"Krone"-Interview

The Mission: “Scheißalben können passieren”

Musik
18.11.2016 15:26

The Mission gehören seit mehr als drei Dekaden zu den wichtigsten Goth-Rock-Bands der Erde. Wayne Hussey und Co. gingen in dieser Zeit durch Himmel und Hölle, durch Auflösungen und Wiedervereinigungen, durch Erfolg und Niedergang. Mit "Another Fall From Grace" veröffentlichten sie aber unlängst ein bärenstarkes Album - gekrönt von einem gefeierten Konzert in der ausverkauften Szene Wien. Mastermind Wayne Hussey nahm sich für uns Zeit, um Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft zu reflektieren. Mit Kaffee statt Koks.

(Bild: kmm)

"Krone": Wayne, in den letzten Jahren wirkt ihr als Band wieder so fit wie schon lange nicht - woran liegt das?
Wayne Hussey: Wir werden alle nicht mehr jünger und unser Lebensstil war bekanntlich nicht immer der gesündeste. Ich kokse heute nicht mehr und trinke nicht mehr exzessiv. Ich besaufe mich auf Tour nicht mehr komplett, auch wenn Craig und Simon das immer noch gerne praktizieren. Ich versuche so viel wie möglich zu schlafen und mich auszuruhen. Ich bin eben schon 58 und will einfach eine gute Show bieten - dort liegt meine Priorität. Das war nicht immer so. (lacht)

The Mission feiern gerade das 30-Jahre-Jubiläum. Eine sehr lange Zeitspanne, die immer wieder von diversen Splits unterbrochen war, aber wie würdest du diese Zeit grob resümieren?
Es ist unglaublich, dass wir überhaupt noch alle hier sind, wenn man sich unseren Lebensstil von früher ansieht. Wir sind ja nicht nur einfach da, sondern auch ziemlich gut in Form heute. Man denkt niemals daran, was in so und so vielen Jahren passiert. In einer Band denkst du immer nur von Schritt zu Schritt und irgendwann zelebrierst du gerade Geburtstage. Die Zeit läuft einfach so an einem vorbei und ich kann dir jetzt nicht viel Klügeres sagen, denn ich denke nicht in solchen Sphären. Wie viele Bands gibt es überhaupt 30 Jahre? Das sind auch nur eine Handvoll.

Erinnerst du dich noch gut zurück an die allerersten Tage? An das Gefühl, die Aufbruchsstimmung, die damals herrschte?
Natürlich. Das war die aufregendste Zeit überhaupt. Craig und ich waren vorher bei den Sisters Of Mercy und wussten schon, wie sich Erfolg anfühlt. Als wir dann The Mission gründeten, ging alles extrem schnell und fühlte sich irrsinnig gut und spannend an. Wir haben unsere Songs im Radio gehört und unsere Gesichter auf Magazincovers und im Fernsehen gesehen - das ist natürlich etwas Besonderes. Wir sind eine Zeit lang auf dieser Celebrity-Welle geritten und haben später gemerkt, dass so etwas relativ sinnlos ist. Es ist einfach wichtiger, gute Shows zu spielen als die Nächte durchzufeiern, aber bis zu dieser Erkenntnis haben wir lange gebraucht.

Bist du jemand, der Teile aus seiner Vergangenheit bereut oder prinzipiell jemand, der zuversichtlich nach vorne schaut?
Es gibt eine Zeile auf dem neuen Album, sie lautet "there are many things I should be ashamed, but I find so hard to regret". Das fast alles sehr gut zusammen. Ich bin keiner, der viel bereut. Ich habe früher sicher einige Menschen unbewusst verletzt und das tut mir natürlich leid. Andererseits ist mein derzeitiges Leben ein Resultat daraus, was ich eben früher gemacht habe. Es ist also schwer, wirklich etwas zu bereuen. Selbst falsche Entscheidungen haben mich in die Gegenwart geführt. Ich lebe mit einer wundervollen Ehefrau in Brasilien und führe ein gutes Leben.

"Another Fall From Grace", euer neuestes Album, ist bei Kritikern und Fans gleichermaßen gut angekommen. Die Band scheint derzeit so stabil und stark wie schon ewig nicht mehr zu sein.
Ich bin selbst positiv davon überrascht. Es ist keine Schande zurückzuschauen, und gerade was den Sound angeht haben wir uns bewusst an unseren großen Zeiten orientiert. Jedes Album meiner Karriere war zum jeweiligen Zeitpunkt das beste, zu dem ich imstande war. Ich habe nie versucht, ein Scheißalbum zu schreiben und wenn das passiert ist, lag das eben an Fehlern, die Menschen machen. Jedes Album ist eine Art Beleg für den gegenwärtigen Zustand. Dieses Album hat mich dazu gebracht, zurückzublicken.

