"Krone"-Interview

Zucchero: “Mauern waren noch nie eine Lösung”

Musik
03.05.2016 14:38

Nach seinem experimentellen Ausflug in kubanische Klanggefilde kehrt Italiens Bluesrock-Aushängeschild Zucchero wieder in sein Metier zurück: Auf "Black Cat" gibt es viel Soul, Politik und kompositorische Energie. Wir trafen den Entertainer im norditalienischen Mailand, um mit ihm über seine Liebe zu Österreich, den politischen Rechtsruck und seinen Hang zu schwarzen Katzen zu sprechen.

(Bild: kmm)

"Krone": Zucchero, "Black Cat" ist dein erstes richtiges Studioalbum seit "Chocabeck" vor sechs Jahren. Dieses war damals künstlerisch als auch kommerziell ein Riesenerfolg. Das müsste selbst einem alten Hasen wie dir viel Druck bereiten?
Zucchero: Nach "Chocabeck" waren wir erst einmal zwei Jahre auf ausgedehnter Tour - unter anderem auch in Havanna mit den kubanischen Musikern, mit denen ich für mein Projekt "La Sesión Cubana" zusammenarbeitete. Die Zeit vergeht so schnell, dass es schon Oktober 2014 war, als ich erstmals an "Black Cat" schrieb. Ich habe ungefähr 40 Songs geschrieben und dann aussortiert. Im Juni 2015 haben wir angefangen in Los Angeles aufzunehmen und insgesamt bis kurz vor Weihnachten an dem Album geschraubt. Wenn man jeden einzelnen Tag Energie in das Album steckt, mixt, mastered, an Texten schreibt und noch drei verschiedene Produzenten hat, dann fliegt die Zeit schnell dahin. Druck verspürte ich aber keinen, ich hatte pure Freude an der Arbeit. Die Produzenten waren sehr kollegial und haben gut zusammengearbeitet. Ich hatte anfangs auch meine Sorgen, dass die Meinungen zu weit auseinandergehen würden und ich wollte nicht, dass das Album wie drei verschiedene klingt. Ich musste einfach genau erklären was ich will und daraus entstand etwas wirklich Gutes. Probleme kriegst du nur, wenn du merkst, dass du mit den Musikern nicht gut zusammenspielen kannst oder im Kreativbereich den roten Faden verlierst, aber dieses Mal ging alles gut und leicht von der Hand.

"Krone": Hast du die drei Produzenten in Eigenregie ausgesucht? Nach welchen Kriterien?
Zucchero: Mit Don Was und Brendan O'Brien haben wir schon drei Alben aufgenommen, also kannte ich sie schon sehr gut. Die Entscheidung war leicht. Mit T Bone Burnett hatte ich noch nie gearbeitet, aber ich kannte natürlich seinen Katalog. Ich wollte ihn schon für "Chocabeck", aber da spießte es sich am Zeitmanagement. Ich war sehr überrascht, wie er arbeitet und aufnimmt, weil das total anders als bei den anderen ist. Wir waren in Nashville und er hat die großartigen Country- und Blues-Musiker ausgesucht, sie dann im Studio versammelt und die Musiker einfach selbst live das Material einspielen lassen. Wir haben dann das Beste gewählt, aber keine Overdubs verwendet, damit der Sound organisch bleibt. Diese Art des Aufnehmens ist heute nicht mehr üblich - normalerweise spielt jeder Instrumentalist alleine im Studio, aber dieses Mal hatten wir eine Livesituation.

"Krone": Gab es bei den Aufnahmen in Nashville auch Platz für Improvisation? Immerhin hast du die Songs vorher schon geschrieben - inwieweit lässt du dir dann noch dreinreden?
Zucchero: Dafür ist schon Platz. Sie haben sich zuerst meine Demos angehört und jeder hat dann etwas eingebracht, was ihm sein Gefühl für den jeweiligen Song vermittelt hat. Sie haben viel miteinander kommuniziert und ihre Gefühle quasi in die Songs improvisiert. Du musst natürlich die Dynamik des Songs behalten und kannst die Melodie nicht zerstören, aber natürlich kannst du als Musiker die bereits vorhandenen Demoaufnahmen noch erweitern und leicht abändern.

