"Kandidatenland"

EU-Türkei-Gespräche: Hahn und Kurz im Clinch

Ausland
09.09.2016 18:05

Trotz der umstrittenen Säuberungsaktionen nach dem Putschversuch in der Türkei will die EU-Kommission an dem umstrittenen Beitrittsprozess des Landes festhalten. "Die Türkei war, ist und wird ein Kandidatenland sein", sagte der für Erweiterungen zuständige Kommissar Johannes Hahn am Freitag in Ankara am Rande eines Treffens mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz konterte: "Die Frage der Eröffnung weiterer Kapitel stellt sich derzeit nicht."

An der österreichischen Linie habe sich nichts geändert: "Wir sind gegen die Eröffnung neuer Kapitel", so Kurz am Freitagabend. Bundeskanzler Christian Kern will versuchen, für diese Linie Verbündete in der EU zu finden. Kern nimmt am informellen Gipfel der 27 EU-Staaten ohne Großbritannien zur Zukunft der EU am 16. September in Bratislava teil.

Entscheidung liegt bei Mitgliedsstaaten
Hahn und der türkische EU-Minister Ömer Celik hatten sich zuvor für die Eröffnung der Beitrittskapitel 23 und 24 ausgesprochen, bei denen es unter anderem um Justiz, Grundrechte und Freiheit geht. Der frühere ÖVP-Minister sagte, die Kommission habe mit Vorbereitungen begonnen, die Entscheidung liege aber bei den Mitgliedsstaaten.

Österreich hatte zuletzt den Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert. Wegen der daraufhin entstandenen Spannungen mussten unter anderem die seit mehr als 100 Jahren laufenden Grabungen österreichischer Archäologen in Ephesos an der türkischen Westküste gestoppt werden.

Türkei fordert Zeitplan für Visafreiheit
Cavusoglu forderte bei dem Treffen einen Zeitplan für die Visafreiheit für Türken innerhalb der EU. Wie rasch das geschehe, liege aber an der Türkei, betonte Hahn bei einem gemeinsamen Auftritt. Der zu Jahresbeginn getroffene Flüchtlingsdeal der Türkei mit der EU sieht die visafreie Einreise und Milliardenhilfe für die Türkei vor. Die Regierung in Ankara soll dafür über den Seeweg auf griechischen Inseln angekommene Flüchtlinge zurücknehmen, eine gleich große Zahl wird dann auf die EU-Staaten verteilt.

Allerdings hat die EU weitere Bedingungen an die Visafreiheit geknüpft. Darunter findet sich die Entschärfung der umstrittenen türkischen Anti-Terror-Gesetze. Ankara betont allerdings, dass der Terror der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK bzw. der Dschihadistenmiliz IS und auch die Gülen-Bewegung, also die hinter dem Putschversuch im Juli vermuteten Anhänger des im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, eine große Bedrohung für die Türkei bedeuteten und daher die strengen Gesetze berechtigt seien.

"Solidarität" und "volle Unterstützung" von EU und NATO
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sicherte der Türkei mit Blick auf den niedergeschlagenen Putschversuch vom 15. Juli "volle Solidarität" zu. Celik sagte, die Türkei werde in dem nach dem Umsturzversuch verhängten Ausnahmezustand keinerlei Abstriche bei der Einhaltung der Menschenrechte und bei der Demokratie machen.

Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hielt sich am Freitag zu politischen Gesprächen in Ankara auf. Nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Donnerstagabend sagte er: "Die Türkei kann sich auf Unterstützung der NATO verlassen." Stoltenberg verurteilte den Putschversuch erneut: "Jeder Angriff auf die Demokratie in jedem unserer Länder ist ein Angriff auf die Grundlage unserer Allianz."

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