"Verlieren Geduld"

Erdogan droht jetzt mit Eingreifen in Syrien-Krieg

Ausland
11.02.2016 13:57

Die Türkei droht nun mit einem direkten Eingreifen in Syrien: Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Donnerstag in Ankara, irgendwann werde sein Land "die Geduld verlieren" - und dann werde die Türkei gezwungen sein, aktiv zu werden. Angesichts der internationalen Rufe nach einer Grenzöffnung für Zehntausende in Nordsyrien gestrandete Flüchtlinge drohte Erdogan erneut mit der Abschiebung von Schutzsuchenden in - europäische - Länder, aus denen derzeit "gute Ratschläge" kämen.

Die syrische Armee ist in der Offensive, seit die russische Luftwaffe Ziele in dem Bürgerkriegsland angreift. Erdogan warnte, wenn die Luftangriffe fortgesetzt würden, könnte es weitere 600.000 Flüchtlinge geben. Die Türkei hat nach eigener Darstellung bereits 2,6 Millionen Syrer aufgenommen und macht sich schon länger für die Schaffung von Schutzzonen in Nordsyrien stark, um Zivilisten jenseits der Grenze versorgen zu können. Derzeit halten sich laut dem Internationalen Roten Kreuz rund 50.000 Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei auf, von denen jedoch nur Verletzte ins Land gelassen werden.

"Haben kein Schild mit Aufschrift 'Dummkopf' auf der Stirn"
In den vergangenen Tagen hatten die UNO und mehrere Länder die Türkei aufgerufen, die Grenze am Übergang Öncüpinar rund 60 Kilometer nördlich der umkämpften syrischen Stadt Aleppo zu öffnen und alle syrischen Flüchtlinge ins Land zu lassen. Erdogan sagte nun, einige Länder hätten lediglich ein paar Hundert Flüchtlinge aufgenommen, die Türkei dagegen gewähre 2,6 Millionen Syrern Zuflucht. "Tut mir leid, aber wir haben kein Schild mit der Aufschrift 'Dummkopf' auf unserer Stirn", so der Präsident.

"Könnten Tor öffnen und Flüchtlingen gute Reise wünschen"
Zudem könnte die Türkei die Flüchtlinge auch in Länder schicken, aus denen die "guten Ratschläge" kämen. Der Staatschef bestätigte dabei auch, dass er bereits bei einem Treffen mit der EU-Spitze im vergangenen Jahr damit gedroht hatte, Flüchtlinge nach Europa zu schicken. Er habe damals gesagt, dass die Türkei die Flüchtlinge an der Grenze nach Europa aufhalte. Doch eines Tages könne es sein, dass die Türkei "das Tor aufmacht und ihnen gute Reise wünscht", sagte Erdogan nun in Ankara. "Die Busse und Flugzeuge stehen jedenfalls nicht umsonst da. Ab jetzt wird getan, was nötig ist."

Russland warnt Westen vor Sicherheitszonen in Nordsyrien
Was die Flüchtlinge im Norden Syriens betrifft, warnte der russische Vizeaußenminister Oleg Syromolotow am Donnerstag wiederum die Türkei und den Westen vor einer möglichen Einrichtung von Sicherheitszonen im dortigen Gebiet. "Wir würden das Ausrufen solcher Zonen - ohne Einverständnis der syrischen Regierung und des UNO-Sicherheitsrats - als eine Militärintervention ansehen", sagte er laut der Agentur Interfax.

Studie: Mehr als elf Prozent der Syrer getötet oder verletzt
Wie der britische "Guardian" am Donnerstag berichtete, sind laut einer Studie des Syrischen Zentrums für Politikforschung bereits mehr als 470.000 Syrer dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen. Rund 400.000 Menschen seien demnach bei Kampfhandlungen getötet worden, weitere 70.000 seien ums Leben gekommen, weil sie keine ausreichende medizinische Versorgung, sauberes Wasser oder Unterkünfte gehabt hätten. Der Erhebung zufolge sind in dem Krieg mehr als elf Prozent der Bevölkerung getötet oder verletzt worden, die Lebenserwartung sei von 70 auf 55,4 Jahre gesunken.

Am Donnerstag warnte die UNO vor einer weiteren Verschlechterung der Lage. So seien wegen der Offensive der Regierungstruppen und ihrer Verbündeten im Norden der Provinz Homs die Versorgungswege für etwa 120.000 Menschen abgeschnitten. Es drohe eine Hungersnot. Die Hilfsorganisation CARE stockt ihre Hilfe für die von den aktuellen Luftangriffen betroffene Bevölkerung auf.

Moskau signalisiert Waffenruhe - und bombardiert weiter
Unterdessen signalisierte Moskau vor Beginn der Syrien-Konferenz in München laut Insidern eine Waffenruhe ab dem 1. März. Man führe "sehr wichtige" Gespräche mit Washington, sagte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin in New York. Dabei seien auch Schritte zur Verbesserung der humanitären Notlage im Bürgerkriegsland vorgesehen.

Die Luftangriffe der Russen gehen einstweilen jedoch unvermindert weiter, das Verteidigungsministerium in Moskau schloss einen grundsätzlichen Strategiewechsel aus. Auf der Suche nach einer politischen Lösung unterstütze Russland weiter die syrische Führung, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow. Westliche Länder werfen Russland vor, mit seinen Bombardements Zivilisten zu treffen und Zehntausende in die Flucht zu treiben.

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