"Krone": War es für dich mit "Black Cat" nach deinem Ausflug in die kubanischen Klangsphären klar, dass du wieder zu deinem Blues/Rock-Handwerk zurückkehren wirst?
Zucchero: Das war immer klar, denn "La Sesión Cubana" war schon so etwas wie ein einmaliger Ausflug, der nichts mit meiner Diskografie zu tun hatte. Es war aber immer ein Lebenstraum von mir, meinen Sound mit kubanischen Instrumenten und Musikern zu verknüpfen. Ich habe es mehr für die Kubaner und mich selbst gemacht als daran zu denken, was mir das für eine Chartplatzierung einbringt oder ob mich die Radios spielen würden. Auf "Black Cat" bin ich wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Viel Blues, Soul, Rhythm und mediterranes Flair.

"Krone": Nachdem es das Embargo zwischen Kuba und den USA nicht mehr gibt - wie siehst du als Liebhaber dieser Nation nun die Zukunft des Landes? Bist du froh, dass du das Album noch rechtzeitig machen konntest?
Zucchero: Ich bin sehr froh, dass ich vor den Amerikanern dort war. (lacht) Für die Leute dort ist das vielleicht gut, aber das ist alles schwer zu deuten. Das Risiko dabei ist, dass Kuba nun eine Art Urlaubsinsel für die Amerikaner wird und damit über kurz oder lang seine Identität verliert. Sie werden auch Teile ihrer Kultur verlieren und das Land könnte in allen Bereichen stark globalisiert werden. Wir kennen die Amerikaner, sie werden sich das nicht nehmen lassen. Kuba ist ein sehr spezieller Platz. Reich an Kultur und immer gegen Diktatoren und Korruption kämpfend. Was passiert, kann ich schwer sagen, aber ich bin wirklich glücklich, dass ich vor der amerikanischen Invasion dort auftreten konnte. (lacht)

"Krone": Kommen wir wieder zu deinem aktuellen Album - was genau personifiziert die "Black Cat". Was willst du mit dem Titel aussagen?
Zucchero: Das ist eine Art von schwarzer Slang. Viele alte Blues-Musiker wie Muddy Waters besangen den "Black Cat Bone". In Italien bedeutet die schwarze Katze Pech, aber für die Afroamerikaner ist das umgekehrt konnotiert. Der "Black Cat Bone" schützt die Menschen vor dem Bösen und vor Pech. Ich mochte auch den Klang des Titels und das Album ist einfach schwarz. Es gibt so viele Einflüsse von großen schwarzen Musikern und die Katze ist ein sehr freies, wildes und unabhängiges Tier - ganz im Gegensatz zum "Black Dog".

"Krone": Und den "Black Dog" hat ja bereits Led Zeppelin besungen.
Zucchero:(lacht) Das noch dazu. Die schwarze Katze symbolisiert auch die Freiheit des Albums - außerdem könnte ich selbst auch gut eine schwarze Katze sein. (lacht)

"Krone": Du bist eine ausgewiesen politische Persönlichkeit - hast du auch politische Statements und Botschaften auf "Black Cat" integriert?
Zucchero: Die sind auch vorhanden, ja. Es gibt Songs über die derzeitige Flüchtlingswelle, Immigration, Sklaven und Freiheit. Ganz speziell darauf zielt der Song "Streets Of Surrender (S.O.S.)" ab, den ich mit Bono von U2 gemacht habe. Wir besingen darin, dass wir uns nicht gegenseitig bekämpfen sollten, sondern besser Liebe verstreuen sollten. Wir sollten uns verzeihen und nicht bekämpfen. Es ist dieselbe alte Geschichte, die sich in anderer Form immer wiederholt. Es gab vor 200 Jahren Sklaven und es gibt sie heute noch. Ich habe auf einem Song sogar die Ketten eines Sklaven als Rhythmus für die Snare-Drum verwendet. 2014 hatten wir eine 38 Shows starke Tour in Amerika und mich hat vor allem der Süden des Landes extrem beeindruckt. Der Spirit und all die Farben und Lebensweisheiten von Atlanta, New Orleans oder Nashville haben mich in ihren Bann gezogen. Als ich am Album schrieb, hatte ich die Baumwollplantagen mit den Sklaven vor meinem geistigen Auge und auch den großartigen Film "12 Years A Slave" gesehen. Ich sah auch "Django Unchained" und ähnliche Filme und das alles hat mich zu Songs inspiriert. Diese Songs klingen bewusst wild und es gibt viele Instrumente aus dem Tex-Mex- und Country/Blues-Bereich.

