Lokalaugenschein

Das Vermächtnis des Wilderers von Annaberg

Österreich
04.09.2016 06:00

Bald jährt sich das "Drama von Annaberg" zum dritten Mal. Was sagen Freunde des Täters heute über ihn? Wer wohnt jetzt in seinem Haus? Ein "Krone"-Lokalaugenschein.

Ein paar hübsche Häuser, zwei Bauernhöfe. Viel Grün. Wälder, Wiesen, Felder. Alles wirkt so friedlich in Großpriel, in dieser kleinen Ortschaft in Niederösterreich, in der nicht einmal 70 Menschen leben. Das Dorf, kaum jemand von außerhalb hat gewusst, dass es überhaupt existiert, bis zum 17. September 2013. Als "einer von da" ein grauenhaftes Verbrechen beging.

Alois Huber (55), ein Transportunternehmer, der in seinem Umfeld immer als besonders fleißig, hilfsbereit und gutmütig gegolten hatte, in Annaberg drei Polizisten und einen Rettungssanitäter erschoss und sich anschließend in seinem Haus selbst richtete.

Alois Huber war "tickende Zeitbombe"
Dutzende Reporter kamen nach dem Drama nach Großpriel, Monate recherchierte hier die Kripo. Um jedes Detail zu erfahren über den Täter. Der, wie die Ermittler letztlich herausfanden, Jahre hindurch nachts, im Schutz der Dunkelheit, Jagdhütten geplündert, sie angezündet - und Wildtiere abgeschlachtet hatte. Alois Huber, er war eine "tickende Zeitbombe" gewesen, lange schon. Jederzeit zum Morden bereit, sollte er bei einem Delikt ertappt werden. Aber das hatten die Polizisten, die damals, in dieser Horrornacht, ja bloß einen vermeintlichen Wilderer fassen wollten, nicht ahnen können.

"Keiner von uns hat ihn wirklich gekannt"
Drei Jahre später. In Großpriel. Was sagen Bewohner jetzt über die Tragödie, was über Alois Huber, den sie früher gemocht, mit dem sie oft am Stammtisch im Dorfwirtshaus gesessen und Feste gefeiert hatten? "Keiner von uns hat ihn wirklich gekannt." Unvorstellbar, bis heute, sein fürchterliches Handeln. "Er muss psychisch krank gewesen sein, schwer krank."

"Bereits von Kindheit an", so ein Freund des Täters, "ist Alois eher verschlossen gewesen." Jemand, der lieber zuhörte als selbst sprach: "Nach dem Krebstod seiner Frau Rosi 1999 redete er fast gar nichts mehr." Und sein Verhalten wurde zunehmend seltsamer: Er schmückte seine Schäferhündin "Burgi" mit Halsketten der verstorbenen Gattin, nahm das Tier zu all seinen beruflichen und privaten Terminen mit, "er behandelte es fast wie eine Partnerin". Und "Burgi" war auch immer dabei, "wenn er sich jeden Tag, stundenlang, in die Kapelle auf seinem Grundstück begab, wo Rosis Urne stand."

Das Haus des Wilderers
Alois Hubers Villa: Oben, im "offiziellen Teil", sah dort bis zuletzt alles aus, als würde seine Frau noch leben. Im Vorraum ihre Jacken und Schuhe. "Rosis Kleiderkästen wurden nie geräumt. Im Bad standen Toilettenartikel, die sie einst benutzt hatte. Auf ihrem Nachtkästchen lagen Medikamente, die sie hatte einnehmen müssen."

Unten, im Keller: Alois Hubers geheime Zweitwelt. Verwinkelte Zimmer, eingerichtet mit Ledersofas, dicken Perserteppichen und altdeutschen Schränken, in denen er Lebensmittel hortete. In einem anschließenden Verlies lagerten Hunderte gestohlene Gewehre und Geweihe - die Trophäen seiner Schandtaten.

"Wir wollen endlich vergessen"
"Wir wollen endlich vergessen", sagen die Großprieler. Was nicht so einfach gelingt: "Denn bis jetzt kommen Katastrophentouristen hierher, fragen nach dem Weg zu Alois' Haus und wollen von uns wissen, wie er war. Aber wir geben nie Antworten. "Froh sind die Menschen im Dorf, dass Hubers Anwesen mittlerweile einen neuen Besitzer gefunden hat, "weil damit die Vergangenheit blasser wird".

Arzt kaufte Anwesen des Vierfachmörders
Ein Arzt aus der Umgebung richtet sich gerade in der Villa ein. "Ich fühle mich wohl da", erzählt er, "weil das Gebäude eine positive Energie ausstrahlt." Trotz der fürchterlichen Dinge, die an diesem Ort geschehen sind? "Die Ziegel wurden mit Liebe aufeinandergesetzt, das spüre ich." Auch das Nachbargehöft, wo bis vor Kurzem Hubers Eltern lebten, gehört dem Mediziner.

"Das Paar tut mir leid. Der Mann musste in ein Pflegeheim, die Frau wohnt jetzt bei einer Tochter. Es war ihr Wunsch, manchmal zurückkehren zu dürfen, in ihr Zuhause. Deshalb halte ich eine Wohnung für sie frei. Die sie benutzen kann, wann sie will." Ja, mitunter, an Wochenenden, kommt die alte Dame hierher: "Wir plaudern dann miteinander. Aber nie über ihren Sohn."

"Neben der Trauer bleibt Wut"
Das Drama, das Alois Huber vor drei Jahren verursachte, hat tiefe seelische Wunden hinterlassen. Bei seiner Familie, den Großprielern, bei den Einsatzkräften, die Kollegen neben sich sterben sahen. "Wenn ein Mensch ermordet wird", sagt Johann Baumschlager von der Landespolizeidirektion Niederösterreich, "ist das etwas Unvorstellbares. Selbst für langgediente Beamte. Und neben der Trauer bleibt Wut. Auf den Täter."

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