Rettungskräfte bargen in den vergangenen Tagen rund 8500 Menschen aus ihren Häusern, mehr als 30.000 suchten Zuflucht in Notunterkünften. 14.000 Mitglieder der texanischen Nationalgarde waren im Einsatz. Weitere 10.000 wurden aus anderen Bundesstaaten entsandt.

Sechsköpfige Familie in Auto ertrunken
Die Zahl der Toten stieg weiter: Inoffizielle Schätzungen gingen von mehr als 20 Todesopfern aus, der Sender CNN etwa sprach von mindestens 28, weitere von 33. Besonders dramatisch: Sechs vermisste Familienmitglieder, die den steigenden Fluten entkommen wollten, sind in ihrem Auto ertrunken. Die Familie, ein Paar mit vier Urenkeln im Alter von sechs bis 16 Jahren, waren seit Sonntag vermisst. Da das Wasser nun langsam zurückgegangen war, konnten die Leichen aus dem Fahrzeug geborgen werden.

Video: Familie ertrinkt auf der Flucht vor Fluten

Wiederaufbau wird mehrere Jahre dauern
Der texanische Gouverneur Greg Abbott sagte, das Katastrophengebiet sei viel größer, als es bei den Hurrikans "Katrina" und "Sandy" der Fall gewesen sei. Von den Folgen des Tropensturms seien auch viel mehr Menschen betroffen. Manche Experten gehen davon aus, dass der Wiederaufbau Jahre dauern könnte.

Hilfe aus dem Ausland trotz Konflikten
Zahlreiche Rettungskräfte sind unermüdlich im Einsatz gegen die Folgen von Tropensturm "Harvey". Teilweise kämpfen sie bis zur völligen Erschöpfung. Hilfe kommt auch von Stars, großteils finanzieller Natur - wie von Sandra Bullock, die eine Million Dollar für die Opfer spendete.

Unterstützung haben auch Venezuela und Mexiko zugesagt: Trotz des schwelenden Konflikts zwischen Caracas und Washington will die venezolanische Regierung den Hurrikan-Opfern bis zu fünf Millionen US-Dollar (4,2 Mio. Euro) bereitstellen, kündigte Außenminister Jorge Arreaza am Mittwoch an. "Wir werden immer an der Seite des Volkes der USA stehen."

Auch Mexiko hatte trotz des Streits um die von US-Präsident Donald Trump geplante Grenzmauer und die konfliktreiche Nachverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA dem Nachbarland Unterstützung angeboten. "Uns liegt eine Liste mit Hilfsleistungen vor, die Mexiko angeboten hat, und wir nehmen das an", sagte der texanische Gouverneur Greg Abott am Mittwoch.


Die US-Marine schickt zwei Schiffe vor die Küste im Überschwemmungsgebiet. Sie sollten am Donnerstag von Norfolk in Virginia auslaufen und sind dafür ausgestattet, medizinische und logistische Unterstützung zu liefern. Sie wurden mit Lebensmitteln beladen.

USA geben strategische Ölreserven frei
Da rund ein Viertel der US-Raffineriekapazitäten wegen der Überschwemmungen derzeit still stehen oder nur eingeschränkt produzieren, sieht sich die Regierung in Washington nun auch gezwungen, einen Teil der strategischen Ölreserven freizugeben. Wie das Energieministerium am Donnerstag mitteilte, würden 500.000 Barrel (ein Barrel entspricht einer Menge von rund 159 Litern) an eine Raffinerie in Louisiana geliefert. Die Anlage, die vom Energieunternehmen Phillips 66 betrieben wird, ist bisher nicht von dem verheerenden Hochwasser an der Golfküste betroffen. Phillips muss der Mitteilung zufolge das Öl später wieder ersetzen.

Es ist das erste Mal seit 2012, dass die USA irbrauch das Landes liegt etwa bei fast 20 Millionen Barrel, was das 40-fache der jetzt freigegeben Menge ist. Insgesamt belaufen sich die US-Reserven auf 679 Millionen Barrel.

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