"Krone": Bono und du sind Menschen, die ohne Unterlass politische Botschaften verbreiten und versuchen, die Welt zu einem besseren Platz zu machen. Ist es manchmal ermüdend, wenn du siehst, dass sich in der Realität wenig bis nichts ändert?
Zucchero: Es ist natürlich frustrierend, keine Frage. Wir haben sehr viele Konzerte gegeben, um die Leute auf Probleme wie Aids oder Ungleichmäßigkeiten aufmerksam zu machen. Bono selbst hat wahnsinnig viele Politiker und Präsidenten getroffen, um etwas in dieser Welt zu ändern. Er wollte zum Beispiel die Staatsschulden der Afrikaner senken und sie versprachen ihm das Blaue vom Himmel, taten am Ende aber gar nichts. Diese Leute sind nur an Geld und Macht interessiert und das frustriert uns natürlich. Ich habe keine Ahnung, ob sich das jemals ändern wird, aber ich sehe derzeit nichts in diese Richtung.

"Krone": Letzten Herbst bist du am Wiener Heldenplatz vor 150.000 Menschen beim "Voices For Refugees"-Konzert aufgetreten - jetzt ist das Land kurz davor, einen Vertreter der FPÖ zum Bundespräsident der Republik zu machen. Wie siehst du das aus deiner Perspektive von außen?
Zucchero: Wir haben eigentlich für nichts gespielt. (lacht) Die Botschaft von uns war okay und sie ist auch zu vielen Leuten durchgedrungen, aber bei der Wahl lief offensichtlich alles anders und es wurde ein Vertreter einer Partei gewählt, die Barrieren aufbauen will. Wir versuchen also etwas für die Zukunft zu machen, entwickeln uns aber gefühlt 50 Jahre zurück. Das ist meine bescheidene Meinung dazu. Ich glaube nicht, dass Mauern und Barrieren die Lösung des Problems sein werden.

"Krone": Ein Grund für die Wählerveränderung ist aber auch die Tatsache, dass die derzeitigen Regierungen in ganz Europa überhaupt nicht wissen, wie sie mit dem Problem des Flüchtlingsstroms umgehen sollen.
Zucchero: Das ist natürlich richtig, aber wer hat schon die richtige Lösung? Es ist verdammt schwer, hier etwas in die richtige Richtung zu bewegen. Aber Mauern sind meiner Meinung nach niemals eine Lösung - auch nicht zwischenzeitlich. In Italien haben wir natürlich noch größere Probleme, weil die Leute täglich über den Seeweg von Nordafrika und Libyen kommen.

"Krone": Unabhängig von der politischen Lage kommst du im Herbst für einige Konzerte nach Österreich. Kannst du uns schon einen ersten Ausblick darauf geben? Was wird uns dort erwarten?
Zucchero: Derzeit sind wir gerade dabei, die Band für die Tour zusammenzustellen. Neben vielen neuen Songs wird es natürlich auch meine alten Hits zu hören geben, die ich aber mit den Arrangements des neuen Sounds vermengen werde. Ich will keine Sequenzer und Drum-Maschinen, es soll alles sehr organisch klingen. Wir werden etwa 13 oder 14 Leute auf der Bühne sein, die ihr Handwerk verstehen. Sie sind aus Nashville, New Orleans und auch Virginia und natürlich sind auch ein paar Italiener dabei, die immer schon mit mir zusammenspielten. Es wird eine Rock-'n'-Roll-Show mit gutem Licht und einem tollen Sound. Es geht mir nicht so sehr um die Spezialeffekte. Bei unserer Show werden keine Leute verschwinden und spontan wieder aus dem Nichts auftauchen. (lacht) Entertainment ist wichtig, aber die Rock-'n'-Roll-Show ist die Hauptsache.

"Krone": Haben die amerikanischen Musiker aus den Südstaaten tatsächlich mehr Seele für den Blues als andere?
Zucchero: Das liegt in ihren Genen und Wurzeln. In Nashville wachsen die jungen Menschen automatisch mit Musik auf. Sie haben auch andere Instrumente, die sie verwenden und die sonst selten verwendet werden - wie in Österreich die Ziehharmonika zum Beispiel. Sie kriegen ihre natürliche Musik sehr früh mit und das fließt in ihr Blut über. Wir haben natürlich auch in Italien oder in Wien hervorragende Musiker, aber eben nicht für denselben Stil. Das ist immer sehr geografisch bezogen. Die Jungs haben Gitarrenmodelle, die ich überhaupt noch nie in meinem Leben gesehen habe. Pedal-Steel, Lap-Steel, riesige oder kleine. Das gibt es bei uns alles nicht. Es gibt in Europa sicher Musiker, die damit umgehen könnten, aber die muss man wohl mit der Lupe suchen. Das Original ist immer am besten - das gilt für mich ganz allgemein.

