Häftlinge atmen auf

Der “gemeinste Sheriff der USA” ist abgewählt

Ausland
10.11.2016 06:24

Über die Grenzen der USA hinaus war er als "gemeinster Sheriff des Landes" bekannt - nun ist Joe Arpaio nach fast 20 Jahren im Amt abgewählt. Der 84-Jährige verlor am Dienstag in Maricopa County im Bundesstaat Arizona gegen seinen demokratischen Herausforderer Paul Penzone, einen 21-jährigen Polizisten. Dass es keine siebente Amtszeit mehr für Arpaio geben wird, freut vor allem die Häftlinge und illegalen Immigranten in dem Landkreis.

Seit 1993 war Arpaio im Amt - nachdem sein Vorgänger gehen musste, weil zwei Männer fälschlicherweise des Mordes angeklagt worden waren. Zwei Millionen Dollar (rund 1,8 Millionen Euro) musste das County deswegen zahlen, der Sheriff seinen Hut nehmen. Arpaio war damals bereits über 60 und hatte eine Karriere bei der Drogenbehörde DEA hinter sich.

Unter Arpaio hatten seitdem vor allem zwei Bevölkerungsgruppen noch weniger zu lachen als ohnehin schon: Häftlinge und Angehörige ethnischer Minderheiten - Letztere, weil Arpaio in seinem Zuständigkeitsbereich das sogenannte Racial Profiling einführte. Ohne dass ihnen ein Verbrechen zur Last gelegt wurde, wurden unter diesem Deckmantel Zehntausende hispanische Einwanderer bei Schleppnetz-Razzien aufgegriffen. Eine Klage, die 2007 eingereicht worden war, kostete den Landkreis der Nachrichtenagentur AP zufolge am Ende mehr als 41 Millionen Dollar (rund 37 Millionen Euro). Darin wurde argumentiert, dass die Polizisten des Bezirks "verfassungswidrig Latinos an Kreuzungen ins Visier nehmen, nur weil sie Latinos sind".

2011 wurden diese Razzien per Gerichtsurteil gestoppt. Menschen dürften nicht mehr auf bloßen Verdacht hin, illegale Immigranten zu sein, festgenommen werden, urteilte der zuständige Richter. Doch Arpaio hielt sich nicht daran - und könnte dafür bald selbst im Gefängnis landen. Erst im heurigen Oktober wurde er angeklagt, in einer Anhörung plädierte er auf nicht schuldig. Wird er verurteilt - die Verhandlung ist für den 6. Dezember angesetzt -, droht ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten.

Sohlen der Häftlinge schmolzen, Essen war ungenießbar
Als oberster Gesetzeshüter des Landkreises Maricopa, zu dem auch Arizonas Hauptstadt Phoenix gehört, war Arpaio vor allem durch seinen harten Umgang mit Häftlingen bekannt geworden. So brachte er sie zu Dutzenden in Zeltstädten unter, wo sie im Sommer glühender Hitze ausgesetzt waren. Angeblich war es so heiß, dass sogar die Sohlen der Badelatschen, die die Häftlinge in der "Tent City" tragen mussten, schmolzen. Brot, das sie zu essen bekamen, soll schon grün gewesen sei, auch Fleisch vergammelt. Über dem Eingang zum Lager prangte ein Schild mit der Aufschrift "Vacancy" - "Zimmer frei".

Nicht nur hat er den Häftlingen seines Landkreises rosa Unterwäsche, Socken und Handtücher verpasst, an einem Tag im April 2005 ließ er Hunderte Insassen nur mit diesen Unterhosen bekleidet in aller Öffentlichkeit in ein neues Gefängnis marschieren - "aus Sicherheitsgründen". Auch die Badelatschen, die die Häftlinge dabei tragen mussten, waren rosa - ebenso wie die Handschellen. Solche hatte auch Boxlegende Mike Tyson zu tragen, als er im November 2007 seine Haftstrafe wegen Drogenbesitzes im Gefängnis von Phoenix antreten musste.

Häftlinge aneinandergekettet, strampeln um fernzusehen
Unter Arpaio wurde laut "Washington Post" wieder eingeführt, dass - zunächst nur männliche, später auch weibliche und sogar jugendliche - Gefangene bei ihren gemeinnützigen Arbeiten außerhalb des Gefängnisses aneinandergekettet wurden, um sie so an einer Flucht zu hindern. 38 Männer, die Flaggen zerrissen, in die Toilette geworfen oder auf ihnen herumgetreten haben sollen, mussten sich im Jahr 2014 für die angebliche Schändung von US-Flaggen eine Woche lang nur von Wasser und Brot ernähren. Bei anderen Gelegenheiten ließ er Salz und Pfeffer streichen, um laut eigenen Angaben Steuergelder zu sparen.

Häftlinge mussten in die Pedale treten, um Fernsehen zu können. "Wer TV will, muss sich das verdienen", sagte Sheriff Arpaio dem TV-Sender Fox News. Es gehe ihm bei seinem Programm "Pedal Vision" aber nicht um Schikane, sondern darum, die Fettleibigkeit vieler Häftlinge zu bekämpfen. Sobald die Gefangenen durch ihre Muskelkraft die elektrische Spannung von zwölf Volt erzeugten, springe der Bildschirm an, erklärte er.

Damit ging es den Betroffenen aber noch besser als den Häftlingen in Arpaios Anfangszeit: Damals beschränkte der Sheriff das Angebot zuerst auf "Lassie" und dann auf ein zehnteiliges Video, in dem der Republikaner Newt Gingrich die Werte der US-amerikanischen Demokratie erläutert.

Laut eigenen Angaben ist Arpaio stolz auf seinen Ruf. Er wollte den Häftlingen die Gefangenschaft so schwer machen, "dass sie es hier hassen und nie wieder kommen wollen". Das verstehe er unter "Rehabilitierung".

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