Du hast schon öfters betont, dass du den Sound von 1985 wiederfinden wolltest - ich finde, man kann dir dazu gratulieren, denn es gelang dir sehr gut.
Das war der Startschuss und das erste Element, das zum Album führte. Das Album ist an sich sehr dunkel und ich habe viel Schmerz darauf verarbeitet. Es klingt jetzt vielleicht nicht definitiv nach 1985, aber nach The Mission und zwar nach der Version, die rund um dieses Jahr große Erfolge feierte.

Damals warst du an genialen Alben beteiligt: "The First And Last And Always" von den Sisters Of Mercy und dann "God's Own Medicine" von The Mission. War das deine absolute Hochphase, was die Kreativität anbelangt?
Das sicher nicht. "First And Last And Always" war ein Album, auf dem ich wirklich alles gegeben habe, was in mir drinsteckte. Jeden Trick im Studio, jede Feinheit auf der Gitarre - ich habe alles dafür verwendet und danach fiel ich in ein kurzes Loch, weil ich einfach nicht mehr wusste, was ich jetzt noch machen sollte oder geben könnte. Bei "God's Own Medicine" hatte ich eine neue Rolle, denn dort war ich Textschreiber und Sänger - alles eine neue Herausforderung. Das Album entstand sehr schnell und ich glaube nicht, dass ich unkreativer geworden bin. Zuhause in Brasilien habe ich ein Studio, dass ich zumindest für eine Stunde pro Tag aufsuche, um ein bisschen auf dem Piano zu klimpern, oder mit der Drum-Machine zu arbeiten. Ich habe tausende Soundschnipsel und Spuren und das Problem ist eher, die zu finden, die für einen Mission-Song würdig sind. Wenn es zu einem neuen Album kommt, dann muss ich immer daran denken, wo ich hin will und was das Album aussagen soll. Das dauert monatelang und ist manchmal etwas problematisch. All diese Gedanken und Einflüsse in ein zusammenhängendes Konzept zu bringen, das fällt mir schwer. Auf meinem letzten Soloalbum, da bin ich so zu hören, wie ich eben bin. Jeder Song klingt komplett anders.

Das war ein für dich sehr sonderbares Werk …
Aber ein vielseitiges! Ich liebe so viele Arten von Musik. Ich würde gerne einmal ein Album mit einem Jazz-Trio oder einem Streicherquartett einspielen, aber bei The Mission gibt es gewisse Erwartungshaltungen und Parameter, die man erfüllen muss. Ich habe versucht, diese Parameter mit diversen Alben zu verschieben, aber das hat nicht funktioniert. Mein Publikum hat diese Änderungen nicht angenommen und das ist auch okay so und zu akzeptieren. Ich bin aber auch keiner, der Alben für andere schreibt, sondern für sich selbst.

Du hast auf dem neuen Album zahlreiche berühmte Gäste wie Ville Valo, Martin Gore oder Gary Numan versammelt. Verlief das nach dem Prinzip "rufen wir einfach ein paar alte Freunde an und haben zusammen Spaß"?
Das sind wirklich alles gute Freunde. Gary kenne ich mehr als 20 Jahre, Ville nicht viel kürzer. Ich stehe total auf Backing Vocals und normalerweise mache ich sie selbst, oder Craig sorgt dafür. Craig ist aber nicht unbedingt mit der besten Stimme gesegnet und wenn ich das selbst mache, dann fehlt mir einfach eine Sound-Abgrenzung zum restlichen Gesang von mir. Es klingt einfach zu gleichförmig. Wenn du aber jemand anderen hinzuziehst, dann kriegt alles eine neue Farbe. Außerdem war es zum 30. Geburtstag einfach Zeit, ein paar meiner Freunde einzuladen, um diese Zeitspanne gebührend zu feiern und zu würdigen.

Mit Craig Adams und Simon Hinkler bist du seit ein paar Jahren wieder glücklich vereint, nachdem es nicht immer so unproblematisch zwischen euch zuging. Ist eure Beziehung heute besser denn je zuvor?
Es ist natürlich anders als früher. Als wir jünger waren, waren wir eine Gang. Wir haben die Show gespielt, ein paar Lines Koks gezogen, sind dann alle in denselben Nachtclub und haben dort bis in die frühen Morgenstunden durchgefeiert. Als wir älter wurden, hat sich einiges getan. Wir haben Familien und sind nicht mehr so fit wie früher. Unsere heutige Beziehung ist sehr stark von gegenseitigem Respekt geprägt. Mit Craig bin ich seit 33 Jahren unterwegs und mit Simon auch seit mehr als 30 Jahren. Wir haben schon noch Momente, wo wir uns in die Haare kriegen, aber wo gibt es das nicht? Ich bin auch keiner, der Dinge, die ihn stören oder aufregen, verschweigt. Wenn ich etwas zu sagen habe, dann muss es raus und das führt oft zu Diskussionen. Ich bin vielleicht nicht der friedlials Sachen in sich hineinzufressen. Wie du siehst leben wir in einem großen Bus und da muss man sich zusammenreißen können. Wenn hier ein Streit ausbricht, ist das wie eine Infektion.

Du hast unlängst einmal gesagt, dass du einer Kooperation mit deinem alten Sisters Of Mercy-Partner Andrew Eldritch nicht mehr abgeneigt wärst.
Ich würde es schon wagen. Craig und ich waren Anfang des Jahres in Chicago, weil uns mein Freund Billy Corgan eingeladen hat. Wir haben dort eine Woche verbracht, um alte Sisters-Songs zu spielen und das fühlte sich einfach großartig an. Ich liebe diese Songs und ich würde sie gerne auch live vor Publikum spielen. Mit The Mission kann ich das nicht machen, aber mit Andrew wäre es natürlich ideal. Aber das wird wohl kaum passieren, denn er hat sicher keine Lust darauf.

Du würdest ihm aber die Hand reichen und die Animositäten von früher vergessen?
Was war, das war. Ich habe ihn seit ca. 15 Jahren nicht mehr gesehen oder gehört und ich habe mich über die Jahre verändert. Ich glaube, auch bei Andrew ist nicht mehr alles gleich wie damals. Wir hatten unsere Probleme, aber auch gute Songs und es würde einfach extrem Spaß machen, diese Nummern in der alten Besetzung zu spielen.

Du lebst mit deiner Frau seit mittlerweile 13 Jahren in Brasilien. Wie hat sich das Leben seither für dich verändert?
Ich fühle mich in Brasilien ziemlich abgeschnitten vom Rest der Welt, aber es gibt ja zum Glück das Internet. Man muss aber schon gut planen, um woanders hinzukommen. Wir haben ein Apartment in der Stadt in Sao Paulo und einen Landsitz weiter draußen. Meine Frau ist die meiste Zeit in der Stadt und ich bin meist am Land. Zusammen führen wir eher so eine Art Teenager-Beziehungsleben, was nach 15 Jahren Ehe aber großartig ist, weil es sich frisch und romantisch anfühlt. Wenn wir zusammen sind, dann haben wir gute Gesprächsthemen. Sie arbeitet in der Stadt als Schauspielerin und ich draußen im Studio - ich mag diese Art der Beziehung.

Wie steht es um dein Portugiesisch?
Es geht. (lacht) Ein klein bisschen geht, aber ich könnte mich mit meinen Kenntnissen nicht um ein politisches Amt bewerben. Normale Konversationen sind aber schon möglich.

Was vermisst du am meisten aus deiner alten Heimat?
Ich lebe schon seit 19 Jahren nicht mehr in England, bin aber drei- bis viermal pro Jahr dort. Der Fußball fehlt mir natürlich. In Brasilien habe ich mehr Spiele im TV als in England, aber live komme ich natürlich schwer zu den Liverpool-Spielen. Du kriegst ja auch kaum Tickets, wenn du keine großen Beziehungen hast. Natürlich fehlen mir meine Familie und einige Freunde, aber ansonsten bin ich in Brasilien glücklich und davor war ich ja in Kalifornien. Liverpool geht es wie der Band - sie sind stärker als je zuvor. (lacht)

Wie geht es mit der Band jetzt weiter?
Ich habe noch keine weiteren Pläne, weil dieses Jahr sehr aufregend ist. Im Frühling oder Sommer 2017 möchten wir gerne ein paar europäische Festivals spielen und in den USA touren. Darüber hinaus kann ich dir noch nichts sagen. Ich wurde unlängst gefragt, ob ich eine Rolle in einem Film übernehmen wolle. Das interessiert mich sehr, weil es etwas ganz Neues für mich ist. Ich muss aber zuerst meine Frau fragen, was sie davon hält, sie ist da der Profi. Ich habe zuerst nur darüber gelacht, aber je mehr ich darüber nachdenke, umso interessanter klingt es für mich. Mit The Mission haben wir keine langfristigen Pläne, so wie immer. (lacht)

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