Sechs Überlebende

Flugzeug-Drama: Video zeigt Fußballteam vor Crash

Sport
29.11.2016 14:07

Für fast alle Kicker des brasilianischen Erstligisten Chapecoense hat der Traum vom Gewinn des wichtigsten Titels der Vereinsgeschichte am Dienstag mit einer Tragödie geendet: Auf dem Weg zum Finale um den Südamerika-Cup kam das gesamte Team bis auf drei Spieler ums Leben, als die Chartermaschine vom Typ British Aerospace 146 der bolivianischen Gesellschaft LaMia mit 77 Passagieren und neun Besatzungsmitgliedern an Bord um 22.34 Uhr Ortszeit (4.34 Uhr MEZ) bei Medellin in bergigem Gelände abstürzte. Im Video oben sehen Sie das Fußballteam kurz vor dem Start am Flughafen.

Laut dem Direktor der kolumbianischen Luftfahrtbehörde, Alfredo Bocanegra, könnte Treibstoffmangel ein Grund für den Absturz gewesen sein. Das Flugzeug war in der brasilianischen Metropole Sao Paulo gestartet und zu einem Zwischenstopp in Santa Cruz in Bolivien gelandet. Anschließend flog es weiter Richtung Rionegro bei Medellin. Laut Angaben des Zielflughafens Jose Maria Cordova setzte die Maschine gegen 22 Uhr ein Notsignal wegen eines "elektrischen Defekts" ab.

Im Video sehen Sie, wie das Flugzeug plötzlich vom Radar verschwindet:

Der Absturzort liegt rund 50 Kilometer von Medellin entfernt in den Bergen von Cerro Gordo. Die Piloten hätten laut Bocanegra wegen eines Problems Landepriorität beantragt und seien in Runden geflogen, obwohl Landeerlaubnis gewährt worden sei. Beim Crash trennten nur noch zwei Hügel das Flugzeug vom Typ Avro RJ85 von der Landebahn.

Der Bürgermeister der nahe der Absturzstelle gelegenen Stadt La Ceja, Elkin Ospina, sagte, der Unglücksort in 3300 Metern Höhe sei sehr unzugänglich. Retter brauchten mit ihren Tragen mehr als eine halbe Stunde bis zur Unglücksstelle. Zudem behinderte schlechtes Wetter die Rettungsarbeiten. Wie der Flughafen via Twitter mitteilte, wurde der Plan zunächst verworfen, einen Militärhubschrauber einzusetzen. In den frühen Morgenstunden mussten die Bergungsarbeiten vorübergehend ausgesetzt werden.

Messi und Co. flogen vor zwei Wochen mit der Maschine
Erst vor zwei Wochen war die argentinische Nationalmannschaft mit derselben Maschine geflogen - mit an Bord war damals auch Weltfußballer Lionel Messi vom FC Barcelona. Der Superstar sprach den Hinterbliebenen sein Beileid aus, sein Verein und der spanische Spitzenklub Real Madrid unterbrachen zudem ihre Trainings für eine Schweigeminute. FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach von einem "sehr traurigen Tag für den Fußball". Der brasilianische Präsident Michel Temer ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.

Maradona: "Von heute an bin ich Fan von Chapecoense"
"Ich möchte in dieser traurigen Stunde, die die Tragödie für Dutzende Familien bedeutet, mein Mitgefühl aussprechen", ließ Temer in einer Mitteilung verlauten. Man werde alles Mögliche tun, um den betroffenen Familien zu helfen. Auch die Anteilnahme in der Fußballwelt ist groß: "Die brasilianische Fußballfamilie trauert. Es ist eine Tragödie", schrieb Brasiliens Stürmer-Legende Pele auf Twitter. Auch Argentiniens Fußball-Idol Diego Maradona zeigte sich bestürzt: "Von heute an bin ich Fan von Chapecoense", erklärte er.

Im Schatten der Großklubs
Bisher war Chapecoense kaum über die brasilianischen Grenzen hinaus bekannt. Im Süden des Landes beheimatet, stand der Verein im Grenzgebiet zu Uruguay und Argentinien im Schatten der beiden Großklubs aus Porto Alegre, Gremio und Internacional. Auch die Vereine Santos, Palmeiras und FC Sao Paulo aus dem Großraum der größten südamerikanischen Stadt sind nicht weit entfernt.

