SPÖ-ÖVP-Hickhack

Die zehn wichtigsten Fragen zur Asyl-Notverordnung

Österreich
07.09.2016 16:50

Die Regierung hat sich nun also auf die Notverordnung, die das direkte Abweisen von Flüchtlingen an der Grenze ermöglichen soll, geeinigt. Noch ist aber sehr vieles unklar und das Hickhack zwischen SPÖ und ÖVP geht weiter. Wie funktioniert diese Asyl-Verschärfung? Die "Krone" versucht, die zehn wichtigsten Fragen zu beantworten.

  • 1.Wann wird die Obergrenze von 37.500 Asylanträgen erreicht sein?
    Derzeit hält Österreich bei rund 25.000 zum Asylverfahren zugelassenen Anträgen. Wöchentlich kommen laut Kanzleramtsminister Thomas Drozda etwa 700 Personen dazu - die meisten über die Grenze zu Ungarn. Demnach dürfte die Obergrenze Ende November oder Anfang Dezember erreicht sein.

  • 2. Wann sollen die Grenzen dicht gemacht werden?
    Das ist einer der Streitpunkte zwischen SPÖ und ÖVP. Kanzler Christian Kern sagt, dass die Notverordnung in Kraft tritt, wenn die Obergrenze erreicht ist. Dem widerspricht Innenminister Wolfgang Sobotka, der auf einen früheren Start pocht. "Ein Feuerwehrauto zu kaufen, wenn es brennt, macht wenig Sinn", so Sobotkas launiger Vergleich.

  • 3. Müssen wir tatsächlich den Notstand in Österreich ausrufen?
    "Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit (...) sind gefährdet", heißt es im Entwurf der Sonderverordnung. Die mittlerweile einhellige Meinung der Regierung lautet: So ein Jahr wie 2015 mit 90.000 Asylanträgen soll und darf es nicht noch einmal geben. Im Begutachtungsenwurf wird auf die gestiegene Zahl von Straftaten durch Asylwerber hingewiesen, ebenso wie auf die Probleme bei der Unterbringung und auf dem Arbeitsmarkt.

  • 4. Was passiert mit den Flüchtlingen, die dann an der Grenze abgewiesen werden?
    Darauf weiß niemand eine Antwort. Bei dieser Frage eiert die Politik herum, versucht mit Sätzen wie "Das werden wir dann sehen" die Ratlosigkeit zu überspielen. Tatsächlich ist völlig unklar, was mit den Menschen, die nicht nach Österreich herein, aber von den Ungarn auch nicht zurück gelassen werden, geschehen soll.

  • 5. Droht ein Flüchtlingslager an der Grenze?
    Ja, natürlich, wenn die Flüchtlinge weder vor noch zurück können. Dann wird im Niemandsland zwischen Österreich und Ungarn wohl ein Asyl-Camp entstehen, das sich rasch in ein Elendsquartier verwandeln könnte.

  • 6. Gibt es irgendeine Chance, dass Ungarn Flüchtlinge zurücknimmt?
    Nein! Ungarns rechter Premier Viktor Orban lässt absolut keinen Zweifel daran, dass er bei seiner harten Linie bleibt. Er wird weder die Dublin-Fälle - jene Asylwerber, für die eigentlich Ungarn zuständig ist - zurücknehmen, noch die Neuankommenden, die dann an der österreichischen Grenze stranden. Erst Ende Juli, als Kanzler Kern zu Orban nach Budapest reiste, machte dieser seine Haltung deutlich: "Migration ist Gift." Innenminister Sobotka droht Ungarn nun mit einer Klage, falls das Land weiterhin keine Dublin-Fälle übernehme.

  • 7. Praktisch ist also unklar, wie die Notverordnung funktionieren soll. Wie sieht es rechtlich aus?
    Ebenso. Das Recht auf Asyl ist Teil der Europäischen Grundrechtecharta. Zahlreiche Experten sowie EU-Politiker - von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker abwärts - haben mitgeteilt, dass die Obergrenze gegen europäisches Recht verstoße. Mit der neun Seiten langen Begründung, warum die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei, versucht Österreich eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof abzuwenden. Ob die Erklärung ausreicht, ist offen.

  • 8. Wie geht es kommendes Jahr weiter?
    Auch das ist offen. Die Notverordnung ist auf sechs Monate befristet und kann dreimal verlängert werden. Was passiert, wenn die Obergrenze im November erreicht ist, kann niemand sagen. Ob die geschlossenen Grenzen dann nur bis Jahresende gelten und ob dann wieder bei Null zu zählen angefangen wird, darauf hat die Regierung keine Antwort. Die Obergrenze für kommendes Jahr liegt jedenfalls bei 35.000 Asylanträgen.

  • 9. Wie reagieren Hilfsorganisationen auf die Notverordnung?
    Die Kritik überrascht wenig. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) spricht von einem "Tabubruch", Amnesty International befürchtet ein "neues Idomeni in Nickelsdorf". (Idomeni war jenes völlig überfüllte Flüchtlingscamp an der griechisch-mazedonischen Grenze, in dem mehr als 10.000 Migranten unter widrigsten Umständen wochenlang ausharrten - in der Hoffnung, weiter Richtung Westen reisen zu dürfen.)

  • 10. Droht überhaupt ein neuer Flüchtlingsansturm?
    Seit Längerem schon ist es an den heimischen Grenzen ruhig. Seit der Schließung der Westbalkanroute ist die Zahl der Flüchtlinge deutlich zurückgegangen. Und auch die - von vielen Experten immer wieder prognostizierte - Migrationswelle im Sommer ist ausgeblieben. Allerdings spitzt sich die Lage in Italien wieder dramatisch zu, und auch Syriens Nachbarländer sind bei der Aufnahme von Flüchtlingen teils längst an ihre Grenzen gestoßen.

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