Vater klagt an

Ärzte ließen Frau “aus Gewissensgründen” sterben

Ausland
23.11.2016 14:06

Für Empörung sorgt der Tod der 32-jährigen Valentina Milluzzo im Oktober auf Sizilien. Die Frau war im fünften Monat mit Zwillingen schwanger und wegen einer drohenden Fehlgeburt zwei Wochen im Krankenhaus gelegen. Dort starb sie vor den Augen der Ärzte an einer Blutvergiftung. "Aus Gewissensgründen" hatten sie ihr die medizinisch notwendige Beendigung der Schwangerschaft verweigert.

"Meine Tochter schrie vor Schmerzen, und der Arzt sagte, er könne nichts tun", klagt Valentinas Vater Salvatore Milluzzo in einem Ende Oktober erschienenen Interview, das es allerdings nur auf Italienisch gibt.

Er und weitere Familienangehörige verklagen nun die Ärzte, die ihrer Meinung nach untätig geblieben waren. Die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Catania hat bereits mit der Befragung von zwölf Ärzten begonnen, denen Fahrlässigkeit in Zusammenhang mit dem Tod der 32-Jährigen vorgeworfen wird.

Beide Föten kamen tot zur Welt, Frau starb einen Tag später
Die Frau war am 29. September wegen einer möglichen Fehlgeburt ins Krankenhaus Cannizzaro von Catania eingeliefert worden. Am 15. Oktober verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand wesentlich. Laut dem Anwalt der Familie litt Milluzzo an stark schwankender Körpertemperatur, tiefem arteriellen Blutdruck und sehr starken Schmerzen. Die Kontrollen hätten daraufhin ergeben, dass es um einen der beiden Föten schlecht stand und ein Arzt eingreifen hätte müssen. Der diensthabende Arzt soll sich laut den anwesenden Familienmitgliedern aber "aus Gewissensgründen" geweigert haben, einzuschreiten, solange der Fötus noch lebte.

Kurze Zeit später kamen beide Föten tot zur Welt. Der Zustand der 32-Jährigen verschlechtert sich wegen der ausgedehnten Sepsis immer weiter, sodass sie auf die Intensivstation gebracht werden musste. Am Tag darauf verstarb Valentina Milluzzo.

"Tod hatte nichts mit Einstellung der Ärzte zu tun"
Das Gesundheitsministerium in Rom leitete daraufhin eine Untersuchung ein. Die entsandten Inspektoren betonten in ihrem Bericht aber, dass die Patientin "effizient behandelt" worden sei und ihr Tod "keineswegs mit der Einstellung der Gynäkologen zum Thema Abtreibung in Verbindung gesetzt werden" könne. Eine Obduktion der Frau und der Föten wurde durchgeführt, die Resultate werden demnächst veröffentlicht.

Österreichischer Gynäkologe: "Mittelalterliche Zustände"
Der Fall hat in Italien für Aufregung gesorgt. Kritik gab es auch vom österreichischen Gynäkologen Christian Fiala, der von einem ähnlichen Fall in Irland berichtete, wo 2012 eine Frau in der 17. Schwangerschaftswoche ebenfalls an einer Blutvergiftung gestorben sei, weil der Herzschlag beim sterbenden Fötus noch hörbar war. "Wir kennen weitere Fälle aus ganz Europa, in denen Frauen nur knapp überlebt haben. Das sind mittelalterliche Zustände, wenn die Gesundheit und das Leben von Frauen der katholischen Doktrin untergeordnet werden", kritisierte Fiala.

Viele Ärzte in Italien beziehen sich auf "Gewissensparagraf"
Das italienische Gesetz erlaubt zwar ähnlich wie in Österreich und Deutschland die Abtreibung, gleichzeitig wird den Ärzten aber freigestellt, diese "aus Gewissensgründen" abzulehnen - was rund 70 Prozent aller Gynäkologen auch tun. Dazu kommt, dass in Italien die allermeisten Geburtskliniken unter katholischem Einfluss stehen. In manchen Regionen Italiens beziehen sich daher sämtliche Ärzte auf den "Gewissensparagraf". "Umstände ähnlich jenen, die zum Tod von Valentina Milluzzo geführt haben, wiederholen sich fast täglich vor unseren Augen", sagt die italienische Gynäkologin Lisa Canitano.

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