Chapeco hat nur rund 200.000 Einwohner - hundertmal weniger als Sao Paulo. Auf die überregionale Fußballlandkarte schaffte es der ACF erst vor drei Jahren, als er nach zwei Jahrzehnten in unteren Ligen in die Serie A Brasiliens aufstieg. Dort etablierte er sich als Mittelständler, ehe heuer die Qualifikation für die Copa Sudamericana folgte und mit Siegen gegen Cuiaba aus Brasilien, Independiente Buenos Aires aus Argentinien, Atletico Barranquilla aus Kolumbien und San Lorenzo aus Argentinien das Finale erreicht wurde.

Finalgegner Atletico Nacional will Trophäe für Chapecoense
Die nun abgesagten Endspiele gegen Atletico Nacional hätten zum Höhepunkt in der Vereinsgeschichte werden sollen. Die Copa Sudamericana ist nach der Copa Libertadores der zweitwichtigste südamerikanische Vereinswettbewerb. Finalgegner Atletico stellte beim südamerikanischen Fußballverband inzwischen den Antrag, Chapecoense die Trophäe zu überreichen - als Zeichen der Ehrerweisung und als posthume Hommage an die Opfer des schrecklichen Unglücks, wie es in einer Mitteilung Atleticos hieß: "Was uns betrifft, wird Chapecoense für immer der Sieger der Copa Sudamericana 2016 sein." Der Präsident des kolumbianischen Vereins, Juan Carlos de la Cuesta, sagte: "Es ist ein trauriger Tag für den Fußball."

Gegen den prominenten Großklub Atletico Medellin war Chapecoense im südamerikanischen Pendant zur Europa League zwar klarer Außenseiter, doch der mit Abstand größte Triumph des erst 43 Jahre alten Vereins lag trotzdem zum Greifen nahe. Und vor allem: Die erstmalige Teilnahme am Endspiel eines bedeutenden internationalen Bewerbs war in Chapeco das große Thema. Nun findet das Spiel nicht statt - und der Klub wird aufgrund tragischer Umstände und nicht wegen sportlicher Erfolge weltberühmt. Nur drei Spieler überlebten den Absturz: Ersatztorhüter Jackson Follmann (24), die Verteidiger Alan Ruschel (27) und Neto (31).

Einser-Tormann starb auf dem Weg ins Krankenhaus
Auch Einser-Tormann Marcos Danilo Padilha war zunächst gerettet worden, er starb aber auf dem Weg ins Krankenhaus. Neun Spieler waren nicht zum Finale mitgereist. Unter ihnen war der Argentinier Alejandro Martinuccio, und zwar wegen einer Verletzung. Sein Sohn sei ursprünglich sehr traurig gewesen, dass er nicht mit zum Final-Hinspiel nach Medellin reisen konnte, sagte sein Vater Ruben Martinuccio am Dienstag. Nun zählt der 28-Jährige dank seiner Blessur zu den wenigen überlebenden Profis des Klubs. Neben den 22 Fußballspielern befanden sich mehrere Klubvertreter und 21 Journalisten, die das Team begleiteten, an Bord.

Gegründet wurde Chapecoense 1973 durch eine Fusion der Lokalvereine Atletico und Independente. Bekannte Spieler oder Trainer konnte sich der Klub nie leisten. Wenn, dann wurden Spieler berühmt, als sie längst nicht mehr für Chapecoense im Einsatz standen - wie der frühere deutsche Internationale Paulo Rink, der drei Jahre vor seinem Engagement bei Bayer Leverkusen in Chapeco spielte, oder Romulo, der es über Hellas Verona vor zwei Jahren zu einem Vertrag bei Italiens Rekordmeister Juventus Turin schaffte.

Erinnerungen an Flugzeugkatastrophe von 1958
Das Unglück erinnert an eine Flugzeugkatastrophe von 1958. Damals starben 23 Menschen, unter ihnen acht Spieler von Manchester United. Auf der Rückreise von einem Europapokal-Spiel in Belgrad war die Maschine bei dichtem Schneetreiben in München verunglückt.

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(Bild: KMM)



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