"Krone": Du hast ja glücklicherweise auch genug neue Hits, die du bei den Konzerten präsentieren kannst. Einer meiner Favoriten ist "Hey Lord" mit einem sehr eindringlichen Gospel-Vibe. Wie hältst du es mit Religion? Ist sie dir sehr wichtig?
Zucchero: Ich wuchs im Norden Italiens in einer kommunistisch geprägten Region auf. Ich glaube an etwas, aber ich gehe nicht jeden Sonntag in dir Kirche, um zu beten. Vielleicht gehe ich hinein, wenn sie leer ist, aber nicht zu Messen. Ich habe einen Glauben und bin auf jeden Fall sehr spirituell, aber nicht notwendigerweise katholisch. Ich liebe den Klang einer Kirche - die Orgel ist eines meiner Lieblingsinstrumente. Ich mag auch Gospel und den spirituellen Vibe, aber derzeit würde ich mich eher als einen Atheist betrachten. Aber wer weiß - so etwas kann sich auch ändern. Es kann schlechter oder besser werden. (lacht)

"Krone": Gibt es auf "Black Cat" eigentlich einen zusammenhängenden roten Faden oder stehen die einzelnen Songs und ihre Geschichten für sich selbst?
Zucchero: Meine Wurzeln sind überall sehr tief in den Alben verankert. Ich singe immer über meine Kindheit, den Platz, an dem ich aufwuchs, über meine Großmutter und über meine Mutter - das hat sich auch auf "Black Cat" nicht geändert. Meine Vergangenheit war und ist für mich sehr wichtig und inspirierend. "Partigiano Reggiano", "Terra Incognita" oder "Ci Si Arrende" sind alles Songs, in denen ich über meine Wurzeln singe. Aber "Black Cat" ist auch universeller gehalten. "Hey Lord" ist eben ein Gospel-Song, der sich um die Flüchtlinge dreht, die über den Meeresweg kommen. "Ten More Days" dreht sich darum, dass wir immer noch Sklaven und große Meister in der Gesellschaft haben. "Love Again" dreht sich darum, dass ich zwar voller Liebe bin, aber das nicht ausreicht, wodurch ich quasi noch einmal lieben muss. Die Liebe und Träume sind ebenso wiederkehrende Themen. Ich singe aber auch über die Balance in meinem Leben und meinem Alter. Ich mache einfach, was ich immer mache. (lacht)

"Krone": Abschließend - worauf freust du dich am meisten, wenn du im Herbst wieder nach Österreich kommst?
Zucchero: Die Kultur, Architektur und auch die Musik Österreichs ziehen mich immer wieder magisch an. Wien ist eine fantastische Stadt und das Essen unvergleichbar. Selbst wenn ich nicht auf Tour bin setze ich mich oft ins Auto und fahre durch das Land, bis ich dann oben im tschechischen Prag lande. Ich habe gute Freunde in Salzburg und war glaub ich schon zehnmal beim Geburtshaus von Mozart. (lacht) Das inspiriert mich noch heute. Allein zu wissen, dass Mozart dort war und seine Songs komponiert hat, reißt mich total mit. Über die Politik will ich jetzt mal lieber nicht sprechen. (lacht)

"Krone": Und du kannst in Österreich noch relativ unentdeckt durch die Gegend laufen?
Zucchero: Absolut, die Österreicher sind außerdem sehr diskret und freundlich. Da gab es eigentlich noch nie unangenehme Situationen oder Begegnungen.

Alles andere als unentdeckt bleibt Zucchero dann bei seinen Österreich-Auftritten. Am 4. Oktober wird er live in der Wiener Stadthalle auftreten. Tickets erhalten Sie unter 01/588 85-100 oder unter www.ticketkrone.at. Die weiteren Österreich-Termine: am 2. Oktober im Haus der Messe in Dornbirn, am 5. Oktober in der Olympiahalle Innsbruck, am 7. Oktober in der Salzburgarena und am 9. Oktober in der Stadthalle Graz.

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