Bestechungsvorwurf

Brasiliens Präsident in Korruptionsaffäre belastet

Ausland
18.05.2017 06:40

Brasiliens Präsident Michel Temer soll aktiv dabei geholfen haben, mithilfe von Geldzahlungen einen Mitwisser in einem Korruptionsskandal zum Schweigen zu bringen. In der Hauptstadt Brasilia war nach dem Auftauchen von angeblich belastenden Tonaufnahmen von einer "Bombe" die Rede. Dem Portal "O Globo" zufolge geht es um ein Treffen zwischen Temer und Unternehmern, gegen deren Konzern ermittelt wird.

Temer soll dabei grünes Licht gegeben haben, den inhaftierten früheren Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha mit einer Geldzahlung zum Schweigen zu bringen. Temers Präsidialkanzlei teilte mit, dass Temer niemals Zahlungen für das Schweigen Cunhas vorgeschlagen habe. Das Treffen an sich wurde hingegen bestätigt, es fand Anfang März statt. Die linke Arbeiterpartei forderte Temers sofortigen Rücktritt und Neuwahlen, eine Kongresssitzung wurde nach Bekanntwerden der Nachricht am Mittwochabend abgebrochen.

Der bestens vernetzte Cunha war früher ein Verbündeter Temers und droht, auszupacken. Er soll umfangreiche Details zu dem Skandal um Schmiergeldzahlungen an führende Politiker des Landes haben. Laut "O Globo" soll der Abgeordnete Rodrigo Rocha Loures von Temers Partei der demokratischen Bewegung dabei gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit 500.000 Real (rund 146.000 Euro) entgegennahm. Er soll von Temer mit dem Lösen der Sache beauftragt worden sein - das Geld soll von dem an dem Gespräch mit Temer beteiligten Unternehmer Joesley Batista stammen, hieß es. Auch Cunha ist Mitglied von Temers Partei.

Batista soll das Gespräch mit Temer aufgezeichnet haben - Temers Schicksal hängt nun von Höchstrichter Edson Fachin ab. Ihm gegenüber machten Batista und sein Bruder Wesley die brisanten Aussagen und händigten ihm das Beweismaterial aus. Die beiden sind die Chefs des Konzerns JBS - des größten Fleischproduzenten der Welt. Unklar ist, warum sie sich an die Justiz wandten.

"Atombombe, die über dem Land explodiert"
Kommentatoren sprachen von einer "Atombombe, die über dem Land explodiert". Mit Blick auf die Turbulenzen um US-Präsident Donald Trump war die Rede davon, dass sich gleichzeitig die beiden größten Demokratien der westlichen Hemisphäre in tiefen Krisen befänden.

Temer hatte vor einem Jahr die linke Präsidentin Dilma Rousseff abgelöst, die wegen angeblicher Bilanztricks suspendiert und später des Amtes enthoben worden war. Ausgerechnet Cunha hatte für Temer das Amtsenthebungsverfahren auf den Weg gebracht, war dann über in der Schweiz aufgetauchte Millionenkonten gestolpert und fühlt sich von Temer im Stich gelassen. Vergangenen Herbst wurde er verhaftet.

Rousseff meint, sie sei nur gestürzt worden, damit Temer und seine Mitstreiter von der Regierung die gnadenlos ermittelnde Justiz im größten Korruptionsskandal des Landes ("Lava Jato", auf Deutsch: Autowäsche) bändigen können. 2014 hatten die Behörden um den gefeierten Richter Sergio Moro im südbrasilianischen Curitiba damit begonnen, das Netzwerk um Schmiergelderzahlungen bei Auftragsvergaben von Konzernen aufzudecken. Acht Minister Temers stehen unter Korruptionsverdacht.

Temer konnte sich bisher schadlos halten. Die Vorwürfe, er habe versucht, Informationen eines Mitwissers zu unterbinden, könnten den 76-Jährigen nun aber zu Fall bringen, meinen Kommentatoren. Temer berief eine Krisensitzung ein. Seine Beliebtheit war zuvor schon auf neun Prozent gesunken. Nach Umfragen gilt bei Neuwahlen derzeit Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva als Favorit - aber auch gegen Lula laufen mehrere Korruptionsverfahren.

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