Stadthalle live

Yusuf/Cat Stevens in der Form seines Lebens

Musik
14.11.2014 00:57
Donnerstagabend wurde die Wiener Stadthalle in Melancholie und Nostalgie getaucht - Folk-Legend Yusuf hat das "Islam" abgelegt und mit Cat Stevens Frieden geschlossen. Das Ergebnis? Eine zweieinhalbstündige Machtdemonstration des vielleicht besten aktiven Singer/Songwriters der alten Garde.
(Bild: kmm)

Wie oft haben sich Gesinnung und Launen von Yusuf alias Cat Stevens über die Jahre schon gewandelt? Man weiß es nicht so ganz genau. Nachdem der erfolgreiche britische Musiker im Dezember 1977 nach Studieren eines Korans nicht nur den Namen Cat Stevens, sondern auch seine musikalische Karriere ad acta legte, dachte niemand mehr an ein Comeback. In den verblendetsten Zeiten seines Lebens unterstützte er die Mordaufrufe gegen Schriftsteller Salman Rushdie, sah Homosexualität als eine Sünde an und legte sogar die Gitarre nieder, weil das westliche Instrument nicht zu seinem religiösen Lebensstil passe.

Persönliche Antithese
Es hat bei dieser Biografie einen durchaus schalen Beigeschmack, dass seine derzeitige Best-of-Tour unter dem Banner "Peace Train… Late Again" firmiert und sich der mittlerweile 66-Jährige gut zehn Jahre nach seiner musikalischen Rückkehr wieder als der Folk-begeisterte Hippie gibt, als der er einst seine größten Erfolge feierte. In einer sportlichen Lederjacke mit cooler Sonnenbrille und sichtlich guter Laune zeigt sich Yusuf (das "Islam" im Namen hat er mittlerweile abgelegt) den etwa 4.500 Fans in der Wiener Stadthalle und somit nichts weniger als die personifizierte Antithese zu seinem eigenen Alter Ego.

Ganz dem Tour-Motto entsprechend ist auch das wohlige Bühnenbild gestaltet. Auf der Videoleinwand ist eine Art amerikanische Westernstadt mit Windrad, Holzbaracken und staubigem Boden zu sehen, davor steht eine wahrhaftig aufgebaute Bahnhofshütte mit dem passenden Schild "Vienna" und unzähligen kleinen Details, welche die Zuseher so stark wie möglich in den Bann der Show ziehen sollen. Die auf zwei Teile aufgesplittete Sause lässt auch wenig Wünsche übrig – vor allem in den ersten 50 Minuten überzeugt der ergraute, aber körperlich sichtlich in Topform stehende Musiker, welch große Hits er im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere schon produziert hat.

Unverändert starke Stimme
Da reiht sich ein "Here Comes My Baby" an das legendäre "Moonshadow", setzt er sich beim "Last Love Song" erstmals ans Piano und gibt "Bitterblue" in einer veränderten und modernisierten Version zum Besten. Ein stets starker Rückhalt – seine hervorragend eingespielte, fünfköpfige Band, die sich instrumental keinen Schnitzer erlaubt und den ungewöhnlich guten Sound in der Stadthalle erst vollends zur Geltung bringt. Die aber mit Sicherheit schönste Überraschung ist seine Sicherheit im Stimmbereich. Im Gegensatz zum Krächzkonzert von Bob Dylan im Frühjahr überzeugt Yusuf/Stevens mit einer gehaltvollen und eindringlichen Vokalleistung wie in seinen besten Tagen. Ein seltenes, aber umso wertvolleres Gut bei Musikern im frühen Karrierewinter.

Der Künstler selbst wirkt entspannt, ausgeruht und mit sich selbst im Reinen. Mit dem Publikum schäkert er selten, aber sympathisch – etwa als er zu Beginn des zweiten Konzertteils mit einer an einer Eisenkette befestigten Stahlkugel auf die Bühne zurückkehrt und betont, dass nach dem Auftritt wieder seine Frau die Zügel in der Hand habe. Das Wiener Publikum dankt es Yusuf mit zunehmendem Applaus, auch in den Zuschauerreihen scheint man dem kontroversen Künstler mittlerweile sämtliche verbale Ausrutscher verziehen zu haben.

Grandiose Mixtur
Rein musikalisch gibt es aber auch nichts zu bemängeln. Mit "Morning Has Broken", "Maybe There's A World", das nahtlos in das Beatles-Cover "All You Need Is Love" übergeht und "If You Want To Sing Out" scheint Yusuf schon in der ersten Halbzeit alles zu verbraten, doch weit gefehlt. Auch wenn er im zweiten Teil unter anderem mit dem "Editing Floor Blues" oder der Anti-Apartheid-Hymne "Gold Digger" sein neues Studioalbum vorstellt, bleibt er den unsterblichen Klassikern treu. Mit "Love My Dog" hat er sogar seinen ersten großen, 48 Jahre alten Hit im Talon, an den sich nur mehr die wenigsten zurückerinnern.

Die Vielseitigkeit in der Stimme und beim Gitarrenspiel machen die besondere Magie dieses Abends aus. "Sad Lisa" ist eine Referenzballade am Piano, das von Rod Stewart bekannte "The First Cut Is The Deepest" sorgt für Gänsehautmomente und das berührende "Father & Son" bei so manchen sogar für Tränen. Dazwischen nimmt Yusuf/Stevens auch seine geliebte E-Gitarre in die Hand, um beim Procol-Harum-Cover "The Devil Came From Kansas" den Rock in den Vordergrund zu stellen.

Keine musikalische Entgleisung
Auf "Wild World" und den "Peace Train" müssen die Fans bis zur Zugabe warten, aber die samt Pause mehr als zweieinhalbstündige Show lässt keine Wünsche offen. Die starke Songauswahl, gemischt mit dem hervorragenden Sound, der wunderschönen Kulisse und Yusufs/Stevens stiller Präsenz sorgen für bedächtiges Staunen. Ob es Altersmilde oder schlichtweg eine Rückbesinnung auf die musikalischen Werte ist, sei in diesem Fall egal, denn in dieser Verfassung ist der Brite stärker als je zuvor. Hoffentlich bleibt der "Peace Train" noch einige weitere Jahre auf Schiene, die Gefahr einer musikalischen Entgleisung besteht zumindest nicht.

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