Skunk Anansie in Wien

Triumphales Comeback auf den Schultern der Fans

Musik
18.11.2009 02:51
Pause? Welche Pause? Acht Jahre nach ihrer Auflösung sind Skunk Anansie wieder zurück in Europas Hallen. Und zwar mit derselben Energie und dem typischen rasiermesserscharfen Sound wie früher. 2.000 Besucher sahen am Dienstagabend im Wiener Gasometer nicht nur ein beeindruckendes Konzert, sondern auch einen bizarren Silberhut auf dem Kopf von Sängerin Skin.
(Bild: kmm)

Ein wenig Angst haben sie schon, die Skunk-Anansie-Fans am Dienstagabend im Wiener Gasometer. Techno als Pausenmusik und ein Drum'n'Bass-Intro zu Beginn des Auftritts treiben so manchem die Schweißperlen auf die Stirn: Haben die knallharten Alternative-Rocker in den acht Jahren ihrer Abwesenheit etwa den Stil gewechselt?

Glitzerkleid und skurrile Silberfransen
Dann stürmt Sängerin Skin die Bühne, doch - oh Schreck - statt einer engen Latexhose und dem obligatorischen Tank-Top trägt sie ein langärmliges Glitzerkleid, garniert mit einem überdimensionalen Hut aus silbrigen Fransen, der ihren kahlrasierten Schädel komplett verdeckt. Endlich zerschneidet das Gitarrenriff von "Selling Jesus" die elektronischen Beats, Skin rockt los und allen wird klar: Bei Skunk Anansie hat sich nichts geändert. Und das im positivsten Sinne.

Denn Skins Stimme ist immer noch so scharf wie eine Rasierklinge. Niemand anders beherrscht den Spagat zwischen Bellen und Schmeicheln, zwischen Röhren und Betteln so, wie sie es tut. Mit ihrem schrillen Organ singt sie gegen die beißende Gitarre, den wummernden Bass und das scheppernde Schlagzeug an - und gewinnt den Wettstreit mühelos. Die Bandmitglieder werden zu Statisten degradiert, alle Mann in Deckung: Hier kommt die Skin-Show. Ein Feuerwerk der Energie!

Berührungsängste? Ein Fremdwort!
Berührungsängste hat die Sängerin auch nach acht Jahren Pause keine. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Gleich zu Beginn entert sie die Absperrung, die die Band vom Publikum trennt, klatscht Fans ab und krault einem sichtlich verwirrten Security zärtlich den Hinterkopf.

Mit stechenden Augen spießt Skin das Publikum auf
Das ausgehungerte Publikum feiert seinen Star dafür frenetisch. Doch sechs Songs, darunter "Charity", "100 Ways to Be a Good Girl" und "I Can Dream", dauert es, bis sie erstmals zu den Massen spricht. "It's nice to be back" sagt sie kokett grinsend, während sie mit ihren stechenden Augen das Publikum förmlich aufspießt und im nächsten Moment schon wieder über die Bühne rast, ganz so, als müsste sie für den kommenden Song Anlauf nehmen.

Woher nimmt so eine zierliche Frau eigentlich so viel Kraft? Wie kann aus solch einem kleinen Menschen so viel Stimme kommen? Und wieso trocknet Skin in dem langärmligen Glitzerkleid bei all der Bewegung nicht aus, obwohl sie während der Show kaum trinkt? Dem Publikum ist das egal. Es rockt einfach mit, denn nicht nur Skins Leistung ist bemerkenswert, sondern auch die der Band, die mit gerade einmal drei Instrumenten den harten, rhythmischen und massiven Sound fast so brilliant wie auf dem Album rüberbringt.

"Weak" auf den Schultern der Fans - ergreifend wie eine Messe
Doch auch die stillen Momente beherrschen die Sängerin und ihre Band. Nicht zuletzt waren es Balladen wie "Brazen", "Hedonism" und "Weak", die sie berühmt machten. Bei letzterem Song klettert Skin ins Gasometer-Publikum. Auf den Schultern der Fans stehend singt sie die Strophen, angestrahlt von einem Scheinwerfer, der ihr Kleid funkeln lässt wie eine Wunderkerze. Eine Messe könnte kaum ergreifender sein. Das Publikum singt und träumt mit, alle versuchen, die drahtige Britin zu berühren. Doch nur wenigen gelingt es - vorerst.

Stagedive-Ausflug ans andere Ende der Halle
Denn der beste Augenblick soll erst noch kommen. Gegen Ende des Gigs tut Skin es wirklich: Sie springt in die Massen und lässt sich auf den Händen des Publikums durchs gesamte Gasometer tragen. Auf der Rückseite der Halle angekommen, hat sie wieder festen Boden unter den Füßen und singt weiter, Auge in Auge mit den glückseligen Fans im hinteren Bereich. Stagedivend macht sie sich eine Minute später wieder auf den Rückweg in Richtung Bühne, die sie genau zum Schlussakkord des Songs erreicht. Das ist mehr als leere Rockstar-Pose: Das ist ein entfesselter Auftritt.

80 Minuten lang dauert das Skunk-Anansie-Feuerwerk, nur einen Zugabenblock gibt es. Vielleicht hätten die Fans noch Kraft für einige Songs mehr gehabt, aber eines ist sicher: Skin hatte sie nicht. Auch Göttinnen brauchen schließlich irgendwann einmal eine Pause.

von Tobias Pusch
Alle Bilder: Andreas Graf

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