Filzmaier-Analyse

Die Stärken und Schwächen der Hofburg-Anwärter

Österreich
20.11.2016 08:25

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier hat wenige Wochen vor der auf den 4. Dezember verschobenen Bundespräsidenten-Stichwahl die beiden Kandidaten einer Analyse unterzogen. Fazit: Die Wähler von Alexander Van der Bellen halten Norbert Hofer für einen gefährlichen Rechten. Umgekehrt denken Anhänger Hofers, Van der Bellen wäre linksradikal.

Das gegenseitige Negativbild ist wenig überraschend. Doch welche Stärken und Schwächen sehen die jeweils eigenen Fans bei ihrem Wunschpräsidenten?

Alexander Van der Bellen

  1. Wer für Van der Bellen ist, erwartet sich ein traditionelles Amtsverständnis und internationale Anerkennung. Zwei Drittel seiner Wähler waren in der aufgehobenen Stichwahl im Mai überzeugt, der Ex-Chef der Grünen würde Österreich im Ausland gut vertreten. Hinzu kommt die Erwartungshaltung, ein Bundespräsident habe sich nicht offensiv in die Tagespolitik einzumischen. Vielmehr müsste man sich fern von Fernsehkameras, Zeitungsinterviews, Facebook & Co. hinter der Tapetentür in der Wiener Hofburg um politische Kompromisse zwischen den Parteien bemühen.
  2. Naturgemäß wird der gewählte Kandidat für glaubwürdiger und sympathischer gehalten als sein politischer Gegner. Beide Möchtegern-Präsidenten haben da trotzdem keine absoluten Spitzenwerte. Schließlich war die klare Mehrheit entweder Nichtwähler oder ursprünglich für einen der ausgeschiedenen Bewerber wie Irmgard Griss. Van der Bellen oder Hofer sind für diese Leute zweite Wahl oder das kleinere Übel. Der grüne Politprofessor hat zudem mehr Wähler, die nur einen FPÖler verhindern wollen. Sein Vorteil sind weniger die Sympathiewerte als Empfehlungen durch Griss und ÖVP-Politiker, wobei Bürgermeister wichtiger sind als Parteispitzen.
  3. Angesichts der manchmal bis zum Hass reichenden Polarisierung zwischen den Wählergruppen Van der Bellens und Hofers glaubt auf beiden Seiten bloß eine Minderheit an die Vermittlerfunktion und Überparteilichkeit ihres Favoriten. Meistens will man das auch gar nicht. Van der Bellen, der ja eine Allianz von grünen, roten, schwarzen und pinken Wählern bilden muss, liegt immerhin etwas besser als Hofer. Seine Unterstützer wollen die FPÖ nicht in der Regierung, also gefällt ihnen die offen ausgesprochene Ablehnung Heinz-Christian Straches als Bundeskanzler.
  4. Das größte Problem für Van der Bellen ist, dass ihm ein Verständnis für die Alltagssorgen der Österreicher zu wenig zugetraut wird. Das ist selbst unter seinen Wählern bloß für ein gutes Drittel ein Motiv. Weniger freundlich formuliert: Es besteht vor allem im ländlichen Raum die Gefahr, dass er als zu weltfremd in einem fremden Universum zwischen früherem Unversitätslehrer und heutiger Politik der Städte lebend gesehen wird. Daher die sommerlichen Bergtouren.

Norbert Hofer

  1. Hofers Anhänger sind von der Volksnähe ihres "Präsidenten" überzeugt. Er steht für sie "gegen die da oben" und würde die täglichen Sorgen von Arbeitern, Angestellten und Pensionisten verstehen. Das passt zur Stimmung gegen traditionelle Politiker und Parteien. Einziger Haken ist, dass ein Dritter Nationalratspräsident ebenfalls zur Elite zählt. Auch dass Hofer seit 20 Jahren politischer Funktionär ist und vergleichsweise kurze drei Jahre in der Privatwirtschaft arbeitete, ist ein wunder Punkt.
  2. Was den Hofer-Wählern gefällt, ist, dass er ein starker Präsident sein und die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Amtes nutzen will. Manche schreckt das, doch wer für Hofer stimmt, der will grundlegende Veränderungen im politischen System Österreichs. Folgerichtig ist man gegen einen Präsidenten als schwachen Moderator der Politik, sondern dieser soll durchgreifen - und versuchen, von der Regierungsbildung über internationale Verträge bis hin zu Gesetzen vieles viel mehr zu beeinflussen.
  3. Es ist keine Schwäche, dass Hofer ganz klar als Freiheitlicher antritt. Dadurch hat er Wettbewerbsvorteile, weil es sich um die nach aktuellen Umfragen größte Partei handelt. Die FPÖ kann seine Slogans gegen die etablierte Politik verstärken. Zudem stehen damit ein effektiver Organisationsapparat und ein durch die höhere Parteiförderung besser als durch Spenden abgesichertes Wahlkampfbudget hinter ihm. Logisch ist, dass seine Wähler kein Problem sehen, sollte er bei der Regierungsbildung die FPÖ bevorzugen.
  4. Der Pferdefuß in Hofers Kampagne ist und bleibt die internationale Anerkennung. Sosehr er in den letzten Monaten Besuche im Ausland machte und ständig betont, wie gut seine Kontakte in anderen Ländern sind - niemand kann bestreiten, dass er weltweit polarisiert. Ob zu Recht oder zu Unrecht, das ist insofern egal, als der österreichische Staatschef mit demokratischen Amtskollegen auf allen Kontinenten sehr gut auskommen sollte. Schließlich hat ein Präsident genauso als Türöffner für Diplomatie und Außenwirtschaftspolitik zu handeln. Hier gestehen sogar Hofers Befürworter insgeheim ein, dass das für ihn schwierig